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Traven-Totenschiff-230

B. Tra­ven
» Das Totenschiff

AutorB. Tra­ven (Deutsch­land, 1926)
TitelDas Toten­schiff
Aus­gabeBücher­gilde Guten­berg, 1972
Erstan­denAus dem Familiennachlass

Traven-Totenschiff-330

Es ist mit­nich­ten eine rein mari­time Geschichte, denn über ein Drit­tel erzählt der Roman, wie es einem armen Teu­fel, der seine Papiere ver­lo­ren hat, in den Müh­len der Staats­bü­ro­kra­tie in den zwan­zi­ger Jah­ren des 20. Jhdts geht. Damit beginnt eine kaf­ka­eske (aktu­ell eher Seehofer´sche) Ody­see durch euro­päi­sche Staa­ten, kei­ner will den Mann ohne Papiere haben oder anneh­men, geschweige denn ihm neue Papiere geben. Im Kon­su­lat in Paris erfährt er, dass im Gegen­teil dazu (schein­bar Rei­chen) Papiere förm­lich nach­ge­wor­fen wer­den, Gro­ßes Bank­ge­schäft und Luxus­ka­bine »bewei­sen alles«. Geschickt schreibt Tra­ven in die­sem Abschie­be­zir­kus vom Gegen­satz zwi­schen Staa­ten und Men­schen. Ihm gelin­gen teils maka­bre und köst­li­che Momente: Wenn der zum Tode Ver­ur­teilte das superbe fran­zö­si­sche Essen lobt, wenn er die natio­na­len Eigen­hei­ten der Län­der anhand des Umgangs mit papier­lo­sen armen Teu­feln beschreibt, am bes­ten das »Leben und leben las­sen« in Spanien.

Nach lan­gem Tramp, ver­geb­li­cher Suche nach Arbeit auf einem Schiff, begeg­net er dem »ver­ros­te­ten Eimer«, der Yor­rick, die sein Schick­sal wird, dem Anheu­ern auf die­sem abge­wrack­ten Damp­fer, mit sei­ner abge­wrack­ten Mann­schaft, kann er nicht ent­ge­hen. Furcht­erre­gend, gelun­gen die Beschrei­bung des Schiffs und seine Zustän­den, enge ver­dreckte Bunks (Kojen), Stroh und Decken selbst mit­zu­brin­gen, Selbst­ver­ständ­li­ches (wie Seife) fehlt, dafür sind die Bord­rat­ten so groß wie Kat­zen. Schreck­lich die inter­nen Hier­ar­chien »ganz unten«, am Ende der »Koh­len­zie­her« auf der »Rat­ten­wa­che«, höl­li­sches Schla­cke zie­hen, 50kg teils glü­hen­der Asche an tücki­scher Winsch, wohin der Prot­ago­nist vom 2. Offi­zier laviert wird, fiese Aus­beu­tungs­me­tho­den – man fühlt sich an die Sub­un­ter­neh­men der Fleisch­in­dus­trie erin­nert. – Auf die­sem Toten­schiff lernt man, wie man Skla­ve­rei und Krieg ertra­gen kann, »so tief kann kein Mensch sin­ken, dass er nicht noch tie­fer sin­ken könnte,.. daß er nicht noch Schwe­re­res ertra­gen könnte.«(S. 178). Aber: Men­schen gewöh­nen sich nicht an Qua­len, sie wer­den nur abge­stumpft. – Und es gibt hun­derte von Toten­schif­fen auf den sie­ben Mee­ren, »Alles muß sei­nen Pro­fit abwer­fen.« (S. 200).

Tra­ven ist ein ein­drucks­vol­ler Roman um die Schick­sale der Men­schen auf einem »Toten­schiff« in aller Bit­ter­keit schau­er­lich gut gelun­gen: Las­set alle Hoff­nun­gen fahren.

Das Ganze ist mit­un­ter etwas ver­fah­ren erzählt, ist gespickt mit Anek­do­ten von armen Teu­feln an Land und zur See. Tra­ven wird in die­sem den­noch leicht zu lesen­den Buch nur manch­mal poli­tisch und läßt dann gerne Anar­chis­mus durch­blit­zen. Kein Wun­der in einer sol­chen Exis­tenz, die er wohl per­sön­lich ken­nen­ge­lernt hat.

In der Summe fällt das Toten­schiff etwas gegen­über dem Car­reta-Zyklus ab (vgl. »Gele­sen im März 2019«), bleibt aber:

Gute, rea­lis­ti­sche Unterhaltung

2019 rezensiert, Arbeiterliteratur, B. Traven, Büchergilde Gutenberg