Skip to main content
Alaska-Kid-Cover

Jack Lon­don
» Alaska-Kid

Autor:Jack Lon­don (USA, 1912)
Titel:Alaska-Kid
Aus­gabe:Bücher­gilde Guten­berg, 1979
Erstan­den:Anti­qua­risch, mit Hilfe eines Dres­de­ner Sammlers
Alaska-Kid-Cover
Das Cover der Gutenberg-Ausgabe

Im Grunde eine Reihe von Aben­teu­er­ge­schich­ten aus Alaska, lose ver­knüpft, in denen Chris­to­pher Bel­lew zu »Alaska Kid« wird. Und ein neu­gie­ri­ger jun­ger Mann von der West­küste in den Aben­teu­ern der rau­hen Wild­nis Alas­kas zum Mann mutiert.

Des­sen Aben­teuer mit einem Job für einen Hun­ger­lohn als Zei­tungs­schrei­ber begin­nen. Der aber bald vom abge­här­te­ten Onkel zur Gold­su­che im Nor­den ani­miert wird. Was aus ihm mit gro­ßen Mühen einen super­har­ten Las­ten­trä­ger in den Gold­su­cher­trecks macht. Und damit den ers­ten Schritt vom »Checha­quo« [Grün­schna­bel] zum erfah­re­nen Nord­mann geht.

Diese Wand­lung ver­langt ihm Unmensch­li­ches ab, ange­fan­gen beim Las­ten­schlep­pen und wei­ter wenn er mit einem Boot als letz­ter des Jah­res durch den zufrie­ren­den Yukon nach Daw­son kommt. Und dabei – mit sei­nem neuen Part­ner Shorty – Was­ser­fälle, Fluss­schnel­len, Treib- und Pack­eis über­win­det. Schon leich­ter gelingt die Ver­wand­lung der bei­den in erfolg­rei­che Elch­jä­ger und Fleischhändler.

Beim Claim­ab­ste­cken pas­siert ihnen ein gro­ßes Miss­ge­schick bei Rekord­kälte, die Nase, Fin­ger und Wan­gen erfrie­ren lässt und man rei­hen­weise über steif Gefro­rene im Schnee stol­pert. Erfro­re­nes durch hef­ti­ges Ein­rei­ben mit Schnee ist kein Spaß: »Nur lang­sam begann das Ste­chen und Klop­fen des Blut­um­laufs in das erfro­rene Fleisch zurück zu keh­ren.« (S. 100). Die Panne kön­nen sie aber durch schar­fes Beob­ach­ten am Rou­lette-Tisch einer Spiel­hölle in Alaska aus­glei­chen. Und neben­her ihre ursprüng­li­chen, aber fei­gen und ver­weich­lich­ten Auf­trag­ge­ber ausbooten.

Ganz ohne weib­li­chen Part kön­nen sol­che Geschich­ten nicht aus­kom­men, in die­sem Fall ist es die reiz­volle Joy Cas­tell, die als Toch­ter eines Händ­lers zu den »Alten«, also den erfah­re­nen und eta­blier­ten Ein­wan­de­rern des Nor­dens gehört. Und die Alaska Kids Gefühls­le­ben bei allen Aben­teu­ern wärmt.

Die Liebe zur Natur der ein­sa­men ark­ti­schen Wild­nis ist ein kon­stan­ter Fak­tor der Erzäh­lung Lon­dons, S. 128: »Er liebte dies ein­same Leben, liebte den kal­ten ark­ti­schen Win­ter, die schweig­same Wild­nis, die unend­li­chen Schnee­fel­der, die kei­nes Men­schen Fuß je betre­ten hatte.« Vie­les erin­nert an Pas­sa­gen aus Lon­dons eige­nem Leben, der Zei­tungs­job, die Gold­grä­be­rei, Aben­teuer am Yukon. Wobei nega­tive Ver­än­de­run­gen nicht aus­ge­spart blei­ben, S. 148: »Das war hier einst ein schö­nes Pelz­land, klagte er, bevor die ver­flix­ten Gold­su­cher kamen und das Wild vertrieben.«

Dar­un­ter aber lei­det die indi­gene Bevöl­ke­rung am meis­ten, was Lon­don lei­der nicht erwähnt. Auch nicht bei der Erzäh­lung von einem ver­hun­gern­den India­ner­stamms, trau­rig. Noch deut­li­cher zeigt sich der Ras­sis­mus Lon­dons, als angeb­lich alle (wei­ßen) Bewoh­ner einer Gold­grä­ber­sied­lung die­sen India­nern unent­gelt­lich hel­fen wol­len. Ein­zig ein India­ner unter den Gold­grä­bern ver­langt hart­nä­ckig Ent­loh­nung für sei­nen Auf­wand. »Ein biss­chen Auf­hän­gen« bringt ihn jedoch auf den Pfad der christ­li­chen Tugend. Und der Ver­fas­ser ver­passt die Gele­gen­heit auf den Hin­weis, dass erst das wilde Jagen und die Fleisch­fres­se­rei der Ein­wan­de­rer die Not der Indi­ge­nen zur Ursa­che hat. Und dass sie es waren, die das Schachern um jeden Preis anstelle des Geset­zes der Nächs­ten­liebe setz­ten. Aber die Geschich­ten Lon­dons muss­ten ver­kauft wer­den, an Weiße und die woll­ten sicher nichts über ihre eigene Schande hören.

Alaska-Kid3
Jack Lon­don auf sei­ner Farm in Glen Ellen | Das Foto ent­stand 1913, ein Jahr nach Fer­tig­stel­lung sei­nes Alaska-Zyklus’. Es stammt aus der Bio­gra­fie von Rolf Reck­na­gel, erschie­nen 1975 im Ver­lag Neues Leben, Berlin/DDR

Die Aben­teuer gehen wei­ter, er über­lebt ein »Gold­grä­ber-Gericht«, gewinnt zur Hälfte ein Schlit­ten­ren­nen mit einem Mil­lio­nen­preis, aller­dings mit Hilfe der schö­nen Joy. Auch eine gefähr­li­che Glet­scher­que­rung samt Spal­ten­sturz über­lebt der Held. Und phi­lo­so­phiert beim Blick in die Augen des Leit­hun­des, S.209: »…die Augen des Hun­des ström­ten buch­stäb­lich über, was das Leben eigent­lich ist, ….Ent­wick­lung und Sternenstaub…«.

Dann gibt’s noch die Geschichte vom fau­len Grund­stücks­han­del, wo Werte nur vor­ge­täuscht wer­den – ob D. Trump das mal gele­sen hat? Urko­misch der miss­glückte Eier­trust, wobei die Betrü­ger betro­gen wer­den, was bekannt­lich zum Kapi­ta­lis­mus dazu gehört. Für reich­lich miss­glückt halte ich die Geschichte mit den »wei­ßen India­nern«. Viel schlim­mer, S.350: »…daß sie noch nichts von den zar­ten Mit­teln der Liebe wußte. Unter den pri­mi­ti­ven India­nern kennt man ja der­glei­chen nicht.« Ein unglaub­lich ras­sis­ti­sches State­ment, das mir den Atem ver­schla­gen hat und ein sehr schlech­tes Licht auf den Autor wirft.

Im Schluss­teil ist die Span­nung zwei­fels­frei am höchs­ten, eine Ver­fol­gungs­jagd, die Auf­op­fe­rung einer ande­ren Frau, Kid ver­irrt sich im Hoch­ge­birge und wird erst wie­der auf­ge­fun­den durch sei­nen Part­ner Kurz. Der Held wird sich nach den Erleb­nis­sen mit Labiskwee, der Frau, die sich für ihn auf der Flucht auf­ge­op­fert hat, erst klar:?Dass das Glück mit einer Frau das höchste ist.

Das alles ist kein gro­ßes lite­ra­ri­sches Ereig­nis aber solide und span­nend erzählte Aben­teu­er­ge­schich­ten. Viel­fach mit Augen­zwin­kern geschrie­ben, zum Schmun­zeln ani­mie­rend. Bei den ein­drucks­vol­len Pas­sa­gen zur Schön­heit der ark­ti­schen Wild­nis befällt mich – über 100 Jahre spä­ter – die Trauer. Wie­viel ist von die­sen Schön­hei­ten durch den Raub­bau der US-ame­ri­ka­ni­schen Kon­su­mo­kra­tie, und spe­zi­ell der Neu-Erschlie­ßung von Ölfel­dern Alas­kas unter Prä­si­dent Biden noch übrig geblieben?

Alask-Kid-2
Ein ganz ande­rer Lon­don steckt hin­ter dem Titel »The Iron Heel«. 1907 erschie­nen, war es die Geschichte eines Sozia­lis­ten, des­sen Ziele unter den Stie­feln der Faschis­ten zer­tre­ten wur­den. Des­sen Aus­gabe 1975/76 im Lon­do­ner Ver­lag »The Jour­ney­man Press« pas­send mit dem Bild des 1973 von Faschis­ten ermor­de­ten chi­le­ni­schen Prä­si­den­ten Allende geschmückt wurde.

Die Geschich­ten vom Alaska Kid sind beste Bei­spiele aus dem Genre Aben­teu­er­erzäh­lun­gen, jedoch nur ein Teil von dem, was der große Schrift­stel­ler und Sozia­list Jack Lon­don beherrschte. Bedau­er­lich ist das schlechte Lek­to­rat der Bücher­gilde, das schlimme ras­sis­ti­sche Ent­glei­sun­gen unkom­men­tiert ste­hen lässt!

Jack Lon­don Fan bleibe ich trotz sei­ner ras­sis­ti­schen Klänge, nur meine Distanz zum Autor hat sich geweitet.

Klas­si­sche Alaska-Abenteuergeschichte

Nach­trag: Im Ori­gi­nal erschie­nen die »Smoke Bel­lew Tales« im Jahr 1912. Sie waren für Lon­don, wie die Alaska Sto­ries, has­tig her­un­ter­ge­schrie­bene Geschich­ten für den Brot­w­er­werb. Auf die er nicht stolz war. Das Publi­kum aber liebte sie, Auf­lage um Auf­lage erschien. Dies­mal in einem neuen Ver­lag, der zum Hearst Impe­rium gehö­ren­den Cen­tury Com­pany. Es war kurz vor Beginn der letz­ten Lebens­phase Lon­dons, die 1916 unter Depres­sio­nen und Rausch­mit­teln mit dem Sieg von König Alko­hol, sein Leben beeendete.

Für mich eine der »neuen« Jack Lon­dons, erst in die­sem Jahr wurde klar, dass die von Mut­ter und Bru­der ererb­ten Bände gar nicht voll­zäh­lig waren. Dank der Hilfe eines Dresd­ner Samm­lers fan­den sich – zusam­men mit gleich zwei Bio­gra­fien – 12 für mich neue Bände in unsere Regale. Ich freu mich dar­auf und werde noch eini­ges davon in unserm Ber­li­ner Lite­ra­tur­blog »altmodisch:lesen« vor­stel­len. Auf, das es mehr als die bis­lang sechs im Blog rezen­sier­ten Bände von Jack Lon­don werden.

2023 rezensiert, Abenteuer, Alaska, Büchergilde Gutenberg, Goldgräber, Jack London, Norden, Rassismus, USA