Weibliches Schreiben
Frauenliteratur?
Einen Konsens darüber, wie Frauenliteratur definiert werden kann, gibt es nicht.
Eine Sammelbezeichnung für Literatur von Frauen, die im Kontext der neuen Frauenbewegung seit 1968 entstanden ist? Das ist mir zu wenig – vor allem historisch betrachtet.
Ich nehme also Überlegungen von Virginia Woolf und Irmtraud Morgner als Grundlage:
Virginia Woolf »… stellt die Frage, ob die bisherigen Romane nicht einer von Männern aufgestellten Ästhetik gehorchen – das große, geschlossene, in kontinuierlicher, den Schöpfer völlig absorbierender Arbeit geschaffene Werk. Eine Frau hat demgegenüber einen völlig anderen Lebensrhythmus, da sie in der Regel im Alltag als Leiterin ihres Haushalts oder gar als Mutter von Kindern schlicht häufiger Unterbrechungen ausgesetzt ist. Diese Tatsache greift Irmtraud Morgner auf und stellt sie in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen zum weiblichen Schreiben.« (Volker Neuhaus, »Die ganze Welt auf fünf Pfund Papier« – das große Welttheater der Irmtraud Morgner und die Gefahr seiner Schließung, in: Freipass, Schriften der Günter und Ute Grass Stiftung, Berlin 2015, S. 54)
Weibliches Schreiben also statt Frauenliteratur? Ja, …
… hier folge ich auch der Argumentation von Nicole Seifert. Sie betont, dass sie weibliches Schreiben niemals biologistisch begründen oder am Stil festmachen wolle. Frauen hätten und haben andere Erfahrungen gemacht, auch historisch betrachtet, daher gehe es auch um andere Inhalte. Ihrer Ansicht nach könne der Begriff „Frauenliteratur“ weg — den Begriff „Männerliteratur“ gebe es schließlich auch nicht. Der Begriff „Frauenliteratur“ diene bis heute dazu, Literatur von Frauen abzuwerten und von der „richtigen“ Literatur abzuheben.
Ebenso betonte Irmtraud Morgner schon 1984: »Literatur ist für Menschen geschrieben, und jeder nimmt sich den Charakter heraus, mit dem er etwas machen kann. Und deshalb habe ich auch etwas gegen den Ausdruck ›Frauenliteratur‹, weil dann alle andere Literatur Männerliteratur sein müsste.« (Irmtraud Morgner, Die Hexe im Landhaus, Gespräch in Solothurn, Patrizia N. Franchini (Hg.), Zürich1984, (S. 84)
Irmtraud Morgner
© Bettina Flitner von emma.de
Virginia Woolf
Ersteller: Gisèle Freund | Credit: IMEC, Fonds MCC / bpk
Urheberrecht: bpk / IMEC, Fonds MCC / Gisèle Freund
Spiegel.de