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Twain-Title

Mark Twain
» Inno­cents abroad

Autor:Mark Twain (USA, 1869)
Titel:Inno­cents abroad
Aus­gabe:Chat­too & Win­dus Pica­dilly, 1882, ame­ri­ka­ni­sche Originalfassung
Erstan­den:Anti­qua­risch vom Land­buch­han­del Kross, Bippen
Twain-Title
Statt des Covers die Vor­satz­ti­tel die­ser his­to­ri­schen Aus­gabe von Mark Twa­ins Rei­se­be­richt (1882)

Ein biblio­phi­les Schmuck­stück unse­rer Biblio­thek, die reich illus­trierte Geschichte der ers­ten (?) Kreuz­fahrt aus den USA, 1867 mit einem Sei­ten­rad­damp­fer ins Mit­tel­meer und sei­nen his­to­ri­schen Stät­ten. Ein Buch, das mit über 300 (!) Illus­tra­tio­nen aus­ge­stat­tet, eine Attrak­tion in dama­li­ger Zeit gewe­sen sein muss. Und über das den­noch die Zeit hin­weg­ge­gan­gen ist, was nicht nur an frei ver­füg­ba­ren Bildern/Videos und Bil­lig­flug­tou­ris­mus liegt, son­dern in erheb­li­chem Maß an Mark Twain selbst. Zu sehr sto­ßen plat­ter Ras­sis­mus, US-ame­ri­ka­ni­sche Über­heb­lich­keit (die­ser See ist in den USA viel tie­fer), kolo­nia­lis­ti­sches Gedan­ken­gut und weit­ge­hen­des Unver­ständ­nis frem­der Kul­tu­ren ab. Nach sei­nen Berich­ten sind alle Ita­lie­ner faul, alle Ara­ber unge­wa­schen und Bak­schisch-geil etc; Auweia lie­ber Mark Twain, gut dass ich Dei­nen Huck Finn vor­her gele­sen habe. Dabei emp­fand ich die­sen ers­ten Rei­se­be­richt von Twain beson­ders übel, der zweite, namens »A tramp abroad« (in der glei­chen schö­nen Aus­gabe), kon­zen­triert auf Deutsch­land und die Alpen, ist viel mehr Genuss. Dar­un­ter herr­li­che Essays über die deut­sche Spra­che und die Schwie­rig­kei­ten derselben.

Nun die Inno­cents beinhal­ten sar­kas­tisch-iro­ni­sche Beschrei­bun­gen der Reise iin­k­lu­sive Atlan­tik-Über­fahrt, der Mit­rei­sen­den und der man­nig­fal­ti­gen Exkur­sio­nen zu Sehens­wür­dig­kei­ten, Land und Leu­ten. Das ist oft amü­sant, nicht immer span­nend, lite­ra­risch eher flach, oft amü­sant, viel­fach unsäg­lich. Für dama­lige Zeit muss vie­les sen­sa­tio­nell gewe­sen sein, ent­spre­chend wird gerne über­trie­ben, es ist meist »für die Zei­tung geschrie­ben«, weni­ger für die Nach­welt – so mein Ein­druck. Manch kleine Geschichte lernt auch noch der Viel­ge­reiste hinzu, um dann lesen zu müs­sen: Wenn man in Mar­seille eine hüb­sche Frau sieht, ist es eine Ame­ri­ka­ne­rin. Die detail­rei­chen Zeich­nun­gen begeis­tern oft mehr, beson­ders als Natur­be­schrei­bun­gen; Kunst­schätze nimmt Twain sehr selek­tiv wahr, lobt den Mai­län­der Dom und mokiert sich über dut­zend­fach auf­tre­tende Kir­chen­re­li­quien. Tizian ver­steht er nicht, mit Flo­renz kann er nichts anfan­gen, den Turm von Pisa schil­dert er sehr hübsch. Zu Recht sein Ver­gleich zwi­schen Bar­ba­ren und der Inqui­si­tion, schön über Nea­pel, wit­zig der Auf­stieg zum Vesuv, merk­wür­dig der devote Besuch beim Zaren. Zei­len­schin­de­rei über Dut­zende Sei­ten bei den Rei­sen im Nahen Osten mit der Nach­er­zäh­lung bibli­scher Geschich­ten. In vie­len Fäl­len blei­ben ihm fremde Kul­tu­ren offen­sicht­lich fremd, wozu fährt er dann hin? Das Buch ist ein anti­qua­ri­sches Kleinod, zum Lesen …

ver­zicht­bar

2017 rezensiert, Chattoo & Windus Picadilly, Kolonialismus, Kreuzfahrt, USA