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Shida Bazyar
» Drei Kameradinnen

Autorin:Shida Bazyar (2021)
Titel:Drei Kame­ra­din­nen
Aus­gabe:Kie­pen­heuer & Witsch, 1. Auf­lage 2021, Köln
Erstan­den:von mei­ner Tochter

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Zunächst bin ich über den Titel ›Drei Kame­ra­din­nen‹ gestol­pert – der Begriff gehörte irgend­wie nicht zu mei­nem Sprach­ge­brauch. In einem Inter­view erklärt Shida Bazyar, warum sie die­sen Titel gewählt hat:

»Der Begriff wird von ganz unter­schied­li­chen Men­schen genutzt; von der Feu­er­wehr zum Bei­spiel. Aber ja, auch rechte Grup­pie­run­gen nut­zen ihn, um zu mobi­li­sie­ren und ihren Anhän­gern ein Gefühl von Stärke und Zusam­men­halt zu sug­ge­rie­ren. Ich wollte den Begriff zurück­ha­ben, nicht weil er mir so wich­tig ist, son­dern weil ich finde, dass wir Nazis keine Begriff­lich­kei­ten über­las­sen soll­ten.« (Quelle)

Damit sind wir mit­ten im Roman: Das Gefühl von Stärke und Zusam­men­halt ist kenn­zeich­nend für Hani, Saya und die Ich-Erzäh­le­rin Kasih. Diese drei Freun­din­nen sind in Deutsch­land groß gewor­den und tref­fen sich nach eini­gen Jah­ren wie­der. Alle haben einen mehr oder weni­ger anstren­gen­den Job. Hani arbei­tet in einer Agen­tur für ›Green Washing‹, Saya hält inter­na­tio­nal Vor­träge über Ras­sis­mus und Kasih sucht nach abge­schlos­se­nem Stu­dium einen Job, hält sich mit Mini­jobs über Was­ser und muss die Demü­ti­gun­gen im Job­cen­ter und mög­li­cher Arbeit­ge­ber ertragen.

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Shida Bazyar stellt auf dem Erlan­ger Poe­ten­fest 2016 ihren Roman »Nachts ist es leise in Tehe­ran« vor.
© Amrei-Marie – Eige­nes Werk (Quelle)

Die drei jun­gen Frauen sind guter Stim­mung, aber immer wie­der holt sie die eigene Ver­gan­gen­heit ein, die gekenn­zeich­net ist von sozia­ler Aus­gren­zung und Ras­sis­mus, oder die Infor­ma­tio­nen über den aktu­ell statt­fin­den­den NSU Pro­zess, der im Roman jedoch nicht so benannt wird, aber der Leser kann Par­al­le­len her­stel­len. So ent­steht auch für den Leser das Gefühl der Bedro­hung, ebenso wie für die jun­gen Frauen, aber beson­ders für Saya, da immer wie­der betont wird, dass sie im Knast lan­den könnte.

Die jun­gen Frauen kämp­fen gegen jeg­li­che Art von All­tags­ras­sis­mus, sie wol­len zei­gen, wie es ist, wenn man immer und über­all infrage gestellt wird. Sie wol­len Teil einer Gesell­schaft sein, die sie jedoch weder als Deut­sche noch als Flücht­linge sieht.

Das Staats­thea­ter Darm­stadt hat den Roman auf die Bühne gebracht. (Quelle)

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Por­träts der Opfer am Tag der Urteils­ver­kün­dung im NSU-Pro­zess am 11. Juli 2018
Von Hen­ning Schlott­mann (User:H-stt) – Eige­nes Werk, CC BY-SA 4.0, (Quelle)

Drei Frauen ste­hen im Vor­der­grund und es wird aus einer weib­li­chen Per­spek­tive erzählt. Warum?

Shida Bazyar: »Weil mein Roman auch Pro­bleme anspricht, die sich spe­zi­fisch Frauen in den Weg stel­len. Hierzu zäh­len bei­spiels­weise die Bezie­hun­gen, die meine drei Protagonist:innen füh­ren, die All­tags­se­xis­men, denen sie dabei begeg­nen, die Arten und Wei­sen, wie sie ihre Sexua­li­tät aus­le­ben, und wie jede dafür auf ver­schie­denste Art und Weise ver­ur­teilt und kate­go­ri­siert wird. Ich habe mich immer gefragt, wo ent­ste­hen Alli­an­zen? Warum ent­ste­hen sie (nicht)?« (Quelle)

Ein kom­pro­miss­lo­ser Roman über das Bünd­nis dreier Frauen!

Unterschrift
Mar­gret Hövermann-Mittelhaus

2022 rezensiert, Freundschaft, Kiepenheuer & Witsch, NSU-Prozess, Rassismus, Shida Bazyar