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Mar­len Haus­ho­fer
» Die Mansarde

Autorin:Mar­len Haushofer
Titel:Die Man­sarde (1969)
Aus­gabe:Claa­sen Ver­lag, Düs­sel­dorf 1969
Erstan­den:anti­qua­risch

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Der Roman ›Die Man­sarde‹ von Mar­len Haus­ho­fer, erschie­nen 1969, beschreibt die All­täg­lich­keit im Leben einer Haus­frau und Mut­ter, er beschränkt sich jedoch auf nur eine Woche im Win­ter. Ihre Ehe betrach­ten die Ich-Erzäh­le­rin und ihr Ehe­mann Hubert als nor­mal, die Ich-Erzäh­le­rin (sie trägt kei­nen Namen) beschreibt die Ehe als in Rou­tine erstarrt. »Er ging mit mir zu Bett. Es wurde wie immer, wenn der Alko­hol ihn ein biss­chen ent­hemmt hatte. Dann schlief er sofort ein, und ich lag wach.« (S. 152). Sie selbst ist Gra­fi­ke­rin, betreibt diese Tätig­keit aber eher als Hobby, wie Hubert sagt, sie zeich­net fast aus­schließ­lich Insek­ten und Vögel. Um die­ser Tätig­keit nach­zu­kom­men, zieht sie sich jeden Abend in die Man­sarde zurück, um hier ihre Ruhe zu finden.

Die Ruhe wird dann jedoch dadurch gestört, dass sie anonym ihre alten Tage­buch­auf­zeich­nun­gen zuge­schickt erhält. Diese Tage­buch­auf­zeich­nun­gen sind ent­stan­den, als sie sich über zwei Jahre lang auf Wunsch ihres Man­nes und ihrer Schwie­ger­mut­ter zur Erho­lung – sie wurde taub auf­grund des Ertö­nens einer Feu­er­wehr­si­rene – in einem ehe­ma­li­gen Jagd­haus auf­ge­hal­ten hat. Hier hatte sie keine sozia­len Kon­takte, nur den Jäger sah sie täg­lich, der sie mit Lebens­mit­teln ver­sorgte. Dann taucht ein Frem­der auf, der ihr offen­bar dunkle Geheim­nisse anver­traut, die sie aber nicht ver­ste­hen kann, weil sie (noch) taub ist. Beim letz­ten Tref­fen zer­drückt er wütend ein Glas und die­ses Geräusch führt dazu, dass sie wie­der hören kann. Sie kehrt zu ihrer Fami­lie zurück. Also ist alles wie­der in ›But­ter‹, oder? Dann wäre die­ser Roman ›Haus­frau­en­li­te­ra­tur‹, aber nicht ein Roman von Mar­len Haus­ho­fer! Die Man­sarde, in die sich die Erzäh­le­rin immer wie­der zurück­zieht, steht für ihre Indi­vi­dua­li­tät, um sich vom Haus­frau­en­da­sein immer wie­der abzu­gren­zen, denn hier kann sie krea­tiv tätig sein. Sie flüch­tet vor ihrer eige­nen Fami­lie und damit vor der Rea­li­tät, den Weg in die Frei­heit fin­det sie damit aber nicht, der Weg führt nur in die Man­sarde. Hier liest sie ihre Tage­buch­auf­zeich­nun­gen aus der Zeit der Iso­la­tion, an die sie aber eigent­lich nicht erin­nert wer­den will. Die Feu­er­wehr­si­rene hat sie taub wer­den las­sen. »Damals wollte ich ster­ben. Das Weit-weg-von-allem-sein Wol­len war mein Ersatz für den Tod.« (S. 219).

Weil sie nicht erin­nert wer­den will, ist es eine quä­lende Aus­ein­an­der­set­zung mit der eige­nen Ver­gan­gen­heit. Das Ritual ist immer das glei­che, wenn sie ihre Tage­buch­auf­zeich­nun­gen gele­sen hat, wer­den sie im Ofen ver­brannt und sie kehrt in ihr Haus­frau­en­da­sein zurück. »Ich habe einen bür­ger­li­chen Mann gehei­ra­tet, führe einen bür­ger­li­chen Haus­halt und muß mich ent­spre­chend beneh­men. Der Abend in der Man­sarde genügt für meine unbür­ger­li­chen Aus­schwei­fun­gen.« (S. 52). Wäh­rend des Auf­ent­halts in der Jagd­hütte macht sie sich Gedan­ken über ihren Ehe­mann, bemüht sich aber, ihn nicht zu kri­ti­sie­ren. »Der ein­zige Abfall, den er sel­ber weg­put­zen muß, ist sein eige­ner Bart und er stöhnt dar­über vor dem Spie­gel und hin­ter­läßt das Bade­zim­mer in einem Zustand, der sei­ner Frau Meier auch ein Stöh­nen ent­lockt. Und wenn er heim­kommt, wun­dert er sich kein biß­chen, daß alles wie­der in Ord­nung ist.« (S. 57).

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Mar­len Haus­ho­fer mit ihrem Tiger­ka­ter Iwan, um 1955. © by Sybille Haus­ho­fer | Quelle

Aber auch nach ihrer angeb­li­chen Gene­sung spricht sie mit ihrem Ehe­mann nicht über die lange Zeit der Ein­sam­keit. Die Fähig­keit Wider­stand zu leis­ten und sich aus­ein­an­der zu set­zen hat sie immer noch nicht gelernt und zieht sich immer mehr zurück. Die­ses Zurück­zie­hen tarnt sie durch Kon­takte, die ihr gar nicht wich­tig sind, so macht sie z. B. Kran­ken­be­su­che und erfüllt damit das weib­li­che Rol­len­mus­ter. Auch bei der Haus­ar­beit ver­sucht sie dem Ideal der Haus­frau zu ent­spre­chen und ihrem Mann ein Zuhause mit dem täg­li­chen Mit­tag­essen zu bie­ten. »Aber Hubert kommt nach Hause, sooft es ihm mög­lich ist, weil er lie­ber schwei­gend bei mir sitzt als anderswo. Man könnte es als Lie­bes­er­klä­rung betrach­ten.« (S. 84). Möchte sie ihre Lebens­si­tua­tion gar nicht ver­än­dern? Will sie den Weg in die Frei­heit gar nicht fin­den? Auch noch am Ende des Romans betont sie: »Alles ist, wie es ist, und muß auch so zu Ende gelebt wer­den. Mein Nach­den­ken hilft kei­nem Men­schen, nicht ein­mal mir sel­ber.« (S. 220).

Die Werke von Mar­len Haus­ho­fer wur­den zu Leb­zei­ten größ­ten­teils igno­riert und im nega­ti­ven Sinne als ›Frau­en­li­te­ra­tur‹ abge­tan und damit ver­ges­sen! Ihre Werke soll­ten jedoch vor dem Ver­ges­sen geret­tet werden!

Hier im Blog ›altmodisch:lesen‹ habe ich auch von Mar­len Haus­ho­fer ›Eine Hand­volll Leben‹  und ›Die Tape­ten­tür‹ rezen­siert. Beide Romane sind ebenso sehr lesens­wert! Die Erzäh­le­rin auf der Flucht vor sich selbst!

Sehr lesens­wert!

Unterschrift
Mar­gret Hövermann-Mittelhaus

2023 rezensiert, Claasen Verlag, Feminismus, Marlen Haushofer, Österreich