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Caro­line Muhr
» Freun­din­nen

Autorin:Caro­line Muhr
Titel:Freun­din­nen
Aus­gabe:Schnee­kluth Ver­lag, Mün­chen 1974
Erstan­den:anti­qua­risch

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»Caro­line Muhr gehört, mit ihrem schma­len Werk, zu den gro­ßen deut­schen Schrift­stel­le­rin­nen. Sie wurde aller­dings bis­her weder von der eta­blier­ten Lite­ra­tur­kri­tik noch von der Frau­en­be­we­gung ange­mes­sen gewür­digt.« Quelle. Ein wich­ti­ger Grund mehr hier ihren Roman ›Freun­din­nen‹ aus dem Jahr 1974 vor­zu­stel­len. Caro­line Muhr schreibt über ganz nor­male Haus­frauen in den 70er Jah­ren und deren Elend.

Zwei Freun­din­nen, die sich jah­re­lang nicht gese­hen habe, tref­fen wie­der zusam­men, Ruth ist ver­hei­ra­tet, Haus­frau und hat drei Kin­der, Edda ist unver­hei­ra­tet, Leh­re­rin. Hier sehen sich also zwei Frauen nach lan­ger Zeit wie­der, sie ver­su­chen beide, mit ihrem Leben fer­tig zu wer­den, aber sie schei­tern an der patri­ar­cha­li­schen Gesell­schaft. Grund­sätz­li­che Aus­sa­gen for­mu­liert die Erzäh­le­rin von Anfang an: »Die Frau gehört ins Haus, in ein schö­nes Haus natür­lich, in ein gepfleg­tes Haus, ein durch und durch har­mo­ni­sches Haus.« (S. 26). Sie stei­gert diese Aus­sage aber im Laufe der Erzäh­lung immer mehr ins Nega­tive. Ruth bewun­dert ihre Freun­din Edda, weil diese den Weg der Eman­zi­pa­tion gegan­gen ist, so glaubt Ruth zumin­dest. Sie ist den Weg der Haus­frau und Mut­ter gegan­gen und stellt fest: »Mit Kin­dern hatte ich gerech­net und damit, daß ich für sie ver­ant­wort­lich sein und sie erzie­hen würde. Aber mit die­ser zehn- bis vier­zehn­stün­di­gen Ver­ge­wal­ti­gung mei­ner Per­son, die sich täg­li­che Haus­ar­beit nennt, damit hatte ich nicht gerech­net.« (S. 29). Edda ver­sucht Ruth dahin­ge­hend zu bewe­gen, ein unab­hän­gi­ges Leben zu füh­ren und fragt Ruth: »›Wo stehst du eigent­lich poli­tisch?‹ ›Robert steht rechts.‹ ›Ich will nicht wis­sen, wo Robert steht … Ich will wis­sen, was du sel­ber denkst.‹« (S. 35). Ruth ist ver­un­si­chert, aber Edda treibt ihre Aus­sage auf die Spitze: »›Du bist kein Mensch mehr. Du bist ein Anhäng­sel von Robert gewor­den.‹« (S. 37). Lang­sam löst sich die Ver­un­si­che­rung bei Ruth, sie rich­tet nicht mehr ihr gan­zes Leben auf ihren Mann und ihre Kin­der aus. »Ich habe mir das Recht genom­men, einen eige­nen Schreib­tisch zu besit­zen. Ich kann mir gar nicht mehr vor­stel­len, wie ein Mensch – und damit meine ich auch eine Frau – ohne einen eige­nen Schreib­tisch leben kann.« (S. 43).

Die Freund­schaft zu Edda wird immer enger, damit aber auch Ruths Bewun­de­rung: »Edda hat den Mut, den ich nicht habe…Sie ist ein aut­ar­kes Wesen. Sie ist kein Anhäng­sel. Sie exis­tiert nicht durch einen Mann, son­dern ganz und gar durch sich selbst.« (S. 68). Diese Bewun­de­rung erhält jedoch in dem Moment einen Knacks, als Ruth fest­stellt, dass Edda einen sehr gro­ßen Cognac Kon­sum hat. Warum? Fühlt sie sich ein­sam, weil sie keine Fami­lie und keine Kin­der hat? »Aber es gab immer einen zwin­gen­den Grund für mich, keine Kin­der zu haben. Ich wollte nicht zu der Armee von Frauen gehö­ren, die seit Men­schen­ge­den­ken unab­läs­sig, wil­len­los Men­schen­ma­te­rial für die von Män­nern ver­an­stal­te­ten Kriege und von der Natur ver­ur­sach­ten Ver­nich­tungs­me­cha­nis­men pro­du­zie­ren.« (S. 87). Die Ant­wort ist also ganz ein­deu­tig. Warum Edda genauso wenig glück­lich im Leben ist wie Ruth, wird nicht deut­lich gesagt, kann aber viel­leicht aus den letz­ten Sät­zen des Romans erschlos­sen wer­den: »Da haben wir sie die drei Exis­tenz­for­men, in die wir alle rein­pas­sen, alle, denen das berühmte Zip­fel­chen da unten fehlt, und wenn wir nicht von sel­ber rein­pas­sen, wer­den wir rein­ge­stopft. Die erste: Haus­frau und Mut­ter, je beschränk­ter, desto glück­li­cher; die zweite: berufs­tä­tige Frau ohne Auf­stiegs­chan­cen, mit galop­pie­ren­der Iso­lie­rung; die dritte: Frau, die sich zwi­schen Beruf, Kin­dern und Haus­halt abra­ckert. Drei Kli­schees? Mei­net­we­gen. Man­chen Kli­schees lie­gen die bit­ters­ten Wahr­hei­ten zugrunde. Wie man sie auch dreht und wen­det: Sie sind alle drei beschis­sen.« (S. 117).

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Nach­dem das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt am 25. Februar 1975 die Fris­ten­lö­sung für Schwan­ger­schafts­ab­brü­che für ver­fas­sungs­wid­rig erklärt hat, demons­trie­ren Gege­ner des § 218 in Karls­ruhe gegen das Urteil. | © pic­ture-alli­ance/dpa | Quelle

Caro­line Muhr hat die­sen Roman 1974 ver­öf­fent­licht, in Zei­ten, in denen die Neue Frau­en­be­we­gung wie­der Fahrt auf­nahm. Den­noch war sie in ihrer femi­nis­ti­schen Ana­lyse der Zeit vor­aus. Ihre lite­ra­ri­schen Werke, drei Romane, einige Gedichte, aber auch Texte für die acht­köp­fige Songgruppe Bon­ner Blau­strümpfe, die sie 1973 im Bon­ner Frauen-Forum grün­dete. Hier trat sie als Sän­ge­rin auf, natür­lich mit Tex­ten zu The­men aus der Frau­en­be­we­gung. Sowohl als Lie­der­ma­che­rin als auch als Schrift­stel­le­rin war sie erfolg­reich, erkrankte jedoch an schwe­ren Depres­sio­nen und starb am 13. Januar 1978 durch Sui­zid. Ihre Mit­strei­te­rin Bar­be­lies Wieg­mann: »Ihre Gedichte soll­ten end­lich ver­öf­fent­licht wer­den. Eigent­lich sind wir Caro­line nie gerecht gewor­den, konn­ten es wohl auch nicht. Sie war eine große Frau und große Schrift­stel­le­rin.« Quelle

Aus den Anfän­gen der Neuen Frau­en­be­we­gung, sehr lesenswert!

Unterschrift
Mar­gret Hövermann-Mittelhaus

2023 rezensiert, Caroline Muhr, Feminismus, Neue Frauenbewegung, Schneekluth Verlag