Kathrine Prichard
» Goldrausch
Autorin: | Kathrine Prichard |
Titel: | Goldrausch (1946) |
Übersetzer: | Gunther R. Lys |
Ausgabe: | Verlag Volk und Welt, Berlin 1954 |
Erstanden: | von meiner Tochter |
Im September 1892 rauscht durch die westaustralische Goldgräbersiedlung Southern Cross die Nachricht, dass man Gold gefunden habe. Sofort stürmen die Goldgräber dorthin in der Hoffnung, hier endlich das Glück zu finden und auf Gold zu stoßen. Bisher haben sie als Schürfer sehr viele Entbehrungen auf sich nehmen müssen, um bei der Suche nach Gold erfolgreich zu sein. Mit dem Notwendigsten beladen, machen sich die Männer auf in dieses Gebiet, das ihnen vielleicht Reichtum verheißt. Unter den Goldgräbern befindet sich auch Morris Gough, ein Aristokratensohn, der als sogenanntes »schwarzes Schaf« der Familie nach Australien verbannt wurde. Er hat die Vorstellung, in Australien Gold zu finden, um als reicher Mann zu seiner Familie nach Großbritannien zurückzukehren. In Australien hat er Sally geheiratet, der er sich jedoch als Aristokratensohn deutlich überlegen fühlt. Auch den Goldgräbern gegenüber zeigt er, dass er sich für etwas Besseres hält. Das ist der Plot der Geschichte, die zum Teil fiktional ist, aber auf historischen Gegebenheiten basiert und die Frauen als sehr emanzipiert darstellt. So lässt Morris seine Frau Sally in der Goldgräbersiedlung zurück, sie muss um ihre eigene Existenz kämpfen und es gelingt ihr immer wieder auch mit Unterstützung der Siedler. Als ihr Mann Morris erfährt, dass sie als Kellnerin arbeitet, will er es ihr verbieten, Aber wovon soll sie leben? Und er stellt fest: »Noch nie hatte sie sein Recht, Entscheidungen für sie zu treffen, so offen missachtet.« (S. 136). Morris lässt sie wieder mehrere Monate allein in der Siedlung, als er zurückkommt, fällt er über sie her. Die Stimme der Erzählerin: »Morris hatte ihre Liebe geschändet. Niemals wieder, so schwor sich Sally, wollte sie zulassen, daß er sie in dieser Weise mißbrauchte.« (S. 155).
Immer wieder glauben die Goldschürfer, ein Flöz entdeckt zu haben, sie stecken ihr Gebiet ab, können sich aber kaum gegen Spekulanten und Kapitalinvestoren wehren. Und die Erzählerin stellt fest: »Es zeigte sich immer deutlicher, daß die Grubenbesitzer und Grubendirektoren andere Interessen verfolgten als die Schürfer und Bergarbeiter.« (S. 378). Immer wieder werden Sally und Morris von Schicksalsschlägen getroffen, die auch ihr Leben bedrohen, aber die wahnsinnige Gier nach dem Gold bestimmt das Leben der Männer. Sally versucht ihren Mann zu überzeugen, einer anderen Tätigkeit nachzugehen: »Warum muß man als Frau stets den Wünschen des Mannes nachgeben?« (S. 399). Aber es gelingt ihr noch nicht, die Sucht, die Gier nach dem Gold ist größer. Sally spürt, dass diese Gier nicht befriedigt werden kann. »Die Gruben förderten Gold, das für die Grubenherren Reichtum und Wohlleben bedeutete, nicht aber für jene, die es in engen, finsteren Schächten mit ihren Hacken losbrachen.« (S. 408). Erst nach vielen Monaten stellt Morris fest, dass Reichtum und Erfolg auf den Goldfeldern nur vom Glück abhängig ist, nicht von eigener Leistung.
Jetzt setzt die politische Dimension des Romans ein, denn Katherine Prichard war Gründungsmitglied der KP Australiens. Die Industrialisierung auf den Goldfeldern wird immer deutlicher und die Grubenbesitzer und Investoren drohen, die Rechte der Goldgräber einzuschränken. Es kommt zum Streik, das Gericht wird von den Arbeitern angerufen, denn »für sie gab es keinen anderen Weg als den des Widerstands gegen jene, die ihnen Gewalt antun wollten, um die Reichen und Mächtigen noch stärker zu machen.« (S. 438). Auch auf die Aborigines geht die Erzählerin ein und beschreibt das Verhältnis zueinander eher friedlich zum Teil auch freundschaftlich. So hat Kalgoorla sie bei den Geburten unterstützt und im Haushalt geholfen. Von den Farmern wird jedoch erzählt, dass sie auf die Eingeborenen »mit einem geknoteten Tau eindroschen«. (S. 602). Sodass die Erzählerin am Ende des Romans sinngemäß Friedrich Engels zitieren kann: »Die Eingeborenen kennen uns vor allem durch unsere Verbrechen.« (S. 602).
Hier kurz der historische Hintergrund, auf den die Erzählerin immer wieder eingeht: In Coolgardie (Western Australia), wurde 1892 Gold entdeckt, die männliche Bevölkerung ganzer Landstriche wurde vom Goldfieber erfasst, Frauen und Kinder blieben zurück. »Die Einwohnerzahl von Coolgardie wird auf ihrem Höhepunkt während des Goldrausches auf 15.000 geschätzt und die Stadt verfügte über 26 Pubs, die von 3 Brauereien, 2 Börsen, 14 Kirchen, 6 Zeitungen und einem Gerichtsgebäude versorgt wurden. Die Einwohnerzahl von Kalgoorlie-Boulder wird auf 30.000 auf ihrem Höhepunkt während des Goldrausches mit über 93 Kneipen, die von 8 Brauereien, einer Börse, Kirchen, Zeitungen und einem Gerichtsgebäude versorgt werden, erreicht«. Quelle https://de.wikibrief.org/wiki/Australian_gold_rushes
Coolgardie war für die Kolonie Western Australia in den 1890er Jahren bedeutend, weil sie es der Kolonie ermöglichte, ein australischer Bundesstaat zu werden. Auch darauf geht die Autorin ein. Abschließend kann aus heutiger Perspektive festgestellt werden, dass das australische Goldfieber, das Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzte, den Wandel Australiens von einer Sträflingsinsel zu einem modernen Staat massiv beeinflusste, denn die wirtschaftliche Entwicklung wurde damit vorangetrieben.
Die Autorin vermittelt uns einen historisch sehr interessanten Einblick in die Geschichte Australiens. Besonders gefallen hat mir die Darstellung der Frauen, die sich sowohl politisch als auch gesellschaftlich nicht alles bieten lassen und das in einer Darstellung aus dem Jahr 1946!
Ein lesenswerter Roman über die Geschichte Australiens!
Margret Hövermann-Mittelhaus
2024 rezensiert, historischer Roman, Industrialisierung, Kapitalismus, Kathrine Prichard, Volk und Welt Verlag