Dörte Hansen
» Zur See
Autorin: | Dörte Hansen |
Titel: | Zur See |
Ausgabe: | Büchergilde Gutenberg, 1. Auflage 2023 |
Erstanden: | Büchergilde Gutenberg |
Was erzählt uns Dörte Hansen in ihrem Roman »Zur See«?
Nichts Weltbewegendes, Allgemeinplätze, nichts Neues, worüber man sich Gedanken machen könnte!
Die Familie Sander steht im Vordergrund, die alle irgendwie einen »Schatten« haben. Der Vater Jens Sander, ehemaliger Kapitän, jetzt Vogelwart auf einer einsamen Insel, dann Tierpräparator, spricht kein Wort. Der älteste Sohn Ryckmer, ehemals Kapitän, Trinker, hat seinen Führerschein abgeben müssen, wird Seebestatter. Tochter Eske ist Altenpflegerin, lesbische Frau, Heavy Metal Fan, hat ein Ganz-Körper-Tattoo. »Sie dreht die Lautsprecher so auf, dass sie den Rhythmus fühlen kann wie einen rasenden schnellen Puls. Dann gibt sie Gas. Ihr Wagen ist sehr klein, die harten Bässe heben ihn fast von der Straße, pritschen ihn über das Kopfsteinpflaster.« (S. 47). Der jüngste Sohn Hendrik geht nur barfuß durch die Insel und verkauft den doofen Touristen seine Kunstwerke. Mutter Hanne kümmert sich um die Touristen, aber nicht um ihren Mann. Weitere obskure Persönlichkeiten sind Klara Loof, Messie, die ihren fetten Dackel im Babygurt vor ihrem Bauch durch die Gegend trägt, weil er nicht mehr laufen kann und zuletzt der Inselpastor. Ihm glauben seine »Schäfchen« nicht mehr, was er ihnen in der Predigt verkündet, auch er selbst zweifelt an Gott. Seine Frau verlässt ihn, Lehrerin für »Deutsch und Religion« (S. 128), das wird im Roman mindestens dreimal hervorgehoben, warum? Dieses Personenkonglomerat wäre ja ganz interessant, aber: Alle diese Sonderlinge reden nicht miteinander, es finden keine Gespräche statt über deren Probleme, Wünsche, Lebensvorstellungen! Was soll ich damit anfangen?
Ein zweites Thema des Romans ist die Veränderung der Insel während der letzten Jahrzehnte: Die Touristen werden immer zahlreicher; die jungen Leute verlassen die Insel, weil sie keine Perspektive sehen; die Fischer fischen nicht mehr, sondern veranstalten Schaufahrten; auf den Inselfesten werden für die Touristen Fischerhemden verkauft und für die Kinder Piratenflaggen; die Immobiliengeier treiben sich auf der Insel herum, um ein Schnäppchen zu machen. So, so! Und wenn dann die Insel immer noch nicht kaputt ist, wird der Klimawandel den Rest erledigen, so die Erzählerin.
Ja, ja, vor hundert Jahren war alles besser! Die gute alte Zeit! Und hier wird es kitschig, wenn immer wieder betont wird, dass das Leben auf der Insel vor hundert Jahren sehr hart war, aber hier hatte jeder seinen Platz!
Welche neuen Informationen habe ich gewonnen? Keine einzige! Und so langweilig geht der Roman auch weiter! Und dann stirbt auch noch einer der Inselbewohner beim Baden im Meer. Warum dieses Drama? Keine Ahnung! Vielleicht um jetzt endlich ins Gespräch zu kommen miteinander? Nichts! Es wird weiterhin geschwiegen! Und auch weiterhin lamentiert über die gegenwärtigen Tendenzen und zukünftigen Entwicklungen.
Ich bin immer noch nicht fertig mit der Kritik: Ich komme zur Sprache der Autorin, die manchmal Metaphern benutzt – sind es nicht eher Bilder? – die nicht passen. Katrin »findet, Niederländisch klingt nach Sex in Holzschuhen.« (S. 116). Selten dämlich formuliert und politisch korrekt ist diese Aussage nicht! Oder die Formulierung »die See ist schwer gereizt« (S. 115). Kann eine See gereizt sein? Mit dem Eintauchen in kaltes Wasser werden die Nervenenden in der Haut gereizt und lösen eine reflexartige Reaktion aus, aber die See kann nicht gereizt sein. Das konstruierte Bild ist völlig falsch. Plump bleibt auch diese Formulierung: »Der Wind hat ihn zu einem Hochlandrind toupiert.« (S.116). Auch grammatische Fehler sind der Autorin anzulasten, wenn sie davon spricht, dass »er ihm noch zugewunken« (S. 248) habe. Es muss heißen »zugewinkt«! Oder im Bereich der Formulierung: Wenn jemand vom Land ins Meer schwimmt, heißt es nicht »herausgeschwommen« (S.246), sondern »hinausgeschwommen«. Diese und weitere Beispiele aus der sehr fundierten Rezension von J. Quak. Quelle
Zum Schluss betont der Rezensent: »Es entspricht jedoch nicht der feinen englischen Art, einen wörtlichen Satz von Franz Kafka als eigene Weisheit auszugeben. Denn der Satz: »Dann braucht es gar nicht mehr die Axt für das gefrorene Meer in ihnen« (S. 25) stammt in dieser Formulierung: »Ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.« von Franz Kafka! Das sei »ein Plagiat oder, höflicher gesagt, ein verstecktes Zitat.«
Sollte man von einer Journalistin und Schriftstellerin, die 1994 an der Universität Hamburg mit einer soziolinguistischen Arbeit über eine besondere Form der Zweisprachigkeit promovierte, nicht erwarten, dass sie sich damit auskennt?
Schon lange habe ich keinen Roman mehr gelesen, der inhaltlich so wenig aussagt und sprachlich eher zusammengeschustert wirkt.
Weniger lesenswert!
Margret Hövermann-Mittelhaus
2024 rezensiert, Büchergilde Gutenberg, Dörte Hansen, Familiengeschichte, Kulturpessimismus, Nordfriesland