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Colm Tói­bín
» Nora Webster

Autor:Colm Tói­bín
Titel:Nora Webs­ter
Über­set­zer:Gio­vanni Bandini
Aus­gabe:Han­ser Ver­lag Mün­chen 2016
Erstan­den:anti­qua­risch

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Eman­zi­pa­ti­ons­li­te­ra­tur?

  1. Wenn Män­ner begin­nen, Eman­zi­pa­ti­ons­li­te­ra­tur zu schrei­ben, mache ich erst mal ein gro­ßes Fra­ge­zei­chen. Aber jeder soll seine Chance haben.
  2. Nora Webs­ter wird uns als eine Frau vor­ge­stellt, die Geld ver­die­nen muss, weil ihr Mann gestor­ben ist und sie ihre zwei Kin­der durch­brin­gen muss.
  3. Sie glaubt, ihre Kin­der den­ken, »ihre Arbeit bei Gibney’s sei nur ein Mit­tel, um sich vor ihren eigent­li­chen Pflich­ten zu drü­cken.« (S. 110). Warum spricht sie nicht mit ihren Kindern?
  4. Sie tritt ihre Stel­lung bei Gibney’s wie­der an, die sie vor Jahr­zehn­ten als jun­ges Mäd­chen schon inne hatte, und sich hier sehr unwohl gefühlt hat.
  5. Diese Stel­lung kün­digt sie auch rela­tiv schnell wie­der, weil sich hier seit Jahr­zehn­ten nichts geän­dert hat. Ist das Emanzipation?
  6. Sie demons­triert mit den Ver­tre­tern der Gewerk­schaft. Weil sie sich aus­ge­beu­tet fühlt oder weil sie von der Büro­vor­ste­he­rin täg­lich fer­tig gemacht wird?
  7. Sie ver­gleicht sich immer wie­der mit ihrem gestor­be­nen Mann, »ob sie anfan­gen würde in Dis­kus­sio­nen jetzt mehr zu sagen?« (S. 80). Das konnte ich nicht feststellen.
  8. Die The­men der kom­men­den Dis­kus­sio­nen sind: wie spiele ich am bes­ten Golf, was ziehe ich an?, was halte ich vom Ver­lob­ten der Schwes­ter?, auf wel­che Party gehen die Töch­ter?, wie lasse ich meine Haare fär­ben?! Alles The­men, die für die Eman­zi­pa­tion der Frau am wich­tigs­ten sind?
  9. »Sie dachte an die Frei­heit, die ihr die Ehe mit Mau­rice geschenkt hatte, die Frei­heit, sobald die Kin­der in der Schule waren oder ein klei­nes schlief, zu jeder belie­bi­gen Tages­zeit in die­ses Zim­mer zu gehen und sich ein Buch aus dem Regal zu neh­men und zu lesen.« (S. 66). Das ist keine Frei­heit, son­dern Abhängigkeit.
  10. Jetzt muss sie Geld ver­die­nen: »Ihre Jahre der Frei­heit waren vor­bei; so ein­fach war das.« (S. 67). Eman­zi­pa­tion der Frau fin­det über die Erwerbs­tä­tig­keit statt!
  11. Da sich bis zur Hälfte des Romans, also nach gut 200 Sei­ten an ihrer Ein­stel­lung kaum etwas geän­dert hat, habe ich genervt aufgegeben.
  12. Eman­zi­pa­tion bedeu­tet die Befrei­ung aus einem Zustand der Abhän­gig­keit. Unter Eman­zi­pa­ti­ons­li­te­ra­tur ver­stehe ich Lite­ra­tur, die eine Ver­än­de­rung der sozia­len Lage der Frau in unse­rer Gesell­schaft fordert.
  13. Nora Webs­ter ist für mich keine »Licht­ge­stalt der Eman­zi­pa­tion.« Der Roman bleibt hin­ter dem Begriff der Eman­zi­pa­tion der Frau zurück.
  14. Colm Tòbìn hat seine Chance nicht genutzt!
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Aut­hor Colm Tói­bín at the Texas Book Fes­ti­val in Aus­tin, Texas, United Sta­tes. | © Larry D. Moore | Quelle

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Unterschrift
Mar­gret Hövermann-Mittelhaus

2025 rezensiert, 60er Jahre, Colm Toíbín, Emanzipationsliteratur?, Hanser Verlag, Irland