
Arno Schmidt
» Das große Lesebuch
Autor: | Bernd Rauschenbach (Hrsg.) |
Titel: | Arno Schmidt (D) – Das große Lesebuch |
Ausgabe: | Fischer Taschenbuch 2014 |
Erstanden: | Gelesen mit dem Literaturkreis Hopsten |
Wieder zwei sehr unterschiedliche Stücke von Arno Schmidt:
»Die Geschichte vom Riesen Jermak« (1961) erscheint nett und hübsch, u.a. mit boshaften Bemerkungen zu der weißen Rasse angemessenen Klimazone und der bösen Rolle Europas, ein köstlicher Verweis auf die völlig übertriebene hiesige West-Orientierung), sowie ein schöner Ausflug zur Größe der russischen Literatur. Die eigentliche Geschichte, die vom Riesen Jermak, habe ich schlicht nicht verstanden, genauso wenig, wie das was der »Brief aus’m Osten« eigentlich sollte, etwas zuviel Zeitgeist, dem wir heute nicht mehr folgen können?
Anders »Goethe und einer seiner Bewunderer«, eine skurril-fantastische Story um die Idee, das Goethe für 24 Std. wiedererweckt und das Frankfurt der 50’er Jahre kennenlernt. Neben seinem Sprachwitz (»Phimose des Sprachgefühls«), der Kritik des Zeitgeists (»Ja, die Rolltreppen wuchsen hierzulande groß und schön«) zeigt er politische Weitsicht: Großmächte USA, Russland, China, Indien – und das 1956/57! Oder wenn der Geheimrat sagt: »Die Amerikaner halten Europa besetzt, zu meiner Zeit war das noch umgekehrt«. Die Pressekonferenz zum Wiedererscheinen Goethes ist politisches Kabarett pur (»Adenauer nach Pankow«), witzig wie Goethe jetzt rezipiert würde, »Sie müssten längst vor Gericht«, Kritik an der Politik des damaligen Deutschlands. Die Geschichte driftet jedoch oft ins Unverständliche ab, verpackt in eine Sprachartistik, wo man mindestens hochkonzentriert lesen muss. Was bei Schmidts offensichtlichem Pseudoverständnis naturwissenschaftlicher Dinge (Raum-Zeit-Gravitation) dennoch nicht immer gelingt. Schmidt setzt viel Wissen und Leselust voraus, ist dann aber …
… eine unbedingte Bereicherung
2016 rezensiert, Arno Schmidt, Expressionismus, Fischer Verlag