
Irmgard Keun
» Gilgi – eine von uns
Autor: | Irmgard Keun (Deutschland, 1931) |
Titel: | Gilgi - eine von uns |
Ausgabe: | Bastei Lübbe 1979/81 |
Erstanden: | Aus der Bibliothek meiner Frau |
Sozusagen der Vorläufer des »Kunstseidenen Mädchens«, nur ein Jahr vorher veröffentlicht und ebenso der »Neuen Sachlichkeit« zuzuordnen.
Auch hier geht es um ein junges, »aufstrebendes« Mädchen, das im Kölner Kleinbürgertum groß geworden, sogar »doppelt« adoptiert ist. Dabei will sie als excellente Stenotypistin (ein heute ausgestorbener Schreibkraft-Beruf) heraus aus dem Mief, nach oben, unabhängig sein. Dem klassischen Frauenelend begegnet sie in der Form ihrer leiblichen Mutter, gesucht, aber das Elend gefunden. Ihre lottrige Freundin Olga ist der Kontrapunkt zur rechnenden »Träumerseele« Gilgi: »Olga, es ist doch schön, sein Leben wie eine sauber gelöste Rechenaufgabe vor sich zu haben!«
Sie hofft, allein mit Arbeit nach oben zu kommen, ruhig und anständig ihrer Wege gehen zu können und mit Politik nichts zu tun zu haben. Mit den »Vaterländischen« hat sie nichts am Hut, ja es ist mein Vaterland, an das ich gewohnt bin, aber: »Ich habe mich schon in der Schule geschämt, wenn »Deutschland, Deutschland über alles« gesungen wurde – so ein widerwärtiges Lied – so fett zu sprechen, so fett zu denken, den ganzen Mund voll Lebertran.«
Sie trägt die Illusion, allein mit Arbeit nach oben zu kommen, ist dabei auch unsolidarisch, aber mit schlechtem Gewissen. Will aber unbedingt »unabhängig« bleiben. Und wird beim Wiedersehen mit dem alten Freund Hans mit Abstieg und Armut konfrontiert.
Und notiert: Dieses ekelhafte Verknüpfen von Liebe mit Kinderkriegen und dem nachfolgenden Elend – woraus erst 30 Jahre später die Pille heraus helfen konnte – und endlich von der Kirche gelöste Moralvorstellungen.
Gilgis Rettungsversuch an Hans misslingt, der Sumpf ist stärker, aber vom ewigen Träumer Martin kann sie sich lösen.
Der Keun gelingen wieder schöne Stadtbeschreibungen und Bilder der Stimmungen ihrer Figuren, eine zauberhaft verliebte Gilgi, ein frei schwebender Schwärmer Martin, beide verloren in der Liebe. Die Geschichte ist manchmal etwas verwirrend, teils geschwätzig. Die Charaktere nicht so plastisch und so eng am Zeitgeist, wie das »Kunstseidene«. Keine schlechte Vorübung also für Keuns Meisterwerk, eines das leicht und mit Vergnügen zu lesen ist. Und sicher auch ein nicht unwichtiges Stück Frauenliteratur. weibliches Schreiben.
Mein Fazit daher: Gerne gelesen, nicht herausragend, aber gut und …
lesenswert
2016 rezensiert, 30er Jahre, Bastei-Lübbe Verlag, Irmgard Keun, Neue Sachlichkeit