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Feuchtwangee

Lion Feucht­wan­ger
» Erfolg

Autor:Lion Feucht­wan­ger (Deutsch­land, 1929)
Titel:Erfolg
Aus­gabe:Auf­bau Ver­lag Ber­lin und Wei­mar, DDR, 1969
Erstan­den:Anti­qua­risch

Feuchtwangee

Ein bewe­gen­der Roman, Sit­ten­bild und His­to­rie aus Ba­yern der Jahre 1921 bis 1924 (incl. Hit­ler­putsch) und ein unge­heuer wich­ti­ges Buch über wesent­li­che Züge des Schei­terns der Wei­marer Repu­blik. Auf­gehängt an der fast bana­len Ge­schichte um den Münch­ener Muse­ums­di­rek­tor Krü­ger, der aus einer Amts­in­trige her­aus mit­tels einer kor­rup­ten Jus­tiz im Zucht­haus lan­det. Ein Buch des begna­de­ten Erzäh­lers Feucht­wan­ger, der mit weni­gen Sät­zen, mit kur­zen Stri­chen Per­so­nen und Cha­rak­tere leben­dig und greif­bar wer­den lässt, die Groß­kopfeten, wie ein­fa­ches Volk. Der ein gan­zes Kapi­tel dem begna­de­ten Komi­ker­paar Karstadt/Valentin widmet.

Ein Roman, der viele span­nende Cha­rak­tere bringt, wie die Johanna, der Fabri­kant Heß­rei­ter mit dem Gerechtigkeits­sinn, die ein­zig auf Kar­riere aus­ge­rich­te­ten Justizbüro­kraten, die Strip­pen­zie­her aus dem Hin­ter­grund, der ein­same Kampf des Rechts­an­walts Geyer. Der viele erzäh­le­ri­sche Höhe­punkte kennt, wie den Stier­kampf mit der Lust am Ster­ben und der Gewalt. Oder wie mit weni­gen Sei­ten beim Leser eine unge­heure Lust auf die Werke des Malers Fran­cisco Goya geweckt wird. Betrof­fen machend das Schick­sal des sei­nes Patent beraub­ten Inge­nieurs, ins Irren­haus getrie­ben. Bac­chana­lisch die Beschrei­bung der Revue und des Films »Pan­zer­kreu­zer Orlow« – Feucht­wan­ger beschreibt, aber bekennt sich nicht. Was auch sein auto­bio­gra­fi­sches (?) alter Ego, der Schrift­stel­ler Tüver­lin nicht tut. Auch wenn der Autor sich im lite­ra­ri­schen Nach­lass des Mar­tin Krö­ger selbst karikiert.

Ange­ris­sen der schwere Wan­del Bay­erns vom pro­vin­zi­el­len Agrar­staat zum »euro­päi­schen« Indus­trie­staat der Moderne. Wesent­lich für den Roman auch der schein­bar unauf­halt­same Auf­stieg der Nazi­par­tei mit dem quasi zum durch Jus­tiz, Poli­zei und »natio­nale« Medien zum »Betriebs­un­fall« ver­harm­los­ten Hit­ler­putsch in München.

Pas­sa­gen die zu lar­moy­ant, zu schwät­zer­haft daher­kom­men, sind bei fast 800 Sei­ten ver­ständ­lich. Manch Per­so­nen­schick­sal erscheint irreal, so der Auf­stieg der Johanna von der Gra­pho­lo­gin zum »Play­girl« der Groß­kopf­e­ten; kein gro­ßer Man­gel. Für mich als Preu­ßen ist dies eben auch ein genie­ße­risch bay­ri­sches Buch.

Feucht­wan­ger macht das Schei­tern der Repu­blik an alten Macht­eli­ten, an der Ver­schwö­rung der natio­na­len Kräfte in Jus­tiz und Poli­zei und den schein­bar unauf­halt­sa­men Auf­stieg der brau­nen Mas­sen­mör­der bestechend und erschre­ckend zugleich plas­tisch und begreif­bar. Der Unter­ti­tel »3 Jahre Geschichte einer Pro­vinz« ist wich­tig mit der Essenz: Nichts hat sich ver­än­dert in den 3 Jah­ren – die glei­chen Leute, die glei­chen Eli­ten regie­ren wei­ter wie vor­her. Wun­der­bar der Satz: »Die Welt zu ver­än­dern, heißt sie zu erklären«.

Die­ses Buch, ers­ter Teil der Tri­lo­gie aus »Erfolg«, »Die Geschwis­ter Opper­mann« und »Exil« eines heute viel zu sel­ten gele­se­nen gro­ßen Erzäh­lers ist ein mäch­ti­ges Leser­er­leb­nis, ein in heu­ti­gen Zei­ten von Pegida, AfD&Co immens wich­ti­ges Buch.

Unbe­dingt lesen!

2016 rezensiert, Bayern, Hitler Putsch, Lion Feuchtwanger, Nazis, Weimar