Skip to main content
Tschechow-230

Anton Tschechow
» Vom Regen in die Traufe – Kurzgeschichten

Autor:Anton Tschechow (Russ­land 1883-1886)
Titel:Vom Regen in die Traufe – Kurzgeschichten
Aus­gabe:Rüt­ten & Löning, Berlin/DDR, 1964, gesam­melte Werke in Einzelbänden
Über­set­zung:Ada Knip­per, Ger­hard Dick
Erstan­den:Land­buch­han­del Kross, Bippen

Tschechow-330

Es ist gar nicht leicht über die äußerst viel­fäl­ti­gen Kurz­geschichten des begna­de­ten rus­si­schen Erzäh­lers und Dra­matikers Anton Tschechow zu schrei­ben. Zumal wenn man wei­tere Aus­ga­ben mit (Kurz-)Geschichten im Kopf hat. Und des­sen Erzäh­lun­gen und Dra­men zum bes­ten des­sen gehö­ren, was ich lesen konnte und trotz­dem ich Leo Tol­stoi noch einen klei­nen Tick lie­ber mag. Hier liegt nun eine Aus­wahl von rund 100 teils sehr kur­zen, teils recht frü­her Erzählun­gen vor.

Der Band ist mit einem treff­lich aus­führ­li­chen Vor­wort von Mit-Her­aus­ge­ber Wolf Düwel ver­se­hen, das viel Verstän­dnis für den Lebens­weg und die Zeit, in der Tsch­e­chow lebte, sowie sein Werk weckt. Ebenso wie das Nach­wort des ande­ren Her­aus­ge­bers Ger­hard Dick, der deut­lich macht, wie oft das Werk Tschechows zu Leb­zei­ten unter der zaris­ti­schen Zen­sur litt. – Es gibt viel humor­vol­les, man­ches sind reine Pos­sen und Schnur­ren. Immer wie­der­keh­rende Motive sind die Kor­ruption aller­or­ten, die oft völ­lig ver­hee­rende Alkohol­sucht, die ganze Fami­lien rui­niert, manch­mal (»Die Witwe des Adels­mar­schalls«) aber auch komi­sche Züge annimmt, auch wenn das gemein­same Sau­fen alle Stan­des­un­ter­schiede ver­wischt. Dass Bediens­tete schlim­mer als Möbel oder Vieh behan­delt wer­den, das graue Leben sub­al­ter­ner Beam­ter, die z.T. ver­zwei­felte Ein­sam­keit von Gutsbe­sitzern und älte­ren Adels­damen; aber auch ihre Hoch­fäh­rig­keit. Mit einer klei­nen Hom­mage an Tur­gen­jew, des­sen Lek­türe auf dem Guts­hof über die Ein­sam­keit hilft. Es gibt aber auch TBC (an der der Dich­ter sel­ber starb), Pro­sti­tu­tion (keine Lösung!), sozia­les Elend, Aus­beu­tung, Unter­drü­ckung – als Kenn­zei­chen des zaris­ti­schen Russlands.

Vie­les rührt an, wie die völ­lig ver­ein­samte Fürs­tin, die nur gegen Zah­lung Besu­che erhält, »Ein­mal im Jahr«. Oder bei der Frage in »Der Holz­kopf« – haben Lakaien auch Rechte? Komisch »Die Aal­raupe«, köst­lich »Der Bräu­ti­gam und der Papa«, über den Mann, der par­tout nicht hei­ra­ten wollte. In »All­ge­mein­bil­dung« zeigt er, wie man als Arzt eher mit dem Schein, als mit dem Sein Geld ver­dient, eine bis heute gül­tige Aus­sage. Bewe­gend »Gri­scha« – die Welt aus der Sicht eines Zwei­jäh­ri­gen; groß­ar­tig »Ängste«.

Inter­es­sant »Der Schrift­stel­ler«, der fürs täg­li­che Leben bescheu­erte Rekla­me­texte ver­fas­sen muss. Ein gro­ßer Klas­si­ker der »Unter­of­fi­zier Pri­schi­be­jew«, über einen Men­schen, der als Pri­vat­po­li­zist mit sei­nen über­zo­ge­nen Ord­nungs­vor­stel­lun­gen seine Mit­men­schen ter­ro­ri­siert. Und immer wie­der »Sit­ten­bil­der aus alter Zeit«, .. bis hin zu mili­tan­ter Hef­tig­keit, wenn der Pas­tor seine Frau ver­kauft – in der Hoch­zeits­nacht! – Es sind äußerst leben­dige Ein­drü­cke vom Leben im Russ­land des 19. Jahr­hun­derts, die die­ser große Erzäh­ler auch in klei­nen Geschich­ten trans­por­tiert, wo mit weni­gen Sät­zen Bil­der ent­ste­hen. Auch wenn er noch Bes­seres geschrie­ben hat und man­ches Früh­werk schwächelt:

sehr lesens­wert

2017 rezensiert, Anton Tschechow, Berlin/DDR, Kurzgeschichten, Rütten & Löning