F. Scott Fitzgerald
» Zärtlich ist die Nacht
Autor: | F. Scott Fitzgerald (USA 1934) |
Titel: | Zärtlich ist die Nacht |
Ausgabe: | Diogenes Taschenbuch, 1983 |
Übersetzung: | Renate Orth-Guttmann |
Erstanden: | Landbuchhandel Kross, Bippen |
Ein Buch aus der Zeit, als US-Amerikaner dank eines günstigen Dollar-Kurses Europa als ein süßes Nichtstun erleben konnten, die Zeit der zwanziger/dreißiger Jahre mit Autoren wie Hemingway, T.S. Eliott und eben Fitzgerald. Ein Buch, in dem wohlhabende »Upper class«-Mitglieder Luxusprobleme wälzen, ein eigentlich erbärmlicher Plot, in dem ein paar reiche Amis sich nichtstuend durch die Schweiz und Frankreich treiben lassen. Tatsächlich aber ein Werk, das zeigt, wie die wirklich Reichen andere als reine Werkzeuge behandeln und nach Gebrauch entsorgen wie gebrauchte Wischlappen. Das ist kurzgefasst die Geschichte des in Europa lebenden amerikanischen Arztes Dick Diver, der von Superreichen aus den USA angeheuert wird, das Trauma der von ihrem Vater mißbrauchten Nicole zu heilen. Der dies erfolgreich leistet, sie heiratet, sie weiter behandeln muss, eine Liebelei mit einem 18-jährigen Jugendfilmstar hat, von Nicoles unanständig vielem Geld abhängig wird, fühlt wie seine Fähigkeiten und er selbst davon ausgesaugt werden und nach Scheidung und Entsorgung durch die Familie (zu der er nie wirklich dazu gehört hat) ins Bodenlose abstürzt. Aber nicht die eher banale Story ist das Wichtige dieses Buches, sondern die unglaubliche Erzählkunst, die bildreiche Sprache, das Vermögen, fabelschöne Bilder beim Lesen mit Sätzen eines Zaubers wie aus 1001 Nacht entstehen zu lassen. Fitzgerald ist ein wirklicher Sprachmagier: ».. hielt eine Grille mit einem einzigen Ton die Szene zusammen«.
Oder: »Es war eine reine schwarze Nacht, in einem Korb von einem einzigen matten Stern herabhängend.« Und (am Ende der Ehe beider): »Sie hasste den Strand, verabscheute alle Orte, wo sie Planet gespielt hatte zu Dicks Sonne.« – Man muss einmal die feenhaft-bildreiche Erzählung einer Feier bei den Divers vergleichen, etwa mit dem unsäglichen Gequassel eines Knausgård – Weltunterschiede der Erzählqualität!
Ich gestehe, dass ich angesichts dieser Sprachzauberei schon misstrauisch zur Übersetzung wurde, ein Grund mehr, dieses Sprachwunder nochmal im englischen Original zu lesen. Dazu gehört auch des Autors feine Beobachtungsgabe, wenn er genial beschreibt, wie Menschen aus privilegierten Kreise einander erkennen. – Meine größte Kritik ist, dass Fitzgerald es nur unzureichend schafft, die Degradation Dick Divers innerhalb der Erzählung spürbar werden zu lassen. Stattdessen »springt« er häufig aus dem Erzählfluss hinaus und notiert das gleichsam als Randbemerkung – z.B. als Dick anfängt zu trinken, ein echtes erzählerisches Manko. Auch wenn »Tender is the night« nicht ganz die Dichte des »Großen Gatsby« erreicht, und wenn man der Frauenrollen hier wenig Positives abgewinnen kann. Es ist die mitunter fast eklige Geschichte wie eine reiche amerikanische Familie einen Arzt benutzt zur Heilung der vom Vater missbrauchten Tochter, um ihn dann wegzuwerfen wie eine alte Handtasche, erzählt in unglaublichen Bildern, märchenhaft bildreicher Sprache, einem fantastischen Wortfeuerwerk, das ist ein Roman von …