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Hamsun-230

Knut Ham­sun
» Hun­ger

Autor:Knut Ham­sun (Nor­we­gen, 1890)
Titel:Hun­ger
Aus­gabe:Albert Lan­gen Mün­chen, 1921
Über­set­zung:Julius Sand­meier
Erstan­den:Anti­qua­risch im Land­buch­han­del Kross in Bippen
Gele­sen im:Lite­ra­tur­club Hopsten
Hamsun-330
Das Cover des ers­ten Ban­des der von Ham­sun auto­ri­sier­ten Aus­gabe sei­ner Werke; »Hun­ger« ist zusam­men mit »Mys­te­rien« in die­sem Band enthalten.

Es müsste das dritte Mal sein, dass ich »Hun­ger« von Ham­sun gele­sen habe und am Ende mei­ner Noti­zen steht: Eine Erzäh­lung wie ein Schrei!

Der Titel­held hat ein­fach Hun­ger, Hun­ger nach allem, nach Essen, nach Men­schen, nach Erfolg und Aner­ken­nung, nach Liebe, nach Gesell­schaft, nach Geld, nach Aufmerksamkeit.

Sel­ten wer­den (Hunger-)Gefühle so inten­siv geschil­dert, wie von einem, der vor Ver­zweif­lung auf Holz­stü­cken kaut.

Ein Mensch ein­sam, über­reizt, depres­siv, der in sei­ner eige­nen Traum­welt ver­sinkt, und zum rea­len Leben gro­ßen­teils unfä­hig erscheint.

Man weiß nicht, wor­über man mehr erschre­cken soll:

  • Die Qua­len des Schrei­bers, die authen­tisch erschei­nen und buch­stäb­lich exis­ten­ti­ell sind.
  • Die bestän­dige Not des Men­schen bis zur Obdachlosigkeit.
  • Das Gefühl des bestän­di­gen Kraftverlusts.
  • Des Ein­drucks lang­sam irre zu werden.
  • Dass die­ser Mensch in vie­lem so selbst­zer­stö­re­risch ist.

Anrüh­rend eigent­lich die Begeg­nung mit der jun­gen Frau, die er mit einem Fan­ta­sie­na­men zum Teil sei­ner Schein­welt macht und mit der er eine berüh­rende ero­ti­sche Begeg­nung hat. Schade, dass dies Epi­sode bleibt, im Werk keine Fort­set­zung fin­det, ebenso unglück­lich wie der abrupte Schluss der Erzählung.

Als ich über den Ankauf der gesam­mel­ten Werke Ham­suns nach­dachte, hatte ich meine nor­we­gi­sche Freun­din Mari gefragt, ob es sich loh­nen würde. Ihre Ant­wort: Du musst nicht alles lesen, aber eini­ges schon. Genauso war es dann und von ihr habe ich auch viel über die Ver­stri­ckung Ham­suns in die NS Zeit gelernt, was dazu führte, dass die Nor­we­ger, die einst anstan­den, um ein Auto­gramm zu bekom­men, ihm nun seine Bücher über den Zaun war­fen. Kann man sich vor­stel­len, dass die­ser Mann 1938 seine Nobel­preis­me­daille Joseph Göb­bels schenkte?

Nach Lek­türe der Werke begann ich zu ahnen, woher diese Nähe Ham­suns zur ver­hee­ren­den Ideo­lo­gie der Nazis kam, vie­les ist schon in Arbei­ten von ihm zu erken­nen, die einer »Blut-und-Boden«-Mythologie nach­hän­gen, noch unwis­sent­lich Nazi-nahe, aber spürbar.

So ist es kein Wun­der, dass Ham­sun über sich selbst schrieb: »Ich gebe zu, dass ich ein leben­der Wider­spruch bin …«

Denn es gibt ja eben von ihm Werke wie »Hun­ger«, wie »Pan« und wie »Vic­to­ria«, groß­ar­tige Lite­ra­tur und auch nach knapp 100 Jah­ren unbe­dingt lesens­wert. Die­ses Buch nun ist packend, ergrei­fend, urwüch­sig, beklem­mend, es ist ein ein­zi­ger Schrei von einer Erzählung,

Abso­lute Weltliteratur

2017 rezensiert, Albert Langen München, Knut Hamsun, Norwegen