Robert Wildhaber und Leza Uffer (Hrsg)
» Schweizer Volksmärchen
Autor: | Robert Wildhaber und Leza Uffer (Hsg) (Schweiz) |
Titel: | Schweizer Volksmärchen |
Ausgabe: | Eugen Diederichs 1971 |
Erstanden: | Weihnachtsgeschenk |
Eine bestechende Märchen-Sammlung aus dem deutschen, französischen, italienischen und rätoromanischen Sprachraum der Schweiz! Die zudem sehr kritisch mit ihren eigenen Quellen umgeht. Auch Stücke in Schweizer Mundart (z.B »Tüfels Erbsmues« aus dem Aargau) haben Eingang gefunden, was dem Rezensenten, dank jahrelanger beruflicher Erfahrungen im Lande, ein zusätzliches Lesevergnügen verschafft hat.
Dabei erscheinen die meisten der deutschsprachigen Märchen wie (schwächere) Varianten der Gebr. Grimm. In anderen erscheinen mehrere Motive in eine einzige hineingemischt. Besonders gefallen haben »Der Schweinehirt« (Kanton Bern), die Varianten des Aschenputtel »Aschengrübel« (Luzern) bzw. »Drächendrudel« (Wallis). Besonders schön »Das Zwergenprinzchen« – warum es im Wallis keine Zwerge mehr gibt.
Ganz anders, »romanhafter« und frecher kommen die französischsprachigen daher. Darunter »Die 3 goldenen Äpfel« (Unterwallis), »La Ramée« (ebf. Unterwallis) – zauberhaft und anders als üblich. Ebenso ein Märchen von der Froschkönigin (Jura Bernois), witzige Storys wie über einen, der das Diebeshandwerk lernt (ebd.) oder »Das Teufelchen« (ebd.). Sehr ungewöhnlich und frech »Der Arschvergolder«, außerhalb des Märchengenres und schließlich auch bekannte Sujets (Stadtmusikanten) im neuen Gewand in »Das alte Pferd« (Jura Bernois).
Wieder anders die Erzählungen aus dem kleinen rätoromanischen Sprachraum, bei denen der Erzähler (fast alle Märchen wurden einst mündlich überliefert) am Ende einen Tritt in den Hintern bekommt, dass er hierher geflogen ist. Hier ist man oft umfangreicher und ungewöhnlich, so z.B. der Kleinwüchsige, der Erfolg hat (»Tredeschin = Dreizehnerlein«). Oder auch unbekannte Varianten bekannter Themen wie Schneewittchen (»Die Stieftochter«), dann der »Sonnenprinz« – ungewöhnlich bis zum Ende. Heftig »Die Prinzessin aus alter Zeit«, hübsch und drastisch zugleich »Cuonz und Cuonzessa« (Pontresina).
Die italienischen Fabeln dagegen eher knapp und konventionell, darunter eines, in dem eine Schlange eine wichtige Rolle spielt. Hier kommen nun auch die Madonna und christliche Wunder ins Spiel. Hübsch ist die Geschichte vom hochmütigen Schmied »Sep Antoni« und die Variante vom tapferen Schneider »Giovannino« (Tessin). – Interessant: Ausgerechnet der kleine rätoromanische Sprachraum (Graubünden) war der märchenreichste Raum der Schweiz, in dem es noch bis vor 30 bis 40 Jahren wandernde Märchenerzähler gab, deren Geschichten über Jahrhunderte überliefert waren. Von denen wiederum die Herausgeber früh zu sammeln begannen, insofern ist dieser Band auch ein literaturhistorisches Dokument. Mit den bibliografischen Angaben zu jedem Märchen sowie Übersetzungen von Dialektworten gut ediert.