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Schweizer-Maerchen-230

Robert Wild­ha­ber und Leza Uffer (Hrsg)
» Schwei­zer Volksmärchen

Autor:Robert Wild­ha­ber und Leza Uffer (Hsg) (Schweiz)
Titel:Schwei­zer Volksmärchen
Aus­gabe:Eugen Diede­richs 1971
Erstan­den:Weih­nachts­ge­schenk

Schweizer-Maerchen-330

Eine bestechende Mär­chen-Samm­lung aus dem deut­schen, fran­zö­si­schen, ita­lie­ni­schen und räto­ro­ma­ni­schen Sprach­raum der Schweiz! Die zudem sehr kri­tisch mit ihren eige­nen Quel­len umgeht. Auch Stü­cke in Schwei­zer Mund­art (z.B »Tüfels Erbs­mues« aus dem Aar­gau) haben Ein­gang gefun­den, was dem Rezen­sen­ten, dank jah­re­lan­ger beruf­li­cher Erfah­run­gen im Lande, ein zusätz­li­ches Lese­ver­gnü­gen ver­schafft hat.

Dabei erschei­nen die meis­ten der deutsch­spra­chi­gen Mär­chen wie (schwä­chere) Vari­an­ten der Gebr. Grimm. In ande­ren er­scheinen meh­rere Motive in eine ein­zige hin­ein­ge­mischt. Be­sonders gefal­len haben »Der Schwei­ne­hirt« (Kan­ton Bern), die Vari­an­ten des Aschen­put­tel »Aschen­grü­bel« (Luzern) bzw. »Drä­chen­dru­del« (Wal­lis). Beson­ders schön »Das Zwergen­prinzchen« – warum es im Wal­lis keine Zwerge mehr gibt.

Ganz anders, »roman­haf­ter« und fre­cher kom­men die fran­zö­sisch­spra­chi­gen daher. Dar­un­ter »Die 3 gol­de­nen Äpfel« (Unter­wal­lis), »La Ramée« (ebf. Unter­wal­lis) – zau­ber­haft und anders als üblich. Ebenso ein Mär­chen von der Frosch­kö­ni­gin (Jura Ber­nois), wit­zige Sto­rys wie über einen, der das Die­bes­hand­werk lernt (ebd.) oder »Das Teu­fel­chen« (ebd.). Sehr unge­wöhn­lich und frech »Der Arsch­ver­gol­der«, außer­halb des Mär­chen­genres und schließ­lich auch bekannte Sujets (Stadt­mu­si­kan­ten) im neuen Gewand in »Das alte Pferd« (Jura Bernois).

Wie­der anders die Erzäh­lun­gen aus dem klei­nen räto­ro­ma­ni­schen Sprach­raum, bei denen der Erzäh­ler (fast alle Mär­chen wur­den einst münd­lich über­lie­fert) am Ende einen Tritt in den Hin­tern bekommt, dass er hier­her geflo­gen ist. Hier ist man oft umfang­rei­cher und unge­wöhn­lich, so z.B. der Klein­wüch­sige, der Erfolg hat (»Tre­de­schin = Drei­zeh­ner­lein«). Oder auch unbe­kannte Vari­an­ten bekann­ter The­men wie Schnee­witt­chen (»Die Stief­toch­ter«), dann der »Son­nen­prinz« – unge­wöhn­lich bis zum Ende. Hef­tig »Die Prin­zes­sin aus alter Zeit«, hübsch und dras­tisch zugleich »Cuonz und Cuon­zessa« (Pont­resina).

Die ita­lie­ni­schen Fabeln dage­gen eher knapp und kon­ven­tio­nell, dar­un­ter eines, in dem eine Schlange eine wich­tige Rolle spielt. Hier kom­men nun auch die Madonna und christ­li­che Wun­der ins Spiel. Hübsch ist die Geschichte vom hoch­mü­ti­gen Schmied »Sep Antoni« und die Va­riante vom tap­fe­ren Schnei­der »Gio­van­nino« (Tes­sin). – Inter­es­sant: Aus­ge­rech­net der kleine räto­ro­ma­ni­sche Sprach­raum (Grau­bün­den) war der mär­chen­reichste Raum der Schweiz, in dem es noch bis vor 30 bis 40 Jah­ren wan­dernde Mär­chen­er­zäh­ler gab, deren Geschich­ten über Jahr­hun­derte über­lie­fert waren. Von denen wie­derum die Her­aus­ge­ber früh zu sam­meln began­nen, inso­fern ist die­ser Band auch ein lite­ra­tur­his­to­ri­sches Doku­ment. Mit den biblio­gra­fi­schen Anga­ben zu jedem Mär­chen sowie Über­set­zun­gen von Dia­lekt­wor­ten gut ediert.

Sehr lesens­wert

2017 rezensiert, Eugen Diederichs, Märchen, Schweiz