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Brussig

Tho­mas Brussig
» Beste Absichten

Autor:Tho­mas Brussig (Deutsch­land, 2017)
Titel:Beste Absich­ten
Aus­gabe:S. Fischer, 2017
Erstan­den:Buch­hand­lung Volk, Recke

Brussig

Nach »Hel­den wie wir« (her­vor­ra­gend) und »Son­nen­al­lee (ärger­lich) ist dies das für mich dritte Buch des Ber­li­ners Brussig. Das zeich­net die Geschichte einer Ost­ber­li­ner Rock­band in der Tur­bu­lenz der Wen­de­zeit. Brussig gelin­gen inter­es­sante Men­schen­por­traits, wit­zige Stadt­in­dia­ner­sze­nen und beklem­mend nah die Situa­tion der DDR Flücht­linge in der Pra­ger Bot­schaft 1989. Dabei kam mir in den Sinn, wie sei­ner­zeit im Wes­ten alles Erdenk­li­che für diese Flücht­linge getan wurde. Heute dage­gen wird alles Erdenk­li­che auf­ge­bo­ten, um Flücht­linge abzu­schre­cken – oder sie bei Nacht und Nebel abzu­schie­ben, mit­ten in die Bür­ger­kriege ihrer Heimat.

Bei Klei­nig­kei­ten im Buch erwa­chen nost­al­gi­sche Erin­ne­run­gen, ins­ge­samt eher nicht, der häu­fige Pen­nä­ler­hu­mor auf nied­ri­gem Niveau nervt. Die Story der DDR Band, mit ihren real-skur­ri­len Auf­trit­ten im »Fress­wür­fel« trägt auf die Dauer zu wenig, um Span­nung zu hal­ten. Rich­tig in der DDR-Rock­mu­sik scheint mir Brussig auch zu wenig ver­haf­tet zu sein. Wenn man ange­sichts der Musik der Ren­fft Combo, Lift, Elec­tra oder Pan­kow über­legt, was man von deren Musik­ge­fühl her aus die­sem Thema hätte machen kön­nen. Musik­sei­tig kommt ein­fach zu wenig rüber, was wollte Brussigs »Seu­che« eigent­lich musi­ka­lisch errei­chen, fragt man sich?

Sehr düs­ter die vor­stell­bare Auto­schie­ber­ge­schichte, Fled­de­rei auf der Lei­che des real exis­tie­ren­den deut­schen Sozia­lis­mus. Pea­nuts aber, wenn man an die Mil­li­ar­den­schie­be­reien der Treu­hand denkt, out of focus für Brussig. Völ­lig unklar, was die Ein­schübe z.B. über spek­ta­ku­läre DDR Fluch­ten sol­len, hat Huber­tus Knabe das Ding gespons­ort und sollte das einen Tri­but an ihn darstellen?

In der Nach­wende ein­zig das »Fahr­rad­ku­rier-Busi­ness« inter­es­sant, wie die Men­schen sich dahin ent­wi­ckeln, nur was kommt danach? – Fehl­an­zeige! Gegen Ende ver­liert der Autor den Erzähl­fa­den voll­ends, flanscht eine New York Reise an, wo der kleine Ossi stau­nend die viel­fäl­tige Archi­tek­tur bewun­dert, und ehr­fürch­tig über Yoko Ono stol­pert – als wenn die jemals einen wesent­li­chen Bei­trag zur Rock­mu­sik geleis­tet hätte. – Brussig hat »noch’ne Wende-Erzäh­lung« geschrie­ben, die jedoch wie ein Auf­guss aus Ver­satz­stü­cken bekann­ter, auch sei­ner eige­nen Werke wirkt. Trotz manch pri­ckeln­den Lese­mo­ments stellt sich die Frage, ob rund 30 Jahre nach der ost­deut­schen Revo­lu­tion statt par­ti­el­ler Nost­al­gie nicht Bücher ange­mes­se­ner wären, die fra­gen: Was ist eigent­lich dar­aus gewor­den? Für wen hat es sich gelohnt? Ant­wor­ten wären nicht schlecht, bei Brussig aber nicht ansatz­weise zu ent­de­cken. Wollte halt den zigs­ten Wende-Jux machen, was noch halb­wegs gelun­gen ist. – Das Ende, das kei­nes ist, beschließt eine lau­warm erzählte Geschichte, zusam­men­ge­wür­felt aus Ost­al­gie, Flucht- und ande­ren »schlüm­men« Geschich­ten. Das kann man – je nach Stand­punkt – ganz nett, oder ziem­lich doof finden.

Ein gewis­ser Unter­hal­tungs­wert ist – nicht durch­ge­hend – vorhanden.

2017 rezensiert, DDR, S. Fischer, Wende-Roman