Daniil Granin
» Regen in einer fremden Stadt
Autor: | Andrzej Sapkowski (Polen, 2013) |
Titel: | Zeit des Sturms |
Übersetzung: | Erik Simon |
Ausgabe: | DTV, 2015 |
Erstanden: | von meinem Sohn |
Dem jüngeren Leser muss man vielleicht erklären, dass die Monatszeitschrift »Sowjetliteratur«, die es von 1946-1991 auch in einer deutschen Ausgabe gab, als Zeitschrift des sowjetischen Schriftstellerverbands, eine wichtige Aufgabe im damaligen Literaturleben hatte.
Immer wieder wurden zuerst dort wichtige, kritische und bahnbrechende Stücke veröffentlich. Und zwar in Millionenauflagen (6 bis 7 Mio), was ein wesentlich größeres Publikum erreichte, denn in einer Mangelgesellschaft wurden (im Gegensatz zur Wegwerfgesellschaft) diese Hefte von Leser zu Leser weitergegeben. So geschehen mit Granins erstem großen Roman »Bahnbrecher«, zuerst erschienen in der »Sowjetliteratur« 7/8/9 aus 1955).
In dem Konvulut Granin, das ich mir kurz nach seinem Tod im letzten Jahr bestellte, fand ich in Heft 3 der Sowjetliteratur aus 1974 die hier rezensierte bemerkenswerte Erzählung. Zu der eine kluge Einleitung von Alexej Pawlowski auf die Vielfältigkeit Granins hinweist, Reisebilder (u. a. »Vier Wochen mit den Beinen nach oben« von einer Reise nach Australien), Dorferzählungen, Kriegsbilder; der ausgebildete Ingenieur verteidigte seine Heimatstadt Leningrad als Panzerkommandant gegen die deutschen Invasoren.
Hier nun geht es um das Beziehungsabenteuer, das ein verheirateter sowjetischer Ingenieur auf einer Dienstreise eingeht. Mit diesen Reisen (und der erotischen Abwechslung) verbunden ist sein beruflicher Durchbruch. Das ist aber eine Situation, mit der weder er, noch die emanzipierte Frau, mit der er angebändelt hat, umgehen können; sie bräuchte eine echte Partnerschaft. In ihrem Elend, nicht wirklich miteinander kommunizieren zu können, beschimpfen beide einander am Ende.
Granin regt (nicht nur) mit dieser Erzählung wesentlich zum Nachdenken an, er hinterlässt keine fest gefertigten Positionen. Das bringt einen anderen Lesegenuss als sonst und einen Blick in eine vergangene Welt, auf besondere Art nicht unähnlich der 2nd-Hand Zeit der Alexijewitsch. Und Granin behandelt eine auch heute weitgehend aktuelle Problematik und kommt zu einem interessanten Schluss:
Trotz des Bruchs zwischen den beiden Protagonisten am Ende hat die (vorübergehende) Beziehung am Ende beiden weitergeholfen – sehr schön!
Sehr lesenwert
2017 rezensiert, Daniil Granin, Sowjetliteratur, Sowjetunion