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Fallada-N

Jür­gen Man­they
» Hans Fallada

Autor:Jür­gen Man­they (Deutsch­land, 1963)
Titel:Hans Fal­lada
Aus­gabe:Rowohlt, 1963
Erstan­den:Biblio­thek mei­ner Frau

Cover des Buches

Unter den Büchern mei­ner Frau befand sich (noch aus ihrem Ger­ma­nistikstudium) eine mitt­ler­weile recht zer­le­sene Fal­lada Bio­gra­fie. Auf die stieß ich kurz nach Genuss der „Geschich­ten aus der Mur­kelei“, was das Inter­esse beson­ders geweckt hatte. Umso frap­pie­ren­der die Ein­drü­cke: Ein iso­liert auf­ge­wach­se­ner Mensch, Sohn eines sehr hohen Rich­ters (in kei­nem von Fal­la­das Roma­nen gibt es ein nor­ma­les Vater-Kind-Ver­hält­nis), z.T. schreck­li­che Schul­zeit, sexu­ell nie auf­ge­klärt und damit an Trieb­un­ter­drü­ckung lei­dend. Wesent­li­che Ein­drü­cke aus Auf­ent­hal­ten auf dem Land, land­wirt­schaft­li­che Aus­bildung. Ein ver­ab­re­de­ter Dop­pel­selbst­mord, den er aber über­lebt, 2 Jahre Heil­an­stalt, eine auschwei­fende Frau­en­be­zie­hung, Alko­hol, erste Ent­zie­hungs­kur 1917 – mit 24 Jah­ren. Als nächs­tes Arbeit auf Gütern, Unter­schla­gun­gen, Mor­phium, Alko­hol, 2,5 Jahre Gefäng­nis – auf der sozia­len Lei­ter ganz unten. Die Hei­rat mit dem Arbei­ter­mäd­chen Suse gibt ihm end­lich halt, er rutscht in die Zei­tung hin­ein und ein Bau­ern­auf­stand bei Neu­müns­ter führt zu sei­nem Buch „Bau­ern, Bon­zen, Bom­ben“, sein lite­ra­ri­scher Durch­bruch. Als Fal­la­das geis­tige Väter bezeich­net Man­they den Wil­helm Raabe und Jean Paul. – Da folgt nun eine Zeit, wo Fal­lada sein Rausch­emp­fin­den im Schrei­ben statt in Dro­gen sub­li­miert. Und wo er im bis­si­gen Klein­stadt­por­trait des »Bau­ern-Buchs« eine mehr­fa­che Ver­kör­pe­rung des Autors inte­griert: als Redak­teur, als Anzei­gen­wer­ber und als – (mora­li­sches) »Schwein«. Was ihm eine hoch­in­ter­es­sante Ein­schät­zung von Kurt Tuchol­sky ein­bringt, der bemän­gelt, dass das Buch nicht den Typus des Klein­stadt­miefs auf den Punkt bringt, aber resü­miert: »Die­ses Werk habe ich in zwei Näch­ten gefres­sen, weil es uns poli­tisch angeht, nur des­we­gen. Bei­nahe nur deswegen.«

Fal­lada wird nun von Rowohlt gespons­ort, des­sen Ver­lags­schlie­ßung (unter den Nazis) sich spä­ter als Kata­stro­phe erwei­sen wird. Es folgt »Klei­ner Mann was nun«, der Ange­stell­ten-Ro­­man über die wider­li­che Aus­beu­tung von Ver­käu­fern. Ein teils poli­ti­sches Buch, denn Fal­lada lässt den ent­las­se­nen Ver­käu­fer KPD wäh­len, er fin­det aber letzt­lich sein Glück im Pri­va­ten. Der »Kleine Mann« wird ein Welt­erfolg, Geld fließt, mit dem er nicht umge­hen kann und der Al­kohol kommt wie­der. Es fol­gen »Wer ein­mal aus dem Blech­napf frisst« – der viel­leicht beste Gefäng­nis­ro­man mit auto­bio­gra­fi­schen Momen­ten, sein kri­ti­scher »Wolf unter Wöl­fen«, der aber kei­nen Wan­del for­dert. Die Sozi­al­ro­manze »Der eiserne Gus­tav«, außer der »Mur­ke­lei« viele andere Mär­chen, rausch­haf­tes Schrei­ben, aber auch Trin­ken, Depres­sio­nen, Zusammen­brüche, Sana­to­rien. Es folgt viel bana­ler Lese­stoff, Arbeit für den RAD der Nazis, die unheil­volle Begeg­nung mit der halt­los süch­ti­gen Ursula Losch, Schei­dung von sei­ner Frau Suse, Zwi­schen­fälle, die in die Heil­an­stalt füh­ren, der gran­diose »Trinker«entsteht, so genial vom Alko­ho­li­ker Juhnke ver­kör­pert. In der DDR geför­dert, erliegt er nach schwe­rem kör­per­li­chen Ver­fall in einer Kli­nik schon 1947 sei­nen Süch­ten. Mit Zeit­ta­fel, Biblio­gra­fie, Kritikermei­nungen beschließt ein infor­ma­ti­ves, aber wenig lite­ra­ri­sches Buch zu einem der inter­es­san­te­ren deut­schen Schrift­stel­ler – Hans Fallada.

Lesens­wert

2017 rezensiert, Hans Fallada, Jürgen Manthey, Rowohlt