Angela Carter
» Wie’s uns gefällt
Autor: | Angela Carter(Großbritannien, 1991) |
Titel: | Wie’s uns gefällt |
Übersetzung: | Sybil Gräfin Schönfeldt |
Ausgabe: | Klett-Cotta 1992 |
Erstanden: | Ein Tipp meiner Tochter |
Das ist der völlig flockig-überdreht-britische Rückblick zweier siebzigjähriger »alter Schachteln« auf ihr Leben im britischen Tingel-Tangel-Showgeschäft, deren distanzierter Vater großer Shakespeare Mime war, die aber (in London) auf der falschen Seite der Themse wohnen. Es fällt dem (deutschen) Leser nicht immer leicht, diesen wahnwitzigen Ritt der beiden lebensfrohen alten Ladies, mit ihrer bestechenden Frauenperspektive, den mannigfaltigen Anspielungen auf Größen des Show-Geschäfts in UK und ihrer immerwährenden Erotik, zu folgen. So bei der seltsam schwülen Nummer im Badeort Brighton mit den Nymphchen auf der Bühne. Und: Welche siebzigjährige schreibt schon über ihr »letztes Mal« und das mit einem Hundertjährigem ?
Oder die Idee, dass man der ruckelnden Eisenbahn die Bewegung im Beischlaf überlassen kann, den »grocer« nicht fragen sollte: »Haben Sie eine stramme Gurke?« und »shocking indeed«: »Tanz ist nichts als Geschlechtsverkehr in aufrechter Stellung..«.
Nicht zu übersehen, welche Bedeutung das zusehends verbleichende Empire in ihrem Rückblick hat: »In jenen Tagen war so viel Rosa auf der Weltkarte, dass man überall Englisch sprach.« Was die Tingel-Tangeldamen nach Hollywood führt, somit der Überdrehtheit noch ein paar Touren hinzufügend, mit Papageien in der Unterhose und grapschenden Liliputanern.
Altersweisheit und philosophische Erkenntnisse gibt es nicht zu knapp, so wenn die Erzählerin sich fragt, ob es deswegen Kriege gibt, weil die alten Männer die Jungen umbringen, um Ruhe vor ihnen zu haben? Oder nachdenkt, »als ich jung war, wollte ich flüchtig und ohne Dauer sein …«. Heute gilt der Spruch der Granny: »Hoffe auf das Beste, rechne mit dem Schlimmsten«, mit ihrem Tod geht die Kindheit vorbei, weil sie die einzige Verbindung zur Mutter und ihrer Geburt war.
Immer wieder Erinnerungen durch alte Kleider, manchmal schön nostalgisches, Tea-Time bei Lyons, 20 Schilling waren ein Pfund und vier Farthing auf einen Penny! Hübsch der »Seniorennotgroschen« (Spitaltaxi, Sarggeld), die Rentnerrevival-Party mit 60 cm Schminke, sie sah aus, wie 1 Mio Dollar in gebrauchten Scheinen …
Komplex die Familiengeschichte, der Vater, einst erfolgreicher Shakespeare-Mime, verlässt die Familie, die Mutter früh gestorben, aufgewachsen bei der Tante, ein mehrfach potenter Onkel und der sehr wohl vermisste Vater (»ein beweglicher Feiertag«), dessen Neu-Heirat ihn in die (verhasste) Oberschicht führt. Doch seine Ersttöchter triumphieren, für seine »upper class«-Nachkommen reicht es nur zur Moderation einer Kochshow im Trash-Fernsehen.
Die Frauenperspektive ist – selten genug in der Literatur – allerorten, so auch bei dem schwierigen, aber süßen »ersten Mal«, oder bei den vielen irrwitzig- abgedrehten Geschichten aus einem uns eher unbekannten angelsächsischem Showleben. – Das alles kommt derart überdreht, ohne Punkt und Komma und very British daher, dass es schon einiges zum Verstehen braucht, ist dann aber witzig, erotisch, spöttisch, gelungen, feminin!