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Hiltu-und-Ragnar

Frans Eemil Sil­l­an­pää
» Hiltu und Ragnar

Autor:Frans Eemil Sil­l­an­pää (Finnand 1923)
Titel:Hiltu und Ragnar
Aus­gabe:Gug­golz Ver­lag 2015
Über­set­zung:Reetta Kar­jal­ei­nen
Erstan­den:Auf Tipp des Ver­la­ges dort direkt

Hiltu-und-Ragnar

Ein äußer­lich schma­les Bänd­chen, aber eine wei­tere Perle des Gug­golz-Ver­la­ges. Der Autor ist der bis­her ein­zige fin­ni­sche Lite­ra­tur­no­bel­preis­trä­ger. Es ist die Geschichte der »unmög­li­chen« Begeg­nung zweier jun­ger Fin­nen, des 16-jäh­ri­gen aus der Wald­ein­sam­keit Finn­lands kom­men­den Dienst­mäd­chen, der Ein­facheit vom Lande, Hiltu und des 18-jäh­ri­gen Vil­len­be­woh­ners Rag­nar, Sohn von Frau Rek­to­rin; Beginn des 20. Jahrhunderts.

Sil­l­an­pää schreibt eine sofort in den Bann zie­hende, eine eigen­ar­tig mond­si­chelnde Spra­che, mit der auch gespielt wird: »Wenn er das auf Schwe­disch hätte sagen dür­fen« [Hiltu als Ange­hö­ri­ger der fin­ni­schen Ober­schicht spricht eher Schwe­disch, Rag­nar als Toch­ter eines Wald­bau­ern nur Finnisch].

Man staunt über Sätze, ihre Wucht, model­liert wie Skulp­tu­ren, vie­les muss man mehr­fach lesen, und man könnte das halbe Buch in der Schön­heit sei­ner Spra­che zitie­ren: S.26 »Äußer­lich mag man ver­fal­len, doch das tiefste und wahr­haf­tigst mensch­li­che Dasein legt sei­nen Weg stets unver­sehrt zurück«.

Dabei ent­zieht sich der Autor den Erwar­tungs­kli­schees der ers­ten ero­ti­schen Begeg­nung zwi­schen Hiltu und Rag­nar (Soh­ne­mann das erste Mal allein in der Villa mit ein­fa­chem Dienst­mäd­chen, vom Autor als »Wald­ka­ten­träu­me­rin« beschrie­ben), weil seine Fas­sung eine tiefe Inner­lich­keit hat, das Innere der bei­den bewor­tet. Einem so armen Mäd­chen, dem nach Fort­gang von Vater, Bru­der, dem erschla­ge­nen klei­nen Bru­der und end­lich Tod der Mut­ter, nur der Schluss bleibt: »Das Men­schen­le­ben besteht aus dem Aus­füh­ren des Schicksals«.

Hiltu, das Natur­mäd­chen, ist über­wäl­tigt von Villa, dunk­lem See, dem Nichts­tun der Bewoh­ner, unbe­greif­lich für das Natur­kind. Nun das erste Mal ohne »Frau Rek­tor« – und dem Gespür einer jun­gen Frau, dass dort an dem Abend, ein jun­ger Mann ist. Er hatte sie berührt, beide ver­wan­deln sich, etwas geht zu Bruch, etwas Neues ent­steht. S. 81: »… die­ser selt­same Rag­nar, der wäh­rend die­ses lan­gen und ein­zig­ar­ti­gen Tages in das Bewusst­sein des Mäd­chens hin­ein­ge­wach­sen war …« – Sätze wie Juwe­len, deren Glanz blen­det! – Wenig weiß das Wald­ka­ten­mäd­chen, aber S. 89: »Am Grunde ihres Wesens pochte der Instinkt, … in sei­ner wort­lo­sen Art den sich nähern­den Tat­sa­chen entgegen.«

Die Erzäh­lung von der Unmög­lich­keit von zwei Men­schen so ver­schie­de­ner Gesell­schafts­schich­ten zu ein­an­der zu kom­men. Was für den einen eine Epi­sode, ist für die andere die Lebens­ka­ta­stro­phe, das Ende ihrer Exis­tenz. In der Nobel­preis­be­grün­dung wird die psy­cho­ana­ly­ti­sche Beschrei­bung des Men­schen gelobt, Kenn­zei­chen auch die­ser Erzäh­lung. Ein extrem dich­tes und eines der inten­sivs­ten Bücher, das ich kenne, eine Prä­gung von einem Roman. Eine beson­ders tra­gi­sche Vari­ante von »Bür­gers­sohn trifft Dienst­mäd­chen«. Ein vor­treff­li­ches Nach­wort, ein Dank dem Über­set­zer sol­cher Sprach­schön­hei­ten, eine bild­schöne Aus­gabe, Lob dem Verlag!

Fan­tas­tisch

2019 rezensiert, Finnland, Guggolz Verlag, Literaturnobelpreisträger