Jack London
» Das Mondtal
Autor: | Jack London (USA, 1913) |
Titel: | Das Mondtal |
Ausgabe: | Büchergilde Gutenberg, 1977 |
Übersetung: | Erwin Magnus |
Erstanden: | Aus dem Nachlass meiner Familie |
Ein Roman, der den Erzähler London wieder in seiner ganzen Widersprüchlichkeit zeigt: Im ersten Teil eine sozialkritisch wirkende Erzählung um eine Wäscherin und einen boxenden Kutscher, auf der Suche nach dem Tal ihrer Träume, dem Mondtal. Im zweiten Teil aber eine Reiseerzählung, die eher kitschige Geschichte des ewigen amerikanischen Traums mit der Moral: Lieber ausbeuten, als ausgebeutet werden.
In die oft romantische Geschichte der Wäscherin Saxon (mit einem Namen, der an die angel-sächsischen Vorfahren erinnern soll) und dem starken Billy, eigentlich Kutscher, der für den Lebensunterhalt boxt. In ihr Leben am Rande des Existenzminimums, platzt der große Eisenbahnerstreik, der unter rücksichtslosestem Einsatz von Polizei, Militär und Justiz zerschlagen wird. Hier wird London sehr politisch, er zeigt Seiten der Geschichte der USA, die im Mainstream nicht existieren, er fragt: Haben Kinder von Reichen mehr Rechte zum Leben? Ist Demokratie nur ein Schein, um Ausbeutung zu tarnen?
Man ist immer mehr gefesselt von der Erzählung und wundert sich, wie wenig man von Streiks in den USA, von Kämpfen+Streikbrechern, Polizeigewalt und Justizmorden weiß. Von schrecklicher Massenarmut und Ausgeliefertsein. – London zeigt sich hier wieder als Erzähltalent, das den Leser in den Bann zieht, oft zauberhaft, aber auch klug und liebenswert und das in einem Werk, das gemeinhin nicht zu seinen größten gezählt wird.
Nach dem Scheitern ihrer Existenz, auch an den Folgen des unterdrückten Streiks, versuchen Saxon und Billy ihren und den großen amerikanischen Traum auf dem Land zu verwirklichen. Sie machen sich auf die Suche nach dem Tal ihrer Träume, dem Mondtal. In dem nun ablaufenden Road Movie passieren sie große Teile der USA, der unterschiedlichen Nationalitäten ihrer Einwohner. Sie lernen als Kleinbauern und Händler S. 364: »Jetzt ist alles Großhandel.« Und: S. 469 »Das Auspressen des Bodens in großem Stil ist augenblicklich das Nationalverbrechen der Vereingten Staaten« – sagt J. London vor 100 Jahren – Fracking kannte er noch nicht einmal. Die Auspresser sind allerdings meist Portugiesen, Italiener und andere Ausländer – wiewohl alle längst US-Bürger sind, ein leider typischer Rassismus Londons (vgl. »Gelesen im März 2019«). Doch schließlich kommt das Paar auf den richtigen (US-amerikanischen) Weg: Billy wird Geschäftsmann und lernt: »Man zahlt einem Arbeiter Geld, um an ihm zu verdienen« – die freundliche Version der Ausbeutung des Unternehmers. Nimm Dein Schicksal in die Hände und lass andere für Dich arbeiten!
Es gibt ein Ende des Romans mit »Kitsch-as-Kitsch-can«, Reichtum, Glück und sogar ein Kind der beiden. Und ordentlich weißer Rassismus: Nur die ur-amerikanischen Einwanderer sind die Guten, die später kamen, die meisten Arbeiter einfach zu dumm, um selbstständig zu werden.
Aber gerne gelesen hat man diese unterhaltsame Erzählung doch, trotz eher fieser Moral und einem wahrhaft klobigem Ende.