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Oerstavil-liebe-230

Hanne Ørsta­vik
» Liebe

Autor:Hanne Ørsta­vik (Nor­we­gen, 1997)
Titel:Liebe
Aus­gabe:Karl Rauch, 2017
Über­set­zung:Irina Hron
Erstan­den:Pan­ke­buch Berlin

Oerstavil-liebe-330Vorab ein beson­de­res Lob dem Ver­lag, der den Band zu einem auch optisch gelun­ge­nen und mit sei­nem struk­tu­rier­ten Ein­band auch zu einem ech­ten Hand­schmeich­ler wer­den ließ, Merci!

Es ist vor­der­grün­dig die Geschichte von Vibeke und ihrem Sohn Jon, frisch zuge­zo­gen in einem klei­nen Kaff, ihres lang­sa­men Auseinander­wachsens und ihrer (jeweiligen)?Suche nach »Khær­lig­hed« – Liebe. Schein­bar die Begeg­nung Vibe­kes mit einem ebenso suchen­den Schau­­­­­steller aus einem klei­nen Reise-Tivoli. Aus dem auch die selt­same, die schlaf­lose Frau kommt, die Vibe­kes Sohn begeg­net, die eine ganze Nacht auf der Suche, im Auto umher­fah­rend ver­bringt. Und mit ihrem und des Schau­stel­lers Auto begeg­nen sich Mut­ter und Sohn in der Nacht, Begeg­nung? Die Autos fah­ren anein­an­der vor­bei, Begegnung?

Erzählt wird im schall­schnel­len Wech­sel der Fan­ta­sie-Per­spek­ti­ven bei­der Prot­ago­nis­ten, der blitz­ar­tige Erzäh­ler­wech­sel im Kon­trast zur »Slow-Motion« Schil­de­rung. Mehr als die rea­len Gescheh­nisse, die den Voy­eur im Leser ent­täu­schen, sind es die Fra­gen, wie könnte es wei­ter­ge­hen? Was könnte sich aus den Begeg­nun­gen von Vibeke bzw. Jan erge­ben, was könnte aus Mutter/Sohn, aus ihren even­tu­el­len Part­nern wer­den? Das ist es, was mich im Ver­lauf des Buchs gebannt hat. Gleich­zei­tig erscheint es mehr und mehr ein Ro­man der Nicht-Begeg­nung zu wer­den, der vor­sich­ti­gen Suche nach etwas Liebe, einer Suche, die nichts zer­stö­ren will.

S. 93: »Irgend­wann wer­den wir mit der Ober­fläch­lich­keit der Spra­che zurecht kom­men, und bis dahin wer­den wir uns auch ohne Worte verstehen.«

Und ein biss­chen »Road-Movie«, die rät­sel­hafte Frau, genau wie Vibe­kes Ren­contre aus dem Reise-Tivoli, im Moment des Tref­fens zum Abschied bestimmt. Zwei Geschich­ten, die neben­ein­an­der lau­fen, 2×2 Men­schen, die Zeit mit­ein­an­der ver­brin­gen, anders als man erwar­tet. Ein Junge mit viel Jun­gen­fan­ta­sie, Vibeke tief in Frauenfantasien.

Mit der »Super-Lang­sam-Erzähl­weise« und dem »Stak­kato-Per­spek­ti­v­­wech­­sel«, den Bewusstseins­strömen von Vibeke und ihrem Sohn, schafft die Ørsta­vik eine beson­dere Atmo­sphäre, etwas, was den Leser förm­lich in den Roman ein­saugt. Raf­fi­niert, sehr raf­fi­niert geschrie­ben, nur schein­­bar all­täg­li­che Spra­che, die Ein­sam­keit der »Tivo­li­aner«, die­ses »sich_nicht_wirklich_begegnen_können«, die vie­len Träume, wahr­lich gut geschrieben.

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Hanne Ørsta­vik
Abb. dem Buch ent­nom­men – © Linda B. Engelberth

Eine sehr gelun­gen erzählte Geschichte, beson­ders geglückt erschien mir die gera­dezu unglaub­li­che Lang­sam­keit der Erzähl­art der Ørsta­vik, wie in Zeit­lupe rol­len die par­al­le­len Bewusst­seins­ströme ab, die Ent­wicklungen von Begeg­nun­g/­Nicht-Begeg­nung auf­bau­end und kon­ven­tio­nelle Lese­er­war­tun­gen ent­täuscht, den Leser nach­denk­lich entläßt.

Lang­same Geschichte von Begeg­nung und Nicht-Begegnung

2020 rezensiert, 21. Jahrhundert, Hanne Ørstavik, Karl Rauch Verlag, Norwegen