Alexander Kielland
» Jakob
Autor: | Alexander Kielland (Norwegen, 1891) |
Titel: | Jakob |
Ausgabe: | Alfred Kröner Verlag 2019 |
Übersetzung: | Gabriele Haefs |
Erstanden: | Pankebuch Berlin |
Es ist die Geschichte des zunächst unbeholfenen Bauernburschen Tørries Snørtevold, der die norwegische Kleinstadt, in die er kommt, zu seinem skrupellosen finanziellen und gesellschaftlichem Aufstieg nutzt. Wobei dieser moderne Jakob (Snørtevold) sein Ziel der biblischen Jakob-Geschichte entnimmt. Gleichzeitig wird erzählt, welche enge Grenzen die Provinz Menschen setzt, insbesondere denen aus großstädtischen Gefilden, der norwegischen Hauptstadt gar. S.81.«..hatten sie nicht gemerkt,dass die kleine Stadt im Laufe der Jahre auch sie bezwungen hatte…«
Ein wichtiger Punkt ist die »Verstädterung« des Bauernburschen, seine neue Kleidung reißt die »inneren Schranken« in dem Laden ein, in dem er arbeitet. Und er gewöhnt sich sein breites Bauern-lachen ab, Kielland weiß genau, wie ?Stadt und Land auch an Äußerlichkeiten unterschieden werden. Im ganzen Land aber, so der Autor, herrscht Stagnation, ein niedriges geistiges Niveau, nur Geld zählt – genau das wird das Erfolgsrezept des Tørries.
Der moderne Jakob steigt auf, mit einem neuartigen Ladenkonzept, einem Verleihgeschäft, nutzt eine doppelte (gegenüber seinem Chef) betrügerische Buchhaltung. Er lernt vom Pfarrer, das ein gewisses Bildungsmaß zu seiner gesellschaftlichen Anerkennung erforderlich ist, dass das Bürgertum aber solche Ideale eigentlich verachtet. Mit strategischer Planung, Geld und Macht erreicht Tørries seinen Aufstieg, ruiniert andere Leute mit Gerüchten, übernimmt erst den Laden, in dem er angestellt war, dann die örtliche Bank, kriegt die ganze Stadt in die Hand, nächstes Ziel:?Politik und Parlament. Der Leser, fasziniert von der Erzählung, der direkten Sprache, der Darstellung des oft ungeheuerlichen Geschehens macht sich Gedanken:?Dass der Erfolg, das Geldzusammentragen des Tørries auf unanständige und unsaubere Weise geschieht. Und wozu man Kinder zur Ehrlichkeit erzieht, wo doch offenbar die Schamlosen und die Gierigen die Gewinner im wirklichen Leben sind.
Die Erzählung war (1891) eine mehrfache Provokation:?Einem überwiegend provinziellem Norwegen einen solchen Spiegel vorzuhalten, einen in dieser Ära (Gründerzeit) typischen »Aufsteiger« seiner positiven »Erfolgsaura« zu berauben. Und einigermaßen offen damit umzugehen, dass Menschen Wesen mit einer Sexualität sind (wenn er z. B. über die »feinen, wohlgerundeten Brüste des Fräulein Thorsen« schreibt). Das waren drei so schwerwiegende Skandalgründe, dass der Autor fortan nicht mehr schrieb, ein solches Spiegelbild vertrug die norwegische Gesellschaft nicht – man vergleiche das Schicksal Hans Jaegers (»Christiania Boheme«) nur 30 Jahre später.
Ein hervorragendes Buch, die spannende Geschichte eines skrupellosen Emporkömmlings, schnurgeradeaus erzählt. Und hervorragend mit ausführlichen Anmerkungen insbesondere zur biblischen Figur des Jakob versehen, Chapeau an den Verlag!
Einfach toll!
19. Jahrhundert, 2020 rezensiert, Alexander Kielland, Alfred Kröner Verlag, Norwegen