
B. Traven
» Die Brücke im Dschungel
Autor: | B. Traven (Deutschland, 1927) |
Titel: | Die Brücke im Dschungel |
Ausgabe: | Büchergilde Gutenberg, 1981 |
Erstanden: | Aus dem Familiennachlass |

Immer wenn ich eines der Bücher von B. Traven aus der schönen Büchergilde-Edition nehme, lese und rezensiere, denke ich an meine Mutter. Der ich diese wunderschöne Edition verdanke, genauso wie die farbenfrohen Jack London Kassetten.
Sie, die Berliner Sekretärin, war gerade Anfang 20 als sie sich für B. Traven begeisterte, und seine Literatur ebenso wie die Jack Londons und Kurt Tucholskys ihren Söhnen hinterließ. Ein schönes Erbe.
Dieser, für mich nun der achte Band von Traven im Literaturblog »altmodisch:lesen«, ist einerseits ein typischer Traven. Also eines Autors bei dem aus jeder Zeile die Zuneigung zum einfachen, naturnahen Leben der Indios spricht, von den Weißen ausgeplündert, arm gehalten, unterdrückt. Der Autor, der aber weiß, dass er dies aus der Position eben eines Weißen sieht und (be)schreibt.
Die »Brücke« ist völlig anders als der »Carreta Zyklus«, »Das Totenschiff« oder »Der Schatz der Sierra Madre«; vgl. die Rezensionen 2019.
Es ist kein Abenteuerroman, kein Tramp oder Dschungel Abenteuer. Es geht nur um einige wenige Stunden im Leben von Indios im Dschungel, wo ein kleiner Junge beim Spielen von der (unsicheren) Brücke fällt und ertrinkt. Woran die für ihn völlig ungewohnten schweren klobigen Schuhe der Weißen ihren Anteil gehabt haben dürften. Ein Buch vom Leben und Sterben eines Jungen, von der Trauer und Trauerbewältigung der Mutter, der Nachbarn, der ganzen Siedlung.
Es beginnt mit dem Fest der Indios mitten im Dschungel (S. 40): »Wo ich hinsah überall war das Leben, überall wurde gelacht und überall spielten lärmend die Kinder.«
Aus der Sorge der Mutter, der Nachbarn und bald aller Festteilnehmer um einen verschwundenen kleinen Jungen und der Suche nach ihm macht Traven etwas sehr Spannendes. Farbige Bilder mitten in der pechschwarzen Nacht des Dschungels, den Feuern, Lampen, der Suche der Frauen, der Festlärm stets im Hintergrund. Die geisterhaften Rufe des Jungen, die eine alte Indiofrau hört, aber der Gringo nicht. Und das geheimnisvolle, mystische Ritual mit dem der Junge schließlich gefunden wird, sorgen für Bilder im Kopf des Lesers.
Insofern wieder ein typischer Traven, ein Roman mitten unter den Indio-Völkern, ein Erzähler, der stets seine Sympathie für die Indigenen und ihre Lebensart deutlich macht. Und einfach, aber plastisch die Atmosphäre der Trauer beschreibt
Erschütternd zu lesen, wie die Mutter, die Garcia, um den kleinen Sohn, ihren Carlosito, trauert, wie die Beschäftigung mit tausend kleinen Dingen hilft zu bewältigen. Auffallend, dass die Trauer doch in erster Linie Sache der Frauen zu sein scheint, die Männer sind nicht unbeteiligt, aber die Frauen ihren Kindern viel näher.

Traven zeichnet dabei mit feinem Stift immer wieder die kargen Lebensumstände, die armseligen indianischen Haushalte, denn (S.125):».. denn der Herrr in seiner grenzenlosen Weisheit hat die Welt so eingerichtet, daß niemand zu arm ist, um nicht doch von einem anderen ausgeraubt zu werden…«. Was klar gegen die Überheblichkeit der Weißen gerichtet ist.
Und zu der Traven in einem Dialog zweier im Dschungel lebenden Weißen zum »Fatalismus« der Indios sagt ( S. 135): »Nur wir, die wir sie ausbeuten wollen, möchten ihre Lebenskraft, ihre Energie entwickeln, damit wir sie desto leichter versklaven können… und in die Falle der Ratensklaverei locken können…«
Im gemeinsamen Singen der »agraristas« mit Trauernden flammt der Schmerz des Verlusts wieder auf und wird damit ein Stück verarbeitet. Und gegenüber den Weissen die Kraft der Indiogemeinschaft demonstriert. Es sind zu Herzen gehende Szenen, des Trauergesangs, die den ungeheuren Schmerz der Menschen so eindringlich machen. Und mit welcher Sympathie Traven die Bewegung und Gefühle der Trauerfeier der ganzen Indiogemeinde (be)schreibt. Und es mit einer heftigen Zivilisationskritik verbindet, S. 163: »Man sieht dann nicht nur den Schmutz und ihre Lumpen, sondern ihr Herz und ihre Seele, und das ist viel mehr. Es ist das einzige, worauf es beim Menschen wirklich ankommt. Radioapparate, Fordwagen und Geschwindigkeitsrekorde zählen.. nicht. Das ist alles Humbug, wenn die letze Bilanz gezogen wird.«
Genauso überflüssig wie die »pompöse Religion des weißen Mannes«, der er den echten Glauben der einfachen Indios gegenüberstellt. Aber nicht nur die Religion, S.168 »Die Fähigkeit, richtig zu zählen, ist an vielem Unglück schuld…Seit die Rechenmaschinen das Verzählen so gut wie unmöglich gemacht haben, sind die mit dem Zählen zusammenhängenden Tragödien immer zahlreicher und furchtbarer geworden.«
Auch die Bevölkerung entfernterer Indiogemeinden kommt, so wird aus der Beerdigung ein Fest, ein Indiofest. Rührend der einfache aus buntem Papier geschnittene Leichenschmuck, von der Mutter und den Trauergästen gefertigt. Traven erspart uns auch nicht grausame Realitäten, zur Einsargung des kleinen Toten heißt es S. 176: »Sogleich warf sich die Garcia über ihr Kind, um ihm den Abschiedskuß zu geben. .. sah sie das gar keine Lippen mehr da waren. Sie wurde den Geruch wahr, den der arme kleine Tote verbreitete…«.
Verwesung geht schnell in der Wärme der Tropen, an elektrische Kühlung ist nicht zu denken. Sie legt ihrem Jungen all das extrem armselige Spielzeug in den einfachen Sarg, eine Geste der Liebe, nicht der Armut. Die Brücke, die unselige Brücke und die ungewohnten schweren Stiefel, beides Produkte der Weißen, waren die Unheilsbringer, so klagen die Indios.
Die Fragen nach der Bedeutung der Körperlichkeit (was blieb vom großen Cäsar?), die ureigene Musikinterpretation der Dschungelbewohner, kontra US-Kitsch, eine beissende Kritik an der westlichen Totenkultur. Aber: S. 201. »Adios, Du lieber kleiner Junge. Adios! Kein König wurde je so begraben wie du. Adiosito!«
Fazit:
Das ist ein anderer Traven, kein Abenteuerroman, keine Goldsucher, sondern Bilder vom Leben einfacher Leute, Indios im Dschungel. Vom Tod eines Indiojungen, letztlich durch die Zivilisation der Weißen getötet. Ein Traven der eindringlich das Leiden der Mutter, der Eltern, der Gemeinschaft zeigt. Und die gemeinsame Trauer, der in unendlicher Armut lebenden, der Indiogemeinschaft, die der »Zivilisation« der Weißen so unendlich überlegen ist. Ein sehr gefühlvolles, sehr beeindruckenes Buch. PS: Als ich mit diesem Text fast fertig war, habe ich in der fast unendlichen Welt der Literaturblogs eine andere interessante Rezension entdeckt. Die wunderbare weite Welt der Literaturblogs:
- https://literaturweimar.blog/
bzw:
- https://literaturweimar.blog/2022/01/05/b-traven-die-bruecke-im-dschungel/ Gefühlvolle Bilder der Trauer
2022 rezensiert, B. Traven, Büchergilde Gutenberg, Dschungel, Indios