Claire Keegan
» So late in the day
Autor: | Claire Kegan (Irland, 2023) |
Titel: | So late in the day |
Ausgabe: | Faber & Faber, 2023, irische Originalfassung |
Erstanden: | Sinnvoll24 Online Buchhandlung |
Schlechte Nachrichten, wenn die Braut am Hochzeitstag einfach absagt. Claire Keegan erzählt in der Miniatur »So late in the day« [So spät am Tag ] warum das passiert. Und es ist kein Ruhmesblatt für irische Männer.
Das ist so raffiniert geschrieben, dass ich große Teile zweimal lesen musste, so unauffällig waren für den (männlichen) Leser, die kleinen Anzeichen, warum es keine Heirat geben konnte.
Cathal, ein Büromensch, schlägt seiner Freundin Sabine, eine Britin mit französischen Wurzeln, vor, zu ihm zu ziehen. Was sie mangels aktuell eigener Bleibe auch tut. Leise, aber deutlich, zeigt sich, dass er auf ein Zusammenleben weder vorbereitet, noch wirklich dazu fähig ist. Schon schwierig, wenn es auf einmal im Bad Platz geben muss für ihre weibliche Kosmetik und sie einen Teil der Kleiderschrankfächer beansprucht. Absolut nicht nach seinem Geschmack. Letztlich akzeptiert er nach ihrem Einzug bei ihm auch nicht, dass sie anders lebt. Das merkt sie, er aber nicht.
Und die nötige Änderung des Hochzeitsrings wollte er eigentlich nicht bezahlen. Abstoßend erscheint seine ewige Rechnerei beim Einkauf, wie teuer alles ist, selbst wenn sie mit dem Einkauf fantastisch kocht. Und nicht ein einziges Mal gab’s von ihm ein Danke für ihre großartige Kocherei. Die frischen Kirschen, die sie extra bei einem Discounter gekauft hat, entlocken ihm nur Bemerkungen, wie teuer die seien.
Auf die Frage einer Arbeitskollegin, was wollt ihr Männer wirklich von uns, findet er keine Antwort, selbst mit Nachdenken nicht, wirklich peinlich. Ihre Freundin sagt dagegen, dass der typische Ire meint, die Frauen sollten den Mund halten und dem Mann geben, was er wollte. Und verächtlich reagieren, wenn die Dinge nicht so laufen, wie Mann sich das vorstellt. Wohlgemerkt: im 21. Jahrhundert.
Für Monika, der polnischen Putzfrau im Bürohaus, hat er keine (der in Irland üblichen) Weihnachtsgratifikationen, noch nicht einmal eine Weihnachtskarte. Auf die Bemerkung von Sabine, dass (irische) Männer Frauen als »cunts« bezeichnen, reagiert er nicht einmal. So stellt Sabine sich die Frage: Was ist das Herz von Misogynie (Frauenverachtung)? Nicht geben können! Wie wichtig dieser Begriff für das Buch ist, macht das Nachwort von Claire Keegan deutlich: Ihre französische Verlegerin, brachte die Erzählung zuerst heraus. Aber unter dem Titel »Misogynie«
Die (männliche) Reaktion auf ihre späte Hochzeitsabsage lautet schlicht, S. 45: »Fucking cunts!« Passend dazu textet ihm sein Bruder, als Trauzeuge gedacht, aufs Handy, S. 40: »Your better off without that French hoor!«
Am Ende einer mehr als 2-jährigen Beziehung steht ein geplatzter Hochzeitstag, herumliegende Geschenke und Glückwunschbriefe, die stummen Zeugen des Desasters. Die Erinnerung Cathals sagt ihm am Schluss der Erzählung, S. 47: »… and could hear her saying, yet again, and very clearly, and so late in the day, that she’d changed her mind and had no wish to marry him after all.« So muss man sagen, dass Cathals wohl wirklich besser mit der Katze aufgehoben ist im Zusammenleben, viel unabhängiger, nicht so anspruchsvoll. Etwas Fressen und Streicheln reicht – der Katze.
Ähnlich wie in »Small things like these« (Rezension hier) lebt das Buch vom Aufdecken, was kleine, alltägliche Dinge für eine Bedeutung haben können. Vom Anmerken, was im Alltag eher unterzugehen droht. Schon unglaublich, wie die Keegan in scheinbar banalen Abläufen, Reaktionen, Worten die entscheidenden Entwicklungen, Knicks und Brüche einkleiden kann. Und den Leser tief in die Stimmung eintauchen lässt. Es ist eine kurze Miniatur, nur 47 Seiten, jede einzelne lohnt.
Überraschend und gut!
2023 rezensiert, Claire Keegan, Faber & Faber, Frauenverachtung, Irland, Misogynie