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Autokorrektur

Katja Diehl
» AUTO­Kor­rek­tur

Autor:Katja Diehl (Deutsch­land, 2022)
Titel:Auto­kor­rek­tur
Aus­gabe:Fischer Taschen­buch, 2023
Erstan­den:Buch­hand­lung Thaer, Ber­lin Friedenau

Autokorrektur

Als ich das Buch in mei­ner Buch­hand­lung (Bücher­stube Thaer, Ber­lin-Frie­denau) sah, über­legte ich kurz: Kenn ich doch, weiß ich doch schon alles. Das bestä­tigte sich zwar mit dem Lesen, bereut hab ich den Kauf aber nicht. Denn es tut immer gut, sich gegen den All­tag des täg­li­chen Auto­wahns die Gegen­stim­men und die auto­freien Rea­li­tä­ten ins Gedächt­nis zu rufen. Und da hat K. Diehl zwei große Plus­punkte: Sie macht deut­lich, um wie­viel schö­ner das Leben ohne die über­bor­dende Blech­la­wine sein kann. Und wie­viele Men­schen gar nicht im Auto sit­zen wol­len, aber durch die aufs Auto zurecht­ge­schnei­derte Mobi­liät dazu gezwun­gen werden.

Schon zu Beginn wird sie deut­lich, S.22: »Der gemein­sam genutzte Raum wurde zuguns­ten eines ein­zi­gen Ver­kehrs­mit­tels auf­ge­ge­ben, damit endet auch die Demo­kra­tie auf der Straße«. Und dazu gab es eine Ent­wick­lung, S. 24: »Der auto­ge­rechte Umbau von Städ­ten stellte eine Zäsur der Städ­te­pla­nung und des Stra­ßen­baus dar … schnelle kom­pli­ka­ti­ons­lose PKW Durch­fahrt wurde wich­ti­ger als die Lebens­qua­li­tät der vor Ort leben­den Men­schen.« Wie ich aus eige­nem Erle­ben wie­der bestä­ti­gen kann, wie übelst mas­sa­kriert wurde der einst idyl­li­sche Brei­ten­bach­platz in Ber­lin durch die Hoch­straße und der Bun­des­platz (Ber­lin) durch einen mons­trö­sen Auto­tun­nel. Und für Fußgänger/Rollifahrer bedeu­tet das große Umwege und war­ten an mehr als einer Ampel. Bei­spiel­haft führt sie Han­no­ver an: Vor dem 2. Welt­krieg leb­ten dort 20 bis 25.000 Men­schen im Stadt­kern, nach dem Krieg sah die Pla­nung nur noch 5000 vor.

S.24: »Städte, die einst als Begeg­nungs- und Han­dels­räume von Men­schen ent­stan­den, wur­den bra­chial einem völ­lig neuen Zweck unter­ge­ord­net: Dem moto­ri­sier­ten Indi­vi­du­al­ver­kehr.« Kin­der spie­len nicht mehr auf der Straße. Alte Möbel, Tische, alter Kram wird nicht auf der Straße, son­dern dem Bür­ger­steig abge­stellt. Und: S.27: »Die Domi­nanz des Autos über Kin­der beginnt sehr früh, sehr weit vor einem eige­nen Füh­rer­schein.« In einem grö­ße­ren Abschnitt führt sie aus, was die Umstände sind, die zu einer anstren­gen­den, weil auto­ba­sier­ten Fami­li­en­mo­bi­li­tät zwingen.

Katja-Diehl
Die Autorin, Foto: NDR | Quelle

Es geht anders, Men­schen kön­nen sich begeg­nen, S. 72: »…weil es keine Stra­ßen­schluch­ten mehr gibt, son­dern der Raum zwi­schen den Häu­sern so gestal­tet ist dass er zum Auf­ent­halt und Ver­wei­len ein­lädt.« Lebens­qua­li­tät einer Stadt bemisst sich schließ­lich nicht daran, dass man schnell durch­fah­ren und bil­lig par­ken kann. Sie kommt wie­der­holt auf die visio­näre Stadt der kur­zen Wege zu spre­chen, wo man alles inner­halb von 15 min errei­chen kann – ohne Blech­hau­fen. Und noch prä­gnan­ter, S. 131: »Mobi­li­tät ist etwas enorm Essen­ti­el­les, Begeg­nung mit ande­ren Men­schen. All das fin­det mit dem Auto nicht statt.«

Dass es auch anders geht, zeigt z.B. Hel­sinki: seit 2015 ist kein Kind mehr im Ver­kehr getö­tet wer­den, Tem­po­li­mit hat daran Anteil. Aber auch hier­zu­lande gibt es 13,49 Mio auto­freie Haus­halte. Trotz aller Staus, S. 29: »Es sind immer nur 10 % aller Autos gleich­zei­tig unter­wegs. Andere Legende: Tat­säch­lich kom­men 80 % des Umsat­zes vom loka­len Ein­zel­han­del nicht von PKW-Fah­rern. Die »ohne-Park­plätze-kön­nen-wir-ein­pa­cken-Legende« kommt also eher durch die Über­tra­gung des eige­nen Mobi­li­täts­ver­hal­tens von Händ­lern zustande.

Und: Der eins­tige Vor­teil mit dem Auto schnel­ler zum Ziel zu kom­men, ist längst durch immer län­gere Wege und mehr Staus auf­ge­fres­sen. Dabei lie­gen die durch­schnitt­li­chen Aus­ga­ben für einen PKW bei 425 Euro/Monat, die Besit­zer selbst schät­zen sie aber nur auf 204 Euro/Monat. Wäh­rend in der Schweiz 440 Euro pro Kopf in die Bahn inves­tiert wer­den, sind es bei uns nur kläg­li­che 88 Euro.

Totalschaden
Auch vor­treff­lich: Total­scha­den – das Autohasserbuch

Sehr cle­ver finde ich ihre Fall­stu­dien, wenn sie mit Men­schen spricht: Willst Du oder musst Du Auto fah­ren? Was aller­dings vor­aus­setzt, dass die Befrag­ten sich des­sen auch bewusst sind, ich habe es auf dem Land oft so erlebt, dass »Auto­fah­ren als Prin­zip« längst ver­in­ner­licht wurde und auto­freie Alter­na­ti­ven als »grüne Spin­ne­rei« von welt­frem­den Städ­tern abge­tan wurden.

Deut­lich macht sie – wie­der mit rea­li­täts­na­hen Bei­spie­len – wie ein völ­lig unzu­rei­chen­der und zeit­fres­sen­der ÖPNV Men­schen ins Auto drängt und dass sogar die Arbeits­agen­tur auf dem Stand­punkt ist: Nur mit Auto und Füh­rer­schein sei ein Mensch ver­mit­tel­bar. Arbeits­zei­ten und Weg­stre­cken zwin­gen die Men­schen ins Auto. Wun­der­bar der Abschnitt zum Auto als Sta­tus­sym­bol: Wenn ein Mensch im Auto vor­fährt, sieht man zuerst das Auto, erst dann den Men­schen. Pas­send ein eige­nes Erle­ben: Vor­fahrt zu einem Ter­min bei einem Groß­kun­den, »stan­des­ge­mäß« im Mer­ce­des. Kun­den­kom­men­tar: Schö­nes Auto Herr Mit­tel­haus, aber die völ­lig fal­sche Farbe. Ich fuhr weder schwarz noch sil­ber, son­dern him­mel­blau – das passt für Auto­men­schen nicht.

Wenn Men­schen im Mün­che­ner Umland in die Berge wol­len mit Öffis, dann müs­sen sie zuerst nach Mün­chen hin­ein­fah­ren, und dann erst wie­der hin­aus … Aber auch beim Woh­nen im S-Bahn Ring: Car­sha­ring für Fami­lien funk­tio­niert nicht. Lukas aus Kiel weiß nicht, wo er sein Las­ten­rad abstel­len soll, 3 teure Räder sind ihm schon geklaut wor­den. Der Zustand von Rad­we­gen, ihre man­gelnde Breite und die all­ge­gen­wär­tige Bedro­hung durch Autos steht dem Rad­fah­ren in der Stadt im Weg. Dafür aber die unsäg­li­chen »Eltern­ta­xis«, Heli­ko­pter­el­tern, die ihre Kin­der am liebs­ten mit dem Auto bis in den Kin­der­gar­ten bzw. die Schule brin­gen wür­den. Ich wohne neben einem Kin­der­gar­ten, das bedroh­li­che Chaos, das die Eltern jeden Mor­gen erzeu­gen, ist film­reif, aber­wit­zig, kon­tra­pro­duk­tiv und schäd­lich. Katja Diehl dazu: 1970 wur­den 7 % der Kin­der mit dem Auto zur Schule gebracht, 1990 waren es bereits 50 %:

Weni­ger pas­send finde ich die wie­der­hol­ten Ver­su­che Frau Diehls Auto­mo­bi­li­tät zur männ­li­chen Mobi­li­tät zur erklä­ren. Da ste­cken zu viele unbe­wie­sene Annah­men und zu viele Über­tra­gun­gen aus den USA dahin­ter. Und ich brau­che mir nur in Ber­lin die Bür­ger­meis­te­rin Gif­fey und die Ver­kehrs­se­na­to­rin Schrei­ner anzu­se­hen. Oder Susanne Klat­ten, die reichste Frau Deutsch­lands, mit ihrem BMW-Besitz Mil­li­ar­den ver­die­nend: Mehr (weib­li­che) Auto­po­li­tik geht kaum.

Wich­tig: Falsch­par­ken kann töd­lich sein, kann ich jeden Tag, an dem ich mit dem Roll­stuhl unter­wegs bin, nur bestä­ti­gen. Schlimm auch das Dienst­wa­gen­pri­vi­leg: In 2020 waren 63 % der PKW-Neu­zu­las­sun­gen Dienst­wa­gen. Ich selbst habe als Frei­be­ruf­ler davon pro­fi­tiert: Durch die Steu­er­vor­teile konnte ich mir ein dop­pelt so teu­res Auto leis­ten, wie ein Arbeit­neh­mer. »Sie müs­sen inves­tie­ren, Herr Mit­tel­haus«, sagte mein dama­li­ger Steu­er­be­ra­ter. Am bes­ten alle 3 bis 5 Jahr ein neues Auto. Dem habe ich was gehus­tet, und den teu­ren Blech­hau­fen bis ans Ende sei­ner 17-jäh­ri­gen Lauf­zeit genutzt – und bin dann zurück in die Stadt gezogen :-).

Einer der größ­ten Vor­züge des Buchs liegt darin, wie die Autorin Sach­ver­halte auf den Punkt bringt, wie sie for­mu­liert, S.109: »Auto­mo­bi­li­tät ist Zwangs­mo­bi­li­tät, weil sie Kin­dern nicht das ermög­licht, was sie mit Hun­den gemein haben, immer wie­der ste­hen zu blei­ben, Dinge zu betrach­ten, zurück zu lau­fen und uns Erwach­sene zu ner­ven, weil wir lie­ber die kür­zes­ten Ver­bin­dung zwi­schen zwei Punk­ten erlaufen.«

Eltern­ta­xis: Eine beson­ders per­verse Form der Auto-Mobi­li­tät | Quelle | Foto: Andreas Fischer

Das Thema Tem­po­li­mit geht sie an, macht deut­lich: Jeder dritte Ver­kehrs­tote starb durch unan­ge­passte Geschwin­dig­keit. Und wenn man sich mal ansieht, wer alles durch Ver­kehrs­tote betrof­fen ist: Unfall­zeu­gen, Poli­zis­ten, Feu­er­wehr­leute, Kli­nik­per­so­nal, Ange­hö­rige! Und so ergibt sich eine Zahl von 370.000 Betrof­fe­nen durch die jähr­li­chen 3250 töd­li­chen Ver­kehrs­un­fälle. Von denen 67 % auf Auto­bahn­ab­schnit­ten ohne Tem­po­li­mit geschehen.

Und wie­viel Kraft, Zeit und Ener­gie wurde und wird mit dem Die­sel­skan­dal ver­geu­det! Welch unge­heu­rer Wer­be­druck, mil­li­ar­den­schwer, aber für die Auto-Mobi­li­tät auf­ge­baut wird. Das kam mir in den Sinn, als ich vori­ges Jahr letzt­ma­lig Zeit in einem Auto­haus zum Ver­kauf unser »japa­ni­schen Reis­schüs­sel« ver­brachte. Was für ein ekel­haft nach Ben­zin, Gummi und Plas­tik stin­ken­des Bio­top, von image­brin­gen­den, aber­wit­zig rie­si­gen Auto­ge­bir­gen beherrscht. Wir waren und sind dabei, ihrem Rat zu fol­gen: Das eigene Ver­hal­ten ändern, Stück für Stück eine andere Mobi­li­tät auf­bauen. Auch wenn’s teuer wer­den kann: Seit dem Jahr 2000 sind die Kos­ten für einen PKW um 36 % gestie­gen, die für den ÖPNV aber um 80 %; S. 178. Wei­tere Zah­len lie­fert sie zur Mobi­li­tät von Men­schen mit gesund­heit­li­chen Ein­schrän­kun­gen. Und sie geht auf aktu­elle Debat­ten ein, in denen ver­sucht wird, Rad­fah­rer gegen Fuß­gän­ger, Rol­lis gegen Rad­fah­rer aus­zu­spie­len. Und zeigt auf meh­re­ren Sei­ten, was an wirk­lich bar­rie­re­freier Mobi­li­tät fehlt. Kein Wun­der, dass ein Mensch mit Han­di­cap zu dem Schluss kommt (S. 198). »Das Auto ist bis­her die ein­zige gleich­be­rech­tigte Form, wie ich in die­sem Ver­kehrs­sys­tem unter­wegs sein kann.« Kein Wun­der, dass für Trans­men­schen das Auto auch ein »safe space« ist.

Wie dis­kri­mi­nie­rend die Auto­mo­bi­li­tät ist, zeigt sie am altern­den Men­schen, Kran­ken oder durch Medi­ka­mente »fahr­un­tüch­tig« wer­den­den, die zu wenig Fahr­pra­xis für den heu­ti­gen dich­ten Ver­kehr auf­wei­sen. Wobei (S. 218) in fast allen euro­päi­schen Län­dern es den Füh­rer­schein eben nicht auf Lebens­zeit gibt.

Gut der his­to­ri­sche Aus­flug: Wie eine »Reichs­ga­ra­gen­ver­ord­nung« erst­mals 1939 pro Wohn­ein­heit min­des­tens einen Stell­platz for­derte. Und wie die Stadt Bre­men vor dem BVG einen Pro­zess gegen die immer mehr um sich grei­fen­den »Later­nen­par­ker« ver­lor. Die Pri­va­ti­sie­rung gro­ßer Flä­chen einst öffent­li­chen Raums für alle durch PKW-Besit­zer, wurde zum All­tag. K. Diehl zeigt auch, dass »ruhen­der Ver­kehr« ein aus­ge­spro­che­ner Euphe­mis­mus ist. Dass pro Auto mehr als 100 qm öffent­li­cher Raum belegt wird, dass man Autos mehr Platz als Kin­dern ein­räumt. Und wenn man mit­ten auf der Straße 12 qm Abstell­platz haben will: Ganz ein­fach, ein Auto hin­stel­len, dann ist es völ­lig legal. Und das, obwohl Autos ohne­hin schon 58 % der Ver­kehrs­flä­che in Anspruch neh­men. Dafür aber führt die PKW-Domi­nanz bei heu­ti­gen Kin­dern zu Bewe­gungs­man­gel, denn es gibt viel zu wenig Mög­lich­kei­ten, sich im öffent­li­chen Raum zu bewe­gen. S. 105: »Kin­dern ist heute der Stra­ßen­raum als Aben­teuer- und Erleb­nis­raum abhan­den gekomm­men.« Stra­ßen sind nahezu unbe­spiel­bar, das gilt auch für den länd­li­chen Raum. Daher, S. 119: »Öffent­li­cher Raum in der Stadt sieht mitt­ler­weile aus, wie ein rie­si­ges Open-Air-Auto­haus.« – groß­ar­tig ausgedrückt!

Immer wie­der zeigt sie dazu auch Alter­na­ti­ven auf, wie eine Stadt und das Leben in ihr ohne die all­täg­li­chen Blech­la­wi­nen aus­se­hen könnte. Sehr gut beob­ach­tet, wie sich durch das Auto die Anony­mi­tät der Stadt in den länd­li­chen Raum ver­la­gert: In dem Dorf, in dem ich 24 Jahre gelebt habe, begeg­nete man sich meist im Auto, nicht zu Fuß auf der Straße. Was die Men­schen im länd­li­chen Raum ins Auto zwingt, macht die Autorin nach­voll­zieh­bar. Super­tref­fend, S. 102: »Die Ent­schei­dung, auf dem Land zu woh­nen, wird oft in einer Phase des Lebens getrof­fen, in der der Mensch noch mobil und gesund ist.« Was im Alter, ohne Auto­teil­habe, zur Iso­la­tion führt. Denn (S. 117/118) die Erreich­bar­keit von Orten ist rele­vant für einen guten Lebensstil.

Vie­les kann ich aus per­sön­li­cher Erfah­rung bestä­ti­gen: In mei­ner Kind­heit konnte man noch, mit­ten in Ber­lin, auf der Straße spie­len, »Ein­krie­ge­zeck« spie­len, Roll­schuh lau­fen, Klin­gel­ball spie­len. Es war noch nicht jeder Qua­drat­zen­ti­me­ter Boden ver­sie­gelt, so dass man sogar Mur­meln spie­len konnte. Ich kenne aus eige­ner jah­re­lan­ger Erfah­rung das Leben im Dorf, der Klein­stadt und der Groß­stadt. Ich weiß, wie die Auto­dik­ta­tur die Men­schen auf dem Land gna­den­los ins Auto zwingt, wo man sich für jede Büro­klam­mer und jede Pille ins Auto set­zen muss. Und ich bin bewusst im Alter in die Groß­stadt Ber­lin (zurück-)gezogen, weil es dort noch Wohn­for­men gibt, wo es nahezu alle Dinge des täg­li­chen Bedarfs in fuß­läu­fi­ger Ent­fer­nung gibt. Und wir unser Auto – nach 2 Jah­ren Nicht­nut­zung – ver­kau­fen konn­ten, ohne irgend etwas zu ver­mis­sen. Im Gegen­teil, ohne Auto ist erleich­ternd, keine TÜV-Ter­mine mehr, kein Som­mer-/Win­ter­rei­fen­wech­sel, keine Inspek­tio­nen. Keine ermü­dende Park­platz­su­che mehr, kein Ver­kehrs­stress. Und das alles trotz mei­ner Abhän­gig­keit vom Roll­stuhl außer­halb der Woh­nung. Wobei ich genau weiß, wie pri­vi­le­giert wir sind, uns ein sol­ches auto­freies Leben innen­stadt­nah leis­ten zu können.

Katja Diehl macht auch auf Punkte wie einen aus­ufern­den Park­such­ver­kehr von Auto­fah­rern auf­merk­sam und dass diese die Zeit dafür gerne ver­drän­gen und mit­nich­ten zu ihren Wege­zei­ten hinzu rech­nen. Das mensch­li­che Maß hat eine Geschwin­dig­keits­kom­po­nente, über 50 km/h kann man keine Details erken­nen. Wie­viel anders sieht die Stadt aus, wenn man sie zu Fuß erkun­det. Einer der schöns­ten Momente mei­ner Geschäfts­rei­sen war es, abends das Hotel zu ver­las­sen und die Umge­bung zu Fuß zu erkun­den: Hei­del­berg, Kiel, Aar­hus, Zürich, Buda­pest, Genf – man bekommt einen völ­lig ande­ren Ein­druck von der Umge­bung. Nur in soge­nann­ten »Flug­ha­fen­ho­tels« (Stutt­gart, Ams­ter­dam, Brüs­sel) ist das nicht mög­lich, in deren Umge­bun­gen sind Fuß­gän­ger über­haupt nicht vorgesehen.

Schön, dass sie mit Mär­chen auf­räumt, ohne Park­plätze könn­ten (Einzelhandels-)Geschäfte nicht über­le­ben: Nicht-Auto­fah­rer geben 40 % mehr in Geschäf­ten aus, in Ber­lin kom­men 93 % der Kun­den nicht mit dem Auto. Ermu­ti­gend die Bei­spiele des Städ­te­um­baus für eine auto­freie Mobi­li­tät: Paris, Kopen­ha­gen, Mel­bourne, Barcelona.

Genau die­sen Punkt hätte K. Diehl viel­leicht mehr beto­nen kön­nen, denn die wenigs­tens auto­arme Innen­stadt wird durch Immo­bi­lien- und Miet­preise nur noch für wenige erschwing­lich. Egal ob weib­lich oder Cis-männlich.

Schwach­punkte: Durch ihre Kon­zen­tra­tion auf »X« (ehe­mals Twit­ter) bzw. Mast­o­don schließt sie alle aus, die dort nicht aktiv sind. Und/oder kein Smart­phone haben bzw. kei­nes wol­len. Für mich ist die kom­plette Ver­wei­ge­rung gegen­über den »aso­zia­len Medien« ein genauso wich­ti­ges Thema wie das Leben ohne Auto.

Plus­punkte: Ihr gelin­gen vor­treff­li­che For­mu­lie­run­gen, um Alter­na­ti­ven zur Auto­welt auf­zu­zei­gen. Visio­nen zu ent­fal­ten, wie schön das Leben und die Städte ohne PKW sind, gleich­zei­tig zu zei­gen, was Men­schen den­noch ins Auto zwingt. Aber wie sie die Vor­stel­lung für Alter­na­ti­ven ent­wi­ckelt, genau das unter­stützt Katja Diehls »Auto­kor­rek­tur«

Sie denkt öffent­lich vor, wie schön unsere Lebens­räume ohne Autos und der All­tag auf den Stra­ßen ohne sie aus­se­hen könn­ten. Und wel­che Ver­luste uns die Auto­do­mi­nanz gebracht hat. Es tut ein­fach gut zu lesen, wie­viele Men­schen nur gezwun­ge­ner­ma­ßen im Auto sit­zen – und wie schön ein Leben ohne PKW sein kann.

 Beflü­gelnd gegen den auto­mo­bi­len Wahnsinn


Katja Diehl steht für Vor­träge, Semi­nare, Work­shops rund um das Thema Mobi­li­tät zur Ver­fü­gung. Neben dem Hash­tag #auto­kor­rek­tur und einem Mast­o­don-Account unter­hält sie auch eine infor­ma­tive Web­seite »»Link

Laut eige­ner Aus­sage ver­steht sie sich auch als Influen­ce­rin. Ende Mai die­ses Jah­res erscheint ihr zwei­tes Buch »»Link

 

2024 rezensiert, Auto, Großstadt, Katja Diehl, Land, Mobilität, Verkehr