Gisela Heller
» Geliebter Herzensmann …
| Autorin: | Gisela Heller |
| Titel: | Mein geliebter Herzensmann |
| Ausgabe: | Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 1998 |
| Erstanden: | antiquarisch |

Wer kennt nicht »Effi Briest« von Theodor Fontane? Am Gymnasium wurde der Roman im Deutschunterricht gelesen und von Schülerinnen und Schüler wurde das Zitat »… das ist ein weites Feld!« häufig kolportiert, wenn sie eine Frage im Unterricht nicht genau beantworten konnten. Doch wer kennt Emilie Fontane, die Frau, die vielleicht in seinem Schatten stand oder die, ohne die Theodor Fontane niemals so viel Erfolg gehabt hätte? Gisela Heller hat der Rolle dieser Frau im Leben von Theodor Fontane nachgespürt und ihr erstaunliches Ergebnis in ihrer biografischen Erzählung »Geliebter Herzensmann …« veröffentlicht. Ich wurde darauf aufmerksam, weil Gisela Heller 90jährig Anfang des Jahres verstorben ist.
Zunächst wird uns Emilie vorgestellt als Berliner Göre, sie wächst zum Teil in der Großen Hamburger auf und wird von den Nachbarskindern als das »Mächen mitte Eierkiepe« (S. 15) gehänselt, dem kann sie sich durchaus erwehren und schon hier entsteht ihr Selbstbewusstsein, das sie für ihr weiteres Leben benötigt. Ihre Tante Auguste hatte ihr diesen Spruch ins Poesiealbum geschrieben: »Allen Gewalten zum Trotz sich erhalten, / Niemals sich beugen, /Kräftig sich zeigen /Rufet die Arme der Götter herbei.« (S. 15). Das hat Emilie ihr Leben lang beherzigt. 1850 heiratet sie Theodor Fontane und ist jetzt Gattin eines Dichters, der aber erst noch ein Dichter werden muss. Zunächst wohnen sie in Berlin, 1855 zieht die Familie für anderthalb Jahre nach London, Fontane arbeitet hier als Journalist, verdient aber sehr wenig, sodass die Familie auch hier unter ärmlichsten Verhältnissen lebt. Daher erfolgt die kluge Entscheidung sich wieder – wohnungsmäßig – zu trennen. »Manche Ehen sind ein Zustand, in dem zwei Leute es weder mit noch ohne einander durch längere Zeit aushalten können.« (S. 90). Emilie kehrt nach Berlin zurück und sucht sich hier schon wieder eine neue Wohnung.
Hier bringt sie – wieder alleine, ohne Anwesenheit ihres Ehemannes – ihr fünftes Kind zur Welt. Drei ihrer Kinder haben jedoch nur wenige Monate oder Wochen überlebt. Ihr Ehemann schreibt ihr Wochen vor der Geburt: »Alles wird dankbar akzeptiert, nur keine allzu elenden Würmchen, es ist eine Ehrensache. Also nimm dich zusammen und tu das Deine, man schreibt mir sonst auf den Grabstein: seine Balladen waren strammer als seine Kinder.« Emilie bricht in Tränen aus über diese Herzlosigkeit. Sie verlässt wieder Berlin, kehrt zurück nach London – mit der ganzen Familie. Wieder in London eine neue, größere Wohnung suchen! Hier geht es ihnen finanziell besser, aber keineswegs gut. Kontakt hält sie aufrecht zu ihren Berliner Freunden und hält sie auf dem Laufenden, auch über eheliche Probleme. Ihre Freundin Henriette von Merckel antwortet: »typisch fontanisch! Sie und er, immer im Widerspruch und doch im großen und ganzen einig.« (S. 108). 1858 kehren sie nach Berlin zurück, weil sich die finanziellen Verhältnisse in London verschlechtern. Und wieder eine Wohnung suchen in Berlin. Immer wieder verlässt Theodor Fontane Berlin, um in aller Ruhe ungestört schreiben zu können. Emilie akzeptiert das, denn sie haben es in ihrer Ehe soweit gebracht, dass ohne Krach und böse Worte jeder dahin geht, wo er seine wichtigste Aufgabe sieht. Eine moderne Ehe im heutigen Sinne?

Sie verreisen jedoch auch immer wieder zusammen. Zwischen 1874 und 1876 sind sie mehrmals in Italien oder in Karlsbad, um hier zu kuren, da Emelies Gesundheit angeschlagen ist. Ehekrisen finden immer wieder statt, da Fontane Anstellungen mit gesicherten Einkünften zugunsten seiner Tätigkeit als freier Schriftsteller aufgibt. Wieder beginnen die finanziellen Sorgen, Emelie hätte gerne gesicherte Lebensbedingungen. Aber sie ist die Chefin des Unternehmens »Fontane« und auch die Verwalterin der Finanzen, noch wichtiger: Sie ist die Mitarbeiterin ihres Mannes! Sie kopiert seine Texte, kritisiert sie aber auch: »alle Liebesszenen, wenn sie denn überhaupt vorkommen, seien merkwürdig matt und werden meist umschrieben, noch lieber umgangen.« (S. 277). Emilie und Theodor Fontane stehen sich gleichberechtigt gegenüber und ihre Ehe kann sicher als Partnerschaft auf literarischer Augenhöhe bezeichnet werden, vielleicht mit einigen Einschränkungen. »Fontanes haben in ihrer Ehe ein agreement gefunden, das jedem seinen Spielraum läßt. Emiliens Freiräume sind allerdings bescheidener und weniger kostenaufwendig.« (S. 282). Aber dennoch würde ich Emilie Fontane als eine eindrucksvolle, emanzipierte Frau des 19. Jahrhunderts bezeichnen.
Im Jahr 2024 wurde ihr 200. Geburtstag gefeiert und mittels einer Ausstellung ihrer gedacht. Die Berliner Zeitung hielt das für völlig überflüssig: »Würdigen sollte man Werk und Wirken Fontanes, nicht das seiner Schreibkraft. Emilie Fontane hat den Romanschriftsteller-Laden ohne Frage zusammengehalten, sie war aber nur marginal in den literarischen Schreibprozess ihres Mannes involviert.« Quelle
Dem stimme ich auf keinen Fall zu! Also selber lesen und feststellen, dass die Fontanes sich auch literarisch auf Augenhöhe befanden.
Sehr lesenswert!
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Margret Hövermann-Mittelhaus

19. Jahrhundert, 2025 rezensiert, biografische Erzählung, Emanzipation, Gisela Heller, Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Theodor Fontane