
Pascale Hugues
» Ruhige Straße in guter Wohnlage
Autor: | Pascale Hugues (Deutschland, 2015) |
Titel: | Ruhige Straße in guter Wohnlage |
Ausgabe: | Rowohlt Taschenbuch 2015 |
Erstanden: | Ein Geschenk von Berliner Freunden |
Der Französin Hugues gelingt ein streckenweise erstaunlich dichtes, wenn auch bruchstückhaftes Porträt einer Straße im Bayrischen Viertel (Berlin-Schöneberg), in dem sie sich auf Spurensuche nach den vom Faschismus vertriebenen (zumeist wohlhabenden) ehemaligen jüdischen Bewohnern ihrer Straße begibt. Mit einem Schwenk zur Geschichte einer Frau, die nach knapp 40 Jahren als Verkäuferin im KaDeWe ihre langjährige Wohnung aufgrund der beginnenden Gentrifizierung verlassen muss, gelingt der Sprung in die Gegenwart – fast.
Denn mit völliger Ahistorität missversteht Madame Hugues zwei Weltkriege als Zerstörungswahn und Wechselfälle des Lebens und schreibt allen ernstes: »… schaffen sie [die Trümmerfrauen] zwölf Jahre Krieg und Diktatur fort«; schön wär’s.
So gelangt sie über pure, nicht immer spannende Beschreibungen nie zu historischen Zusammenhängen. Statt schließlich noch Häme über den Widerstand gegen die Gentrifizierung zu gießen, sollte selbst die Kolumnistin des neoliberalen Tagesspiegels nach ihrer anrührenden Chronik von Vertriebenen der Nazis doch verstehen können, wie die Diktatur des Geldes gerade für die soziale Gleichschaltung ganzer Stadtbezirke sorgt.
Für mich als ehemaligen Berliner und Schöneberger:
Dennoch lesenswert.
2016 rezensiert, Bayrisches Viertel, Berlin, Judenvertreibung, Nazis