
Anna Achmatowa
» Im Spiegelland
Autor: | Anna Achmatowa (Russland/UdSSR 1912-1964) |
Titel: | Im Spiegelland - Ausgewählte Gedichte |
Ausgabe: | Piper, München 1982 |
Übersetzung: | 22 Übersetzer insgesamt |
Erstanden: | Antiquarisch |

Wenn man immer wieder in russischer Literatur auf einen Namen stößt, dies schließlich eindringlich in Christa Wolfs »Moskauer Tagebuch« nahegelegt bekommt, dann wird es einfach Zeit eine der wichtigsten russischen Lyrikerinnen zu lesen: Anna Achmatowa. Zumal wenn dies anhand einer Ausgabe des mit C. Wolf befreundeten Leningrader/Pariser Literaturwissenschaftlers Efim Etkind geschieht.
Ich bin bezaubert von so viel lyrischer Schönheit. Und von der klugen Idee des Herausgebers, bis zu vier verschiedene Übersetzungen der Gedichte anzubieten – beeindruckend. Ebenso ist es die historische Zeitspanne, die noch die Knute des Zarenreichs (ab 1911), den 1. Weltkrieg, die Oktoberrevolution, Bürgerkrieg und Hunger, den stalinistischen Terror, den 2. Weltkrieg, den Schrecken des Nazikriegs mit der Blokkade Leningrads und die Nachkriegszeit mit post-stalinschen Druck überspannt. Dies beinhaltet auch das tragische Schicksal der Achmatowa, mit dem Auf und Ab im Verhältnis zu den Mächtigen in der UdSSR, bis zum Krankenhaus und vor ihrem Tod. Eigentlich aus der Ukraine stammend ist ihr Name, Leben und Sterben heute untrennbar mit der Stadt Leningrad verbunden, der sie sich auch in der bittersten Zeit der mörderischen Naziblockade verpflichtet fühlte. – Wie kann man nur ihre Werke beschreiben?
Ob es die unsagbar schönen »Hände der Erinnerungen« und »Der Keller der Erinnerung« (1940) ist, in dem unglaublich bewegend und anrührend Gefühle gezeigt werden? Oder der Gesang auf eine Petersburger Schönheit »Der Schatten« (1940), Gedichte (!) über Krieg und Frieden in Leningrad (1941/44) oder die Dichtkunst des »Du hast mich ausgedacht« (1956) – bewegend. So viel Melancholie in »Das Letzte« (1964), die Gefühle in der Fremde »Seiten aus Taschkent« (1959), die schon von Krankheit geprägte »Heimaterde« (1961), die Elegie auf Boris Pasternak, »Der Dichter« (1936). Die bitter-schönen »Nach einem armenischen Motiv« (1958) und »Die Scherben« über das Los ihres Sohnes. Die berührend schönen autobiografischen »Nordischen Elegien« (1940-45), und ganz besonders »Am Ufer des Meeres«, die biografische Verserzählung über die Kindheit und deren Abschied. Die Requieme über Jahre des Terrors. All das ist eine Lyrik über Jahrtausende, bis hin zum 1939(!) geschriebenen »An den Tod, sowie den »Epilog« (1940) – eine einzigartige Anklage des stalinistischen Terrors.
Man muss diese Autorin in eine Reihe mit den großen russischen Namen wie Alexander Blok, Olga Bergholz, Alain Ginsburg und Boris Pasternak stellen. Besser als ihr Lyrik-Kollege Ossip Mandelstam kann ich es nicht sagen: »A. Achmatowa hat die ungeheure Vielschichtigkeit und den ganzen Reichtum des russischen Romans…in die russische Lyrik eingebracht.«
Lyrik von einer seltenen Kraft, fremder, weil russischer Eindringlichkeit und Schönheit:
Unbedingt lesen
2016 rezensiert, Herausgegeben von Efim Etkind, Piper Verlag