Michail Scholochow
» Frühe Erzählungen
Autor: | Michail Scholochow, (UdSSR, 1923-26) |
Titel: | Frühe Erzählungen |
Ausgabe: | Verlag Kultur und Fortschritt, Berlin, 1965 |
Erstanden: | Antiquarisch via Buchhandlung Volk, Recke |
Eine Sammlung recht unterschiedlich gelungener Erzählungen des Literaturnobelpreisträgers (»Der stille Don«), die vor allem in den ganz frühen Werken (mit 18-19) mehr den Charakter bolschewistischer Märchen annehmen: Fiese Kulaken und Kosakenbüttel vs. edle Rotgardisten. Manches ist so simpel, dass es heute peinlich wirkt. Anderes erscheint als sinnvolle Erinnerung an ein schreckliches Leben unter Zar und Knute und den Schrecken der Bürgerkriege nach der Oktoberrevolution.
Tragendes Motiv ist die absolute Zerrissenheit des Landes, der Menschen, der Kosaken des Dongebiets, des sozialen Gefüges, die mit grausamer Brutalität mitten durch Familien, Vater-Sohn und brüderliche Beziehungen schnitt. Man lernt viel über das soziale Elend, bis aufs Blut gepeinigte Arme, raffgierige Großbauern und das Toben der Kämpfe zwischen den bisherigen Besitzenden und den Revolutionären, die nach der Oktoberrevolution erst richtig losbrachen.
Einiges ragt heraus: »2 Männer, 1 Frau«, die sich für den Mann entscheidet, der ihre Rechte anerkennt. »Der Todfeind«, sehr gelungen über den Kampf bis zum Tod zwischen der alten Herrschaft und dem Neuen, das Arbeitern und Mägden zu ihrem Recht verhelfen will.
In der Erzählung »Die Knechte« wo der Sohn eines verarmten Bauern vom bis aufs Blut ausgebeuteten zum roten Agitator wird und so hilft, dass Knechte einen gerechten Lohn bekommen, fängt Scholochow erstmals an, eine Geschichte wirklich zu entwickeln.
Als hübsche Schnurre entpuppt sich »Die Erfassungskommission«, in der erstmals Kritik an der sich gerade entwickelnden Sowjetbürokratie geübt wird. Der Autor selbst war in einer solchen Kommission tätig (wie das Nachwort von Alfred Kurella verrät), die vor der Entwicklung einer neuen Abgabenordnung die Aufgabe hatte, die Bevölkerung und die im Bürgerkrieg stehende Rote Armee mit Brot zu versorgen.
Eher untypisch und etwas rührselig, dennoch schön erscheint »Fremdes Blut«, in der zwei vereinsamende Alte ein Bürgerkriegsopfer als Sohn annehmen. In ihr wird besonders deutlich, was diese Kriege für die Eltern bedeuteten.
All das erscheint letztlich als Vorübung für die beiden großen Romane Scholochows und nicht alles verdient wirklich eine Veröffentlichung. Die Ausgabe enthält die Entstehungs- und Erscheinungsdaten aller Erzählungen sowie ein erhellendes Nachwort des deutschen, in die Sowjetunion emigrierten Schriftstellers Alfred Kurella. Mit seinen Erläuterungen zum Hintergrund, Geschichte und der sozialen Lage der Don-Kosaken, der Kulaken, Mushiks und Landlosen wird Vieles erst wirklich verständlich. Und einer bemerkenswerten Erklärung zum inneren und äußeren Erleben eines Schriftstellers.
Wer den Autor mag, an diesem Teil Russlands und seiner Geschichte interessiert ist, der wird auch diesen Band als lesenswert empfinden.
2016 rezensiert, Bürgerkrieg, Michail Scholochow, Oktoberrevolution, Rote Armee, Russland, Sowjetunion