Lion Feuchtwanger
» Exil
Autor: | Lion Feuchtwanger (Deutschland/Frankreich, 1940) | |
Titel: | Exil | |
Ausgabe: | Aufbau Verlag, Berlin, DDR, 1957 | |
Erstanden: | Antiquarisch im Landbuchhandel Kross in Bippen |
Es ist der dritte Band des sog. »Wartesaalzyklus« des deutschen Erfolgschriftstellers Lion Feuchtwanger. Im 1. Band »Erfolg« beschreibt er die Mechanismen der alten Eliten in Bayern, die den Aufstieg der Nazis in den zwanziger Jahren ermöglichten. In »Die Geschwister Oppermann« schildert er am Beispiel des Chefarzt und des Möbelfabrikanten die Brutalitäten des Antisemitismus nach der Machtübernahme.
Die drei Bände haben als Verbindung i.W. die historischen Zusammenhänge, was in Bayern seinen Aufstieg erlebte und sich zu Beginn der dreißiger Jahre in Deutschland austobte, führte Feuchtwanger und andere Autoren ins eher ungeliebte Exil, Thema dieses dritten Bandes. Dies ist jedoch der mit Abstand schwächste Band des Trios, gleichsam bestätigend, was das Exil den Künstlern i.d.R. antat: Ihnen den unverzichtbaren (kulturellen) Hintergrund raubend, den sie für ihre Kunst benötigten.
Feuchtwanger erzählt die Geschichte des vor den Nazis nach Paris geflohenen Münchner Musikwissenschaftlers Sepp Trautmann und seiner von ihm allmählich entfremdeten Frau Anna; letztere begeht angesichts der Perspektivlosigkeit (1938?) Selbstmord. Ihr Sohn orientiert dagegen nach Moskau und geht dort ins Exil. Die in Armut gestürzten Trautmanns kämpfen – erfolgreich – um die Freilassung des in Paris von Nazis gekidnappten Journalisten Benjamin, den sie wegen seiner Aufdeckung von rechtsnationalen Fememorden bestrafen wollen. Der Kampf um Benjamin wird wesentlich von einer Emigrantenzeitung geführt, die sich (Verstrickung des Geldgebers in Naziränke) in dieser Zeit spaltet, Exilrealität.
Dem Autor gelingt viel Bedenkenswertes: Was nutzt das Schreiben, wenn es nicht mit Macht verbunden ist ? Der »eingestürzte« Völkerbund. Man kann Menschen leicht dazu bringen in Krieg und Tod zu gehen, aber wenn man ihre Illusionen über die tatsächlichen Zustände über Freiheit und Demokratie raubt, dann halten sie das nicht aus. Oder: Die Marxisten verstehen nichts von der Seele des Menschen. Brot und Butter sind nett, die Dummheit der Menschen zu kitzeln ist besser. Nazis: Aufstieg und Sieg der Unbegabten. Die Begegnung mit Furtwängler und die harte Wahrheit: Wer für gemeine Ohren Musik macht, macht gemeine Musik! Das Schlimmste im KZ war, die Menschen zu entmenschen. Und: Wir werden, wenn wir nach Deutschland zurück kommen, die Menschen entbestialisieren müssen. Noch besser: Die Herren wollen es durchaus nicht wahrhaben, dass Wahlrecht und Pressefreiheit wertlos sind, ohne wirtschaftliche Demokratie!
Es gibt schöne Anmerkungen zu Harmonieähnlichkeiten in Musik und Architektur, dass Mathematiker häufig gute Musiker sind. Deutlich werden die unterschiedlichen Wege der Emigranten, ihre unterschiedlichen Reaktionen auf den Naziterror, ihre Zerstrittenheit und Unfähigkeit, eine gemeinsame Front zu bilden.
Leider hat man die ganze Zeit den Eindruck, dass die Geschichte zu nett daher kommt, selbst die Nazischeusale eher harmlos, die Ränke ihrer Exilvertreter blutleer, ihre Brutalitäten im Reich ausgespart. Erzählen kann er, der Feuchtwanger, aber um welchen Effekt?
Mit Abstrichen gut lesbar
2017 rezensiert, Aufbau Verlag DDR, Faschismus, Historisches, Lion Feuchtwanger