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Baez

Jens Rost­eck
» Joan Baez – Por­trait einer Unbeugsamen

Autor:Jens Rost­eck (Deutsch­land, 2017)
Titel:Joan Baez – Por­trait einer Unbeugsamen
Aus­gabe:Osburg, 2017
Erstan­den:Anti­qua­risch beim »Bücher­wurm«, Bippen

Baez

Es ist ein­fach toll, dass Jens Rost­eck eine der weni­gen Bio­grafien über eine so wich­tige Frau, die Ikone der US-Folk- und Pro­test­be­we­gung, über Joan Baez, geschrie­ben hat.

Ohne die ein Lite­ra­tur­no­bel­preis­trä­ger Dylan, eine welt­weite Folk­welle und der Pro­test gegen den US-ame­ri­ka­ni­schen Viet­nam Krieg so nicht gewesen/geworden wären.

Eine Frau (1941 gebo­ren), die die »Kriegs­steuer« ver­wei­gert und dem US Weihnachts­bom­bar­­de­ment 1972 direkt in Hanoi zu wider­ste­hen und eine ganze LP-Seite dem zu wid­men. Deren Mann Richard Har­ris wegen Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rung drei Jahre im Zucht­haus in den USA ver­brachte. Schön wie der Autor den elter­li­chen Hin­ter­grund aber auch die sin­gende Schwes­ter Mimi Farina und ihren jung gestor­be­nen Mann Richard (jah­re­lange »Vie­rer­par­tie«: Baez, Dylan, Mimi & Richard) zur Baez Geschichte fügt.

Der Vater Mexi­ka­ner und somit für das »exo­ti­sche« Äußere der Baez ver­ant­wort­lich (was in den ras­sis­ti­schen Tei­len der USA zu jah­re­lan­ger Dis­kri­mi­nie­rung führt); die Mut­ter schottisch/irisch, mit Musik in den Adern? Der Vater, der Kriegs­for­schung ver­wei­gert, lie­ber schlecht bezahlt für die Unesco in der Welt umher­zieht und des­sen stren­ges Quä­ker­tum, man­gelnde Zuwen­dung und feh­lende Auf­klä­rung für lang­jäh­rige psy­chi­sche Pro­bleme bei Joan ver­ant­wort­lich sind. Erst der Umzug in die libe­ra­len Ost­staa­ten, Ver­wei­ge­rung der Uni-Lauf­bahn, Selbst­stän­dig­keit durch den Ver­kauf von Motor­rol­lern, Pete See­ger Kon­zerte, die Folk­mu­sik und ein Sen­sa­ti­ons­auf­tritt 1959 in New­port brin­gen die junge Joan aus der Isolation.

Wie sie jah­re­lang mit Dr. Mar­tin Luther King gegen Ras­sis­mus gestrit­ten hat, ange­ris­sen, wie ein Dylan sich vor die­sen Din­gen gedrückt hat. Ein Mann, zu dem sie wohl ein lebens­lan­ges Ver­hält­nis hat, sie längst eta­bliert, er eben erst aus dem musi­ka­li­schen Schat­ten von Woody Gut­hrie her­aus­tre­tend. Dylan, von ihr ins Ram­pen­licht gebracht, der sie – mehr als nur musi­ka­lisch – 1965 (New­port) ver­rät, sich nicht nur vom Folk abwen­det, son­dern sich fortan als Wet­ter­fahne musi­ka­li­scher Strö­mun­gen ver­hält; Dick Fari­nas Tod, Dylans Motor­rad­un­fall 66/67, bei­des ein­schnei­dend. Bemer­kens­wert, wie gut der Autor hier die Unter­schiede im musi­ka­li­schen Aus­druck, in der Inter­pre­ta­tion von Dylan und Baez herausarbeitet.

Das Enga­ge­ment der Baez für Amnesty Inter­na­tio­nal, ihr Ein­tre­ten gegen die Dik­ta­tu­ren in Argen­ti­nien + Chile und für Vik­tor Jara, den chi­le­ni­schen Lie­der­ma­cher, von der Pino­chet-Junta bes­tia­lisch gemor­det. Gegen den Irak­krieg, aktiv im Marsch auf Washing­ton. Aber ebenso gegen Menschen­rechts­ver­let­zungen in Viet­nam nach dem gegen die USA gewon­ne­nen Krieg. Wie sie der Stasi gemein­sam mit Bier­mann (heute der käl­teste der kal­ten Krie­ger) ein Schnipp­chen schlägt – ihre Auf­fas­sung von Bür­ger­rech­ten bleibt unteilbar.

Ebenso wich­tig, ihre gemein­same Arbeit mit Ira Sand­perl, die Grün­dung der Aka­de­mie für Gewalt­lo­sig­keit im kon­ser­va­ti­ven Mon­terey, prompt wird die Jus­tiz bemüht, das zu verhindern.

Ver­blüf­fend manch glat­tes Fehl­ur­teil des Autors, sei es zur DDR (»Unrechts­staat«) oder der Ober-Schnulze »Conny Kra­mer«, ob Sacco­&Van­zetti wirk­lich unschul­dig waren und extra pein­lich die Ein­stufung des Mor­des an Joe Hill als bedau­er­li­chem Justizirr­tum: »The cop­per bos­ses framed you, Joe …« heißt es im unsterb­li­chen Lied dazu, sollte man ken­nen als Biograph!

Wie­derum her­vor­ra­gend die Refe­renz zur Folk­be­we­gung in der BRD, Burg Wal­deck &Co; dage­gen ent­geht Rost­eck die Singebe­wegung der DDR komplett.

Enorm, wie der Autor ver­sucht, sich in viele Lie­der der Baez mit klu­gen Wor­ten hin­ein­zu­den­ken, sie inter­pre­tie­rend vor­zu­stel­len; schwie­rig, so man sie nicht kennt, was man selbst ändern kann. Den Auf­bruchs­geist der sech­zi­ger kann er dage­gen nicht recht ver­mit­teln, nun, er ist erst 1961 geboren …

Sehr schön, dass die Bio­gra­fie bis heute, nichts beschö­ni­gend, Pri­va­tes in Gren­zen ent­hül­lend (Pro­mis­kui­tät, Schei­dung) bis ins 76. Jahr der Baez geht, in dem diese unbeug­same, auf­rechte Kämp­fe­rin für Men­schen­rechte noch auf der Bühne steht. Dass Rost­eck es schafft, den poli­ti­schen und den musi­ka­li­schen Men­schen, aber auch ein wenig die Per­son selbst nahe­zu­brin­gen, Chapeau!

Zu allem zusätz­lich gibt es noch eine enorme Zeit­ta­fel (ein klei­nes Buch für sich), eine abso­lute Fleiß­ar­beit von einer Biblio­grafie, eine hoch­in­ter­es­sante Dis­ko­gra­fie (ohne Hin­weise auf das Ärger­nis »digi­tally res­to­red«), wäh­rend die (Zeitungs)-Quellen bedau­er­lich wei­test­gend auf Main­stream Medien beschränkt sind – unpas­send zur Baez.

Ins­ge­samt aber eine äußerst loh­nens­werte Lek­türe eines kennt­nis­rei­chen Musikwissen­schaftlers und Bio­gra­fen (www​.jens​rost​eck​.de), eine sehr mate­ri­al­rei­che Arbeit, keine kom­plette Bio­gra­fie, eher epi­so­den­haft erzählt. Über die Frau Joan Baez, Mut­ter und Geliebte, die Musi­ke­rin, die unbeug­same Men­schen­rechtlerin, ein Buch mit viel Zeit­geist und – Ge­schich­te und Respekt vor der Künst­le­rin Baez!

Sehr emp­feh­lens­wert

2017 rezensiert, Bob Dylan, Folkmusik, Friedensbewegung, Jens Rosteck, Musik, Osburg, Sechziger, USA