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Traven-Ein-General

Tra­ven
» Ein Gene­ral kommt aus dem Dschungel

Autor:B. Tra­ven (Deutsch­land, 1940)
Titel:Ein Gene­ral kommt aus dem Dschungel
Aus­gabe:Bücher­gilde Guten­berg, 1981
Erstan­den:Aus dem Nach­lass mei­ner Familie

Traven-Ein-General

Der abschlie­ßende Band des Maha­goni-Zyklus, in dem der An­füh­rer der Rebel­len, genannt der »Gene­ral« aus dem Dschun­gel kommt, Poli­zei- und Armee­trup­pen besiegt und dabei eine Finca und eine Sied­lung nach der ande­ren erobert. Der Autor erklärt die Bru­ta­li­tät der Rebel­lion (Gefan­gene wer­den nicht gemacht): Die ein­fa­chen Men­schen waren von der Dik­ta­tur zu rach­süch­ti­gen, miss­güns­ti­gen Krea­tu­ren ver­krüp­pelt. Kein Wun­der, dass sich eine große Zer­stö­rungs­wut ange­häuft hatte.

Tra­vens »Revo­lu­ti­ons­theo­rie«: Die Rebel­len konn­ten nichts als zer­stö­ren, eine Folge des Lebens unter der Dik­ta­tur, so konn­ten sie den Peo­nes der Ran­che­ros auch nicht erklä­ren, wie diese sich selbst orga­ni­sie­ren könnten.

Ande­rer­seits erhal­ten die Rebel­len immer mehr Zulauf von den armen Indios und die Armee­of­fi­ziere wün­schen sich bald, sie hät­ten so viele und so gute Infor­ma­ti­ons­zu­trä­ger wie die Rebel­len. Den mili­tä­ri­schen Anfüh­rer der Rebel­len, genannt »Gene­ral«, ein Ex-Ser­geant der Armee, führt Tra­ven ein­fach wie­der als neuen Cha­rak­ter ein, typisch für alle Bände. Als der mit­be­kommt, wie sich Peo­nes dem Zug anschlie­ßen und Infor­ma­tio­nen über geg­ne­ri­sche Pläne über­brin­gen, sagt er begeis­tert, er habe nun Gewiss­heit, den Feld­zug zu gewin­nen, möge es auch 2-3 Jahre dauern.

Dass der Gene­ral nun in allen Belan­gen wesent­licht schlauer als die Gegen­über der »Rura­les« (Poli­zei) und der Armee ist, sie in sei­nen Feld­zü­gen klug über­lis­tet, passt ins Bild, das Tra­ven von den (Hilfs-)Truppen der Unter­drü­cker gemalt hat. Erscheint auf Dauer aber arg ver­ein­fa­chend, »Old Shat­ter­hand« erschien sei­nen Geg­nern ja auch immer haus­hoch überlegen.

Ebenso feh­len Worte über das Ver­hält­nis zwi­schen dem Gene­ral und dem geis­ti­gen Anfüh­rer, einem ehe­ma­li­gen Leh­rer, der wegen zu viel kri­ti­scher Auf­klä­rung in sei­ner Arbeit geschasst und ins KZ gesperrt wurde. Schade, wie das Ver­hält­nis »Poli­tik-Armee« sich ent­wi­ckelt, wäre span­nend, aber das ver­passt Traven.

Dafür revan­chiert sich der Autor mit herr­lich pas­sen­den Bemer­kun­gen über die Mario­net­ten auto­ri­tä­rer Regime (S. 109): »Die Uni­form­mütze macht eine mensch­li­che Null zu einer hal­ben Eins«; was auf den Sei­ten S. 228-230 durch Köst­li­ches über die idio­ti­schen Riten bei Berufs­mi­li­tärs, ihrer Dün­kel­haf­tig­keit und ihrer Dumm­heit ergänzt wird.

Oder (S.162): »Rebel­len müs­sen leben, wenn sie eine Rebel­lion gewin­nen wol­len; und wenn sie keine … Bank­di­rek­to­ren fin­den, die ihnen das Geld für die Rebel­lion lei­hen, dann muss sich eine Rebel­lion eben selbst bezah­len.« Und noch bes­ser (ebd.): »Aber Rebel­lio­nen müs­sen sein, wenn die Welt vor­an­kom­men soll.« Ebenso gut (S. 230): »Das Wort Erb­feind wurde nur hin und wie­der gebraucht, um das Inter­esse der Steu­er­zah­ler an der Not­wen­dig­keit einer star­ken Lan­des­ver­tei­di­gung nicht erlah­men zu lassen.«

Ein komi­scher Zug hin­ge­gen: Die mit den Rebel­len mit­ge­zo­gene Mode­sta will ler­nen, das MG zu bedie­nen, was Celso begeis­tert, der aber seine Adju­tan­ten für zu blöd dafür erklärt – holla!

Guter Zug: Wer sich dem Alko­hol ergibt, wird bestraft, aller­dings auch gleich erschos­sen, holla, holla!

Dage­gen steht, dass And­res Grup­pen von Mucha­chos lesen und schrei­ben lehrt, dass die Armen ler­nen müs­sen, betont Tra­ven wiederholt.

Ein Schwach­punkt der Erzählung(en) sind die Ent­schei­dungs­wege und Wil­lens­bil­dung inner­halb der Rebel­len. Reicht es, wenn im Zwei­fels­fall der Gene­ral (oder ein ande­rer Anfüh­rer) auf den Tisch hat und brüllt, so wird es gemacht? Muss man aus der Abnei­gung gegen­über läs­ti­gem Pala­ver auf nahezu jede Form der Dis­kus­sion und gemein­schaft­li­chen Ent­schei­dung ver­zich­ten? Was soll der Leser dar­aus lernen?

Das fragt man sich auch bei den Sie­ges­re­den und -fei­ern nach einem deut­li­chen Sieg der Rebel­len »In Strö­men roten Blu­tes wird das gol­dene Zeit­al­ter der Ver­lo­gen­heit ersäuft!«, was Tra­ven zu verr­ros­ten­den Maschi­nen, Hun­der­ter von (zer­stör­ter) Fabri­ken und fast 3 Mil­lio­nen Toten fort­schreibt (S. 151/152). Tobt sich hier ein zu kurz gekom­me­ner der miss­lun­ge­nen deut­schen Revo­lu­tion in anar­chisch erschei­nen­dem Pathos aus? Beein­dru­ckend dage­gen, wie es den Rebel­len am Ende ihres Sie­ges­zu­ges, ganz ohne Bru­ta­li­tät gelingt, feind­li­che Anfüh­rer zu bestrafen.

Wie die Rebel­len von Sieg zu Sieg mar­schie­ren und am Ende über­rascht fest­stel­len, die Dik­ta­tur ist gestürzt, gehört (kom­po­si­to­risch) zu den gro­ßen Schwä­chen des Autors. Dabei erkennt er noch (S. 246/247), dass man die Revo­lu­tion nicht zu früh abbre­chen muss, denn sonst wären sie in einem hal­ben Jahr in dem­sel­ben Elend. Was das in der Folge bedeu­tet, führt er nicht aus.

Im Gegen­teil, die Rebel­lion wird been­det, obwohl die (wirt­schaft­li­che) Dik­ta­tur der Mon­te­ria doch unab­hän­gig vom Sturz der poli­tisch-mili­tä­ri­schen Dik­ta­tur exis­tiert und mit dem Sturz des Dika­tors die Dik­ta­tur der »Mon­te­rias« bzw. ande­rer For­men der (Rohstoff-)Ausbeutung mit­nich­ten auf­ge­löst sind. Hier zeigt der Autor tief­grei­fen­des Unver­ständ­nis von Öko­no­mie und Poli­tik, sehr schade, weil es die eigent­li­chen Aus­sa­gen des Buchs abwer­tet. So beinhal­tet die­ser »Gene­ral« neben vie­len klu­gen Bemer­kun­gen erheb­li­che Schwä­chen, bleibt in der Begei­st­e­rung über die Rebel­lion ste­cken, zeigt anar­chi­sche Züge und schafft es nicht, die aus­ste­hende (poli­ti­sche) Revo­lu­tion zu denken.

Aus heu­ti­ger Sicht mag man­ches als revo­lu­tio­nä­res Pathos erschei­nen, aus dama­li­ger Sicht war es sicher pas­send. Das Buch – wie der Zyklus – ist auch ein ganzes

Stück span­nende Rebellionsromantik!

2019 rezensiert, Abenteuer, B. Traven, Büchergilde Gutenberg, Caoba-Zyklus, Latein-Amerika