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Traven-Trozas

Tra­ven
» Tro­zas

Autor:B. Tra­ven (Deutsch­land, 1936)
Titel:Tro­zas
Aus­gabe:Bücher­gilde Guten­berg, 1977
Erstan­den:Aus dem Nach­lass mei­ner Familie

Traven-Trozas

Ein Troza, ein trans­port­fä­hig fer­tig gemach­ter Maha­go­ni­stamm von 140-150 kg Gewicht ist das Maß der Dinge für die Arbei­ter in der Mon­te­ria, denen gerne 2, 3 oder sogar 4 Tro­zas als Pflicht­leis­tung pro Tag auf­ge­zwun­gen werden.

In die­sem 4. Band des Coaba Zyklus ver­tieft Tra­ven die detail­l­rei­che Dar­stel­lung des Lebens der Maha­goni-Arbei­ter und der zahl­rei­chen Para­si­ten, die an ihrer Aus­beu­tung betei­ligt sind, was nicht immer span­nend daher kommt, aber meistens.

Humor kommt – trotz schlimms­ter Lebens­um­stände nicht zu kurz, wenn z.B. » … einige Nie­ten in sei­nem auf­ge­stülp­ten Kegel lose seien«. In einer die Mon­te­ria ver­sor­gen­den Sied­lung die­nen Spiel­sa­lons und (ille­gale) Schnaps­bren­ne­reien als not­wen­dige Betäu­bung gegen­über dem uner­träg­li­chen Arbeits­all­tag. Die hier wir­ken­den Huren ste­hen auf der unters­ten Stufe, kön­nen nicht tie­fer sin­ken. Die Schu­len, die es hier pro forma gibt, ver­die­nen den Namen nicht wirk­lich, sie sind potem­kin­sche Dörfer.

Allen für die Mon­te­ria gewor­be­nen und hier Neu­an­ge­kom­me­nen wird ein »Schuld­konto« über 50 Pesos eröff­net, aus dem sie – schein­bar reich­lich – ihren per­sön­li­chen Bedarf der nächs­ten Monate decken kön­nen. In Wirk­lich­keit – auch auf­grund der über­höh­ten Preise – ver­län­gert sich damit die Zeit, in der sie ihre Schul­den beim Mon­te­ria-Besit­zer abge­ar­bei­tet haben weit nach hin­ten hinaus.

Den Kick erhält der Band, weil 3 der wich­tigs­ten Mon­te­rias von den drei Brü­dern Mon­tel­lano gekauft wer­den, die gehö­ren zu den übels­ten Cont­ra­tis­tas über­haupt, mit denen viele aus den bis­he­ri­gen Mon­te­rias nicht zusam­men arbei­ten wol­len, sie gel­ten all­ge­mein als ver­hasst. Die Brü­der wol­len nun zwecks Til­gung ihrer Schul­den – auch mit einem neuen Prä­mi­en­mo­dell – die Holz­leis­tung fast ver­dop­peln, wobei Tra­ven auch deut­lich macht, wel­chem wirt­schaft­li­chem Druck die Brü­der wie­derum unterliegen.

Daher kür­zen sie auch noch die Löhne und spa­ren erheb­lich Per­so­nal ein. Letz­te­res scheint sich im wei­te­ren Ver­lauf durch­aus zu rächen. Gleich­zei­tig kris­tal­li­siert sich ein Kern von Über­durch­schnitt­li­ches leis­ten­den und klu­gen india­ni­schen Arbei­tern her­aus, die sich gegen­sei­tig stüt­zen, ihre Lebensum­stände erleich­tern, aber schon den Keim für den spä­te­ren Auf­stand legen. Dazu gehört, dass den Antrei­bern in beson­ders üblen Momen­ten ein Spott­lied gesun­gen wird, was denen in einer Atmo­sphäre wach­sen­der Span­nung ordent­lich Unbe­ha­gen berei­tet – wer wagt es zu sin­gen und wo ist der Sänger?

Zum Kern der Caoba-Arbei­ter gehö­ren Celso und And­res, die auch dafür sor­gen, dass viele Indios nur mini­mal ein­kau­fen, um so ihre zusätz­li­chen Schul­den gering zu hal­ten, zumal sie auch ihre eige­nen Werk­zeuge auf Schul­den kau­fen müs­sen. Neu in der Kolonne ist der 10-jäh­rige (!) Vin­cente, des­sen Mut­ter sich für das Begräb­nis ihres Man­nes so ver­schul­den musste, dass sie das Kind in den Dienst in der Mon­te­ria schi­cken musste. Vin­cente wie­derum wird durch das Sys­tem der Aus­beu­ter so in ein Schul­den­konto getrie­ben, dass er eigent­lich 10.000 Jahre zum Abtra­gen arbei­ten müsste, ursprüng­lich betrug seine Schuld 30 Pesos!

Vin­cen­tes Lebens­um­stände ver­schlech­tern sich durch die drei üblen Brü­der als neue Mon­te­ria-Besit­zer dras­tisch, dabei ist er noch ein Kind, dass seine Mut­ter, seine Fami­lie, seine Gebor­gen­heit ver­misst. Arbei­ten kann er nur als »buyero«, als Och­sen­trei­ber, mit deren Gespan­nen die schwe­ren Tro­zas durch den Dschun­gel, den Schlamm der »Wege« zum Abtrans­port über den Fluss gezerrt wer­den. Vin­cente wird von And­res in Obhut genom­men und der erteilt ihm, dem Indio, einen wesent­li­chen Rat: Lern Spanisch!

Tra­ven beein­druckt mit vie­len Details, wie tage­lang Grä­ben gesucht und nutz­bar zum Troza Trans­port gemacht wer­den, wie die Mache­te­ros Wege frei­schla­gen; wie Beiß­flie­gen, Zecken, Wür­mer, Maden Men­schen und Tie­ren das Leben in der Per­ma­nent-Sauna des Dschun­gels zur Hölle machen.

Wie ein Mache­tero von einer Schlange gebis­sen wird und trotz Bein­am­pu­ta­tion – ohne Betäu­bung – per Baum­säge qual­voll stirbt. Die Schil­de­rung der Dschun­gel­hölle ist ein­fach eindrucksvoll.

TravenBild-buch
B. Tra­ven; mut­maß­li­ches Pass­bild aus den zwan­zi­ger Jah­ren. Aus dem Buch »Brü­cken nach Mexiko«

Die rich­tige Würze bekommt der Roman mit Anmer­kun­gen wie: In einem ande­ren Wirt­schafts­sys­tem würde man unter die­sen Bedin­gun­gen auf Maha­go­ni­holz ver­zich­ten. Oder: »Es kann ja auch kein Krieg geführt wer­den, ohne dass man den Men­schen ver­sklavt, uni­for­miert, und sie zu stum­men, wider­stands­un­fä­hi­gen Objek­ten idio­ti­scher oder bru­ta­ler Vorge­setzter herabwürdigt.«

Die Detail­kennt­nisse des Autors (sofern man allem trauen darf, was er schreibt) sind unge­heuer, unter welch grus­li­gen Bedin­gungen Maha­goni ange­baut wird. Und wie eine Welt­wirtschaft Null Rück­sicht auf diese Umstände nimmt. Auch die­ser Band lie­fert gute Unter­haltung, Dschun­gel- und Aben­teu­er­ro­man­tik, gleich­zei­tig erschre­ckende Bil­der übels­ter kno­chen­schin­den­der Aus­beu­tung. Ähn­lich wie Band 2 bzw. 3 wirkt er man­cher­orts etwas unfer­tig, den­noch bedeu­tet er wieder

Lehr­rei­ches Lese­ver­gnü­gen in hohem Maß

2019 rezensiert, Abenteuer, B. Traven, Büchergilde Gutenberg, Caoba-Zyklus, Latein-Amerika