
Uschi Brüning
» So wie ich
Autor: | Uschi Brüning (Deutschland, 2019) |
Titel: | So wie ich |
Ausgabe: | Ullstein, 2. Auflage 2019 |
Erstanden: | Buchhandlung Volk, Recke |
Die Autobiografie einer der besten (Jazz-) Sängerinnen, deren Karriere in der DDR begann und sich bis heute fortsetzt. Das muss man schon deswegen mögen, weil es so viele spannende Erinnerungen an von mir heiß geschätzte Musik (Modern Soul Quintett, Panta Rei, Klaus Lenz, Günther Fischer) birgt. Den Blick auf eine im Westen meist unbekannte, aber so lohnenswerte Musikszene ungeheuer weitet, z.B. den Polen Cieslaw Niemen, hier völlig unbekannt.
Diese Biografie macht großen Appetit auf mehr, sei es Musik von der Brüning, ihren Freunden, Kollegen und vor allem ihrer großen Liebe, dem Ausnahme-Saxophonisten Ernst-Ludwig – genannt Luten, Petrowsky – der mit George Gruntz auf Welttourneen war. Und natürlich ihrem für sie extrem wichtigen Musikkollegen, »Manne Krug«, um den sie dann trauerte wie um einen Bruder. – Dabei war der Brüning als Gerichtssekretärin in Leipzig keine Karriere in den Schoß gelegt und der Weg – abseits gängiger Schlagerkriterien – nicht einfach, spannend das nachzuvollziehen. Genauso wie Einschätzungen von ihr: »Russische Lieder sind unglaublich schön, aber sie swingen nicht.«
Ein großer Sprung für sie der Anruf 1969: »Hier ist olle Lenz. Ich hab gehört, du sollst ganz gut sein. Willst Du bei mir anfangen?« Klaus Lenz und seine Big Band, der Name in der DDR, wichtiger Punkt für viele Musikergrößen. Lenz und Brüning, beide in den »Neuen Leiden des jungen W.« von Plenzdorf gefeatured. Dann die schwierige Suche »Tonträger« mit Jazzaufnahmen zu bekommen, selbst in der »Hauptstadt«, also Ostberlin, wo der Fernsehturm als »Renommierpimmel« veräppelt wird. Der wichtige Freiraum für Jazzer beim DDR-Rundfunk mit seinen »Brotjobs«. Nur angerissen werden sollen Stationen ihres langen Musikwegs: Lenz, Günther Fischer, ’73 erste LP, die relative Freiheit der Jazzszene, das verstand die Stasi nicht … Die Jazzwerkstatt in Peitz, die eigene Band, der offenbar ein genuiner Hit mangelte, die Brüning auch zwischen Jazz und Schlager. Die aus Angst zurückgezogene Biermann-Unterschrift, Renft Combo aufgelöst, nie Ausreisepläne, der Wechsel mit Luten zum Free Jazz, ein Sprung!
Treffend ihre Kritik, dass die DDR ihren Bürgern Verhalten und Denkmuster anerzog, die eine freie Entfaltung verhinderten. Kollegen wie die »Lütte«, Angelika Mann, Tamara Danz, 1983: »Frauen im Rock«, Singen vertonter Gedichte von E. Strittmatter, 1986: Internationales Frauenjazzfestival. Der Trost, dass man mit der Wende nicht in so ein großes Loch fiel, wie andere Künstler. 2008 Auftritt mit Georgie Fame, im Westen bleibt sie aber weitgehend unbekannt. Etwas rätselhaft ist ihre (politische) Gewichtung des Jazz in beiden Deutschlands. Ihrer Empörung über Gängelei und perfide Bespitzelung der DDR folgt man. Dabei schildert sie aber selbst immer wieder, wieviel Spiel- und Auftrittsmöglichkeiten es gab und welch heute undenkbar guten Bedingungen. Man wundert sich jedoch sehr über ihre Bereitwilligkeit ausgerechnet für Angela Merkel und deren CDU im Wahlkampf aufzutreten, ebenso die kritiklose Begegnung mit der »Kulturabrissbirne« Roland Koch. Hab’ ich da was verpasst: Koch/Merkel als Förderer des Jazz?
Völlig unkritisch ist die Brüning auch zu Manfred Krug – guter Schauspieler und Sänger, fraglos. Aber auch einer, der in seiner Rolle als »Telekom-Maskottchen« mitverantwortlich für existentielle Verluste tausender Anleger war.
Trotz dieser Kritik spannende Entdeckung und Erinnerungen an im Westen unbekannte Jazz-Musikszenen und -größen.
Sehr entdeckenswert
2019 rezensiert, DDR, Deutschland, Jazz, Klaus Lenz, Luten Petrowsky, Manne Krug, Musik, Ullstein Verlag, Uschi Brüning