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Klippenvag-230

Odd Klip­pen­våg
» Ein lie­bens­wer­ter Mensch

Autor:Odd Klip­pen­våg (Nor­we­gen 2019)
Titel:Ein lie­bens­wer­ter Mensch
Aus­gabe:Albino Ver­lag Ber­lin, 2019
Über­set­zung:Gabriele Haefs
Erstan­den:Im Pan­ke­buch, Berlin
Klippenvag-330

Wie­der ein nor­we­gi­sches Buch, bei dem ich lange geschwankt habe, mag ich es – oder nicht?

Äußer­lich eine simple Geschichte, der erfolg­rei­che Gale­rist Bir­ger im rei­chen Oslo, aus­ge­stat­tet mit 5-Zim­mer Alt­bau­woh­nung sowie Künst­ler- und Mäzen­freun­den. Bir­ger trifft nach mehr als 30 Jah­ren den in der Tele­mar­ker Pro­vinz hän­gen­ge­blie­be­nen, beruf­lich weni­ger erfolg­rei­chen Jugend­ge­fähr­ten Kje­rand, der zur Krebs­the­ra­pie in der Stadt weilt.

Lange hat mich der völ­lig unter­kühlte, gera­dezu bei­läu­fige Erzähl­stil genervt, der das Gale­ris­ten­le­ben völ­lig wider­spruchs­frei und ohne jede Wider­stände auf­tischte (erst die letzte Ver­nis­sage ver­rät Kunst-Lei­den­schaft). Und den deut­lich über 60-jäh­ri­gen Prot­ago­nis­ten ein jugend­lich-abwechs­lungs­rei­ches Sexu­al­le­ben wie Städ­tern um die drei­ßig bescherte. Und wo selbst Kje­rand in sei­ner Tele­mar­ken-Pro­vinz, bes­ten­falls von sei­ner Schwes­ter – aber auch nur gedämpft – Wider­spruch zu sei­ner aus­ge­leb­ten (Homo-)Sexualität ent­ge­gen­schlägt, und das im sprö­den Norwegen!

Womit wir bei dem Wen­de­punkt sind, denn aus dem harm­lo­sen, eher zöger­li­chen Wie­der­se­hen eins­ti­ger Jugend­freunde, aus dem lange tief­ge­kühl­ten Dahin­schlep­pen, ent­wi­ckelt der Autor raf­fi­niert bei­läu­fig eine Lie­bes­ge­schichte zwi­schen den bei­den Män­nern, und was für eine. Die Erzäh­lung, bei der man von Anfang an, ein Bro­deln unter der Ober­flä­che spürt. Von der man sich immer mehr in den Bann gezo­gen fühlt und sich wie­der und wie­der freut, wie es Klip­pen­våg gelingt, eine rich­tig schön schwule Geschichte »gleich­wer­tig« neben all die Hetero-Geschich­ten der Lite­ra­tur stellt, die man Jahr­hun­dert­weise kennt. Die Sexua­li­tät der Män­ner steht jedoch nicht unan­ge­mes­sen im Vor­der­grund, ist aber genauso wie schwule Sex­prak­ti­ken ange­nehm zu lesen­der inte­gra­ler Bestand­teil der schö­nen, aber auch tra­gi­schen Lie­bes­ge­schichte von Bir­ger und Kje­rand. Die ein spä­tes »Coming Out« gera­dezu als Abschluss eines eher stil­len Lebens (Kje­rand) mit­bringt und immer­hin offen­bart, dass es selbst den »gro­ßen« Welt­stadt­ga­le­rist durch­aus noch beschäf­tigt, sein Schwul­sein völ­lig offen auszuleben.

Wobei die Kon­fron­ta­tion der altern­den Prot­ago­nis­ten mit Kind­heit und Jugend fast nur in Bezug auf ihre per­sön­li­che Eros-Ent­wick­lung geschrie­ben wird – pas­send zur Geschichte!

Eine Geschichte, über die man sich zuneh­mend freut und sich mehr davon wünscht, auch wenn man­ches der Umge­bung künst­lich und der Abschluss selt­sam fehl­kon­stru­iert erscheint. Eine sehr nor­we­gi­sche Geschichte über etwas, was nicht jeder als All­tag zu emp­fin­den ver­mag, aber dazu wei­ter ver­hel­fen könnte. Und ein Roman, der es ver­steht, dem Leser männ­li­che Homo­se­xua­li­tät als schö­nen Bestand­teil der mensch­li­chen Gesell­schaft nahe­zu­brin­gen. Trotz klei­ner Män­gel und polarkal­tem Erzähl­stil ein gro­ßes Lob für den Autor für eine

wun­der­schön schwule (Liebes-)Geschichte

2022 rezensiert, Albino Verlag Berlin, Norwegen, Odd Klippenvåg