Odd Klippenvåg
» Ein liebenswerter Mensch
Autor: | Odd Klippenvåg (Norwegen 2019) |
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Titel: | Ein liebenswerter Mensch |
Ausgabe: | Albino Verlag Berlin, 2019 |
Übersetzung: | Gabriele Haefs |
Erstanden: | Im Pankebuch, Berlin |
Wieder ein norwegisches Buch, bei dem ich lange geschwankt habe, mag ich es – oder nicht?
Äußerlich eine simple Geschichte, der erfolgreiche Galerist Birger im reichen Oslo, ausgestattet mit 5-Zimmer Altbauwohnung sowie Künstler- und Mäzenfreunden. Birger trifft nach mehr als 30 Jahren den in der Telemarker Provinz hängengebliebenen, beruflich weniger erfolgreichen Jugendgefährten Kjerand, der zur Krebstherapie in der Stadt weilt.
Lange hat mich der völlig unterkühlte, geradezu beiläufige Erzählstil genervt, der das Galeristenleben völlig widerspruchsfrei und ohne jede Widerstände auftischte (erst die letzte Vernissage verrät Kunst-Leidenschaft). Und den deutlich über 60-jährigen Protagonisten ein jugendlich-abwechslungsreiches Sexualleben wie Städtern um die dreißig bescherte. Und wo selbst Kjerand in seiner Telemarken-Provinz, bestenfalls von seiner Schwester – aber auch nur gedämpft – Widerspruch zu seiner ausgelebten (Homo-)Sexualität entgegenschlägt, und das im spröden Norwegen!
Womit wir bei dem Wendepunkt sind, denn aus dem harmlosen, eher zögerlichen Wiedersehen einstiger Jugendfreunde, aus dem lange tiefgekühlten Dahinschleppen, entwickelt der Autor raffiniert beiläufig eine Liebesgeschichte zwischen den beiden Männern, und was für eine. Die Erzählung, bei der man von Anfang an, ein Brodeln unter der Oberfläche spürt. Von der man sich immer mehr in den Bann gezogen fühlt und sich wieder und wieder freut, wie es Klippenvåg gelingt, eine richtig schön schwule Geschichte »gleichwertig« neben all die Hetero-Geschichten der Literatur stellt, die man Jahrhundertweise kennt. Die Sexualität der Männer steht jedoch nicht unangemessen im Vordergrund, ist aber genauso wie schwule Sexpraktiken angenehm zu lesender integraler Bestandteil der schönen, aber auch tragischen Liebesgeschichte von Birger und Kjerand. Die ein spätes »Coming Out« geradezu als Abschluss eines eher stillen Lebens (Kjerand) mitbringt und immerhin offenbart, dass es selbst den »großen« Weltstadtgalerist durchaus noch beschäftigt, sein Schwulsein völlig offen auszuleben.
Wobei die Konfrontation der alternden Protagonisten mit Kindheit und Jugend fast nur in Bezug auf ihre persönliche Eros-Entwicklung geschrieben wird – passend zur Geschichte!
Eine Geschichte, über die man sich zunehmend freut und sich mehr davon wünscht, auch wenn manches der Umgebung künstlich und der Abschluss seltsam fehlkonstruiert erscheint. Eine sehr norwegische Geschichte über etwas, was nicht jeder als Alltag zu empfinden vermag, aber dazu weiter verhelfen könnte. Und ein Roman, der es versteht, dem Leser männliche Homosexualität als schönen Bestandteil der menschlichen Gesellschaft nahezubringen. Trotz kleiner Mängel und polarkaltem Erzählstil ein großes Lob für den Autor für eine
wunderschön schwule (Liebes-)Geschichte
2022 rezensiert, Albino Verlag Berlin, Norwegen, Odd Klippenvåg