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Hummerland-230

Erik Fos­nes Han­sen
» Ein Hummerleben

Autor:Erik Fos­nes Han­sen (Nor­we­gen 2016)
Titel:Ein Hum­mer­le­ben
Aus­gabe:Kie­pen­heuer & Witsch 2019
Über­set­zung:Hin­rich Schmidt-Henkels
Erstan­den:Im Pan­ke­buch, Berlin
Hummerland-330
Umschlag Bar­bara Tho­ben, Köln – Umschlag­mo­tiv © akg-Images

Eine zu Beginn herr­lich alt­vä­ter­lich wir­kende Geschichte über die Wirts­fa­mi­lie eines aus der Neu­zeit gefal­le­nen Hotels, mit­ten in einer nor­we­gi­schen Berg­welt. Geführt von den Groß­el­tern, die Oma ihren »Wie­ner Schmäh« ebenso wie ihre Ori­gi­nal-Mehl­spei­sen ein­brin­gend. Erzäh­ler ist der jugend­li­che, manch­mal arg zu unbe­tei­ligt wir­kende Sedd, des­sen Name, dunkle Haut­farbe und das Rät­sel sei­ner Eltern für einen roman­lan­gen Span­nungs­bo­gen sorgen.

Geschickt bin­det Han­sen eine inten­sive Mund-zu-Mund-Beatmung, eine tät­schelnde Bank­di­rek­to­ren­witwe, ört­li­chen Stan­des­dün­kel, einem Duz-freund­li­chen exo­ti­schen Koch, Schul­freunde, die Pla­gen des ent­le­ge­nen Orts, die Ent­de­ckung von kar­ton­weise unge­öff­ne­ter Hotel­post, das Auf­tau­chen eines weib­li­chen Gegen­parts zum puber­tie­ren­den Erzäh­ler mit dem Haupt­mo­tiv, des Abstie­ges des alt- und groß­vä­ter­li­chen Hotels, nur stück­weise ent­deckt, zu einer ein­fach dau­er­haft fes­seln­den und immer wie­der schmun­zeln­den Erzäh­lung zusam­men, Chapeau!

Wie dabei puz­zle­weise Erin­ne­rungs­fet­zen an die exo­ti­sche Geschichte von Sedds-Eltern, sei­ner Ent­ste­hung gera­dezu hin­ein schwe­ben, wo min­des­tens fünf Geschich­ten par­al­lel erzählt wer­den, die der Eltern, der Groß­el­tern, der Karo­line, des ver­zwei­felt die Neu­zeit suchen­den Hotels und des mehr­fach wach­sen­den Erzäh­lers, äußerst gelun­gen. Auch die klei­nen nor­we­gi­schen Ein­spreng­sel, »der pure weiße, wei­che Geschmack« des Soft-Ice, die Geschichte vom Inge­nieur Tand­berg (hier als extreme HiFi-Firma bekannt), der Bom­ben­an­schlag in Oslo, der Teil über »Lil­lelord« (Johan Bor­gen), eine Rezep­tio­nis­tin, die Syn­nøve heißt (»Syn­nøve Sol­bak­ken« ist eine der schöns­ten Erzäh­lun­gen des nor­we­gi­schen Natio­nal­dich­ters Bjørn­sterne Bjørn­son), der Streik beim Vin­mo­no­po­let, die Welt der gro­ßen Hotels und Restau­rants schmü­cken die im Kopf des Lesers ent­ste­hen­den Wel­ten. Das gilt auch für den erzäh­len­den Sedd, den die Zeit zwi­schen Abend und Nacht, der Abend­stern, in die Ruhe ver­setzt, sei­ner weit­ge­hend unbe­kann­ten Mut­ter zu geden­ken. Und bemerkt: »Erin­ne­run­gen ver­hal­ten sich wie Schnee­hüh­ner. Auf ein­mal flat­tert eine auf…«

Ein­fälle hat Han­sen: So eine leicht sur­reale, per­ma­nent klau­ende Bank­di­rek­to­ren­toch­ter. Genial die van­da­li­sie­rende jähr­li­che Fete aus­ge­rech­net der nor­we­gi­schen Bestat­ter-Ver­ei­ni­gung, die einer Abriss­bir­nen-Party gleicht. Was letzt­lich zum abschlie­ßen­den Cre­scendo des unter­ge­hen­den Hotel-Fos­sils führt, Hoff­nung auf Neu­be­ginn nicht aus­ge­schlos­sen. Han­sen ist ein wirk­lich guter Erzäh­ler, der eine dichte Atmo­sphäre trotz Schwä­chen des Plots schafft, viele Geschich­ten, ein­fach hüb­sche Dinge sehr leicht­fü­ßig ver­eint, man liest es unge­wöhn­lich gerne. Es ist ein Buch (gut über­setzt!) mit einer Geschichte, in die man sich förm­lich »hin­ein­ku­schelt«, in deren Phan­ta­sie­welt man sich kom­plett ver­träumt, wunderbar.

Hohes Lese­ver­gnü­gen

2022 rezensiert, Erik Fosnes Hansen, Kiepenheuer & Witsch, Norwegen