
Klaus Renft (Hrsg: Hans Dieter Schütt)
» Zwischen Liebe und Zorn
Autor: | Klaus Renft - Hans Dieter Schütt (Deutschland, 1997) |
Titel: | Zwischen Liebe und Zorn |
Ausgabe: | Schwarzkopf&Schwarzkopf, 1997 |
Erstanden: | Lange gesucht und antiquarisch gefunden |

Es gehört geradezu zur Geschichte von »Renft«, dass dieses Buch vom und über den Gründer einer der besten DDR-Rockbands, der Legende, die »Renft Combo«, also Klaus Renft, von Hans Dieter Schütt (HDS) herausgegeben wurde. Schütt war zu DDR-Zeiten einer der Kulturjournalisten, die Bands wie Renft das Leben schwer, die Existenz in der DDR unmöglich gemacht haben, die Leute außer Landes getrieben haben. Und dann sorgt er für dieses Buch, unwahrscheinlicher Kontrast, den man keinem Buchautor abgenommen hätte.
Drei Teile hat das Buch »Zwischen Liebe und Zorn«, was zugleich Titel einer der unvergesslichen Renft-Balladen ist, Text Gerulf Pannach, Musik Peter »Cäsar« Gläser. Erstens ein langes Interview von H. D. Schütt mit K. Renft, zweitens Auszüge aus Renfts Tagebuch und drittens Auszüge aus Stasi-Akten, das sind sind die Textpfeiler.
Vorab noch persönliche Bemerkungen: Als West-Berliner konnte ich alle DDR-Radiosender hören und so die dortige Beat- und Rockmusik verfolgen und genießen. In der Debatte, wer die größte DDR-Gruppe sei, Puhdys oder Renft schlug ich mich eindeutig auf die Seite der Combo. Ihre Melodien und balladenhafte Texte (Kurt Demmler und Gerulf Pannach) drückten traumgleich Gefühle des Aufbruchs, der Hoffnung auf ein anderes, freies Leben, ohne Ausbeutung und Krieg, auf einen offeneren und menschlicheren Sozialismus aus. Gänsehaut feeling bei Renft-Auftritten auf den Weltjugendfestspielen 1973 in Berlin (Ost), ihre Unterstützung Chiles gegen die Putschisten mit »Chilenisches Metall«, »Ketten werden knapper« und »So starb auch Neruda«.
Renfts waren gleichzeitig so wichtig, weil sie mit für den Durchbruch deutscher Texte im Rock sorgten, kongenial mit ihrer Musik verbunden – und den Gefühlen der Hörer, großes Lob von einer ganzen Generation. Deutsche Texte durchzusetzen, war eine historische Leistung der DDR-Rockmusik insgesamt, entstanden auch aus den staatlichen Vorgaben.
So gingen die Türen auf in eine andere Welt – so überschreibt HDS seine biografischen Gespräche mit Renft. Die auch ein persönliches Bild Klaus Renfts aus einem thüringischen Dorf, später Leipzig, der dazu bemerkt, S. 33: »… Deshalb heißt es von Künstlern manchmal, die hätten sich die Kindheit in die Hosentasche gesteckt und wären weggerannt.«
Und auch mit zauberhaften Fotos die Wandlungen des Klaus Renft vom »ernsthaften«, klassischen Bassisten zum Rockmusiker, zum Bandleader zeigen. Mit Auftritten schon 1959, mit Rock ’n’ Roll die Funktionäre ärgern, aber die Leute zum Tanzen bringen. Ein Hauch von Underground wabert aus einer frühen Band. »Heiße« Titel werden dann oft nur nach Ende des offiziellen Teils eines Auftritts gespielt.

Sänger Thomas »Monster« Schoppe bläst den Funktionären Sturm um die Ohren
Die Gespräche zeichnen die Entwicklung der Gruppen Renfts aus Leipzig nach, die keineswegs von Anfang an politisch waren, das wurden sie erst durch die Engstirnigkeit und Verbotspolitik großer Teile der Staatsbürokratie. Denen großer Widerspruch durch einen großartigen, kultur- und jugendoffenen Artikel im damaligen Staatsorgan ND entgegen kam (im Buch enthalten!). Was Renfts Gruppe, die Butlers und anderen Beatgruppen half. Und was sich in den Folgejahren zu Ärger aus Parteizentrale aber Unterstützung lokaler Kultur-Offizieller entwickelte. So auch ein wahrlich ekelhafter Text in der LVZ Leipzig.
Später, so Renft, in den achtziger Jahren, spielte es im Apparat überhaupt keine Rolle mehr, was die Jugendlichen interessierte, sondern es wurde der agitatorische Erziehungsprozess in den Vordergrund gestellt.
Die frühe Gruppe Renfts, »Die Butlers«, trotz Konzerterfolgen und erster Platte 1965 verboten, zu lange Haare, zu unbotmäßiges Auftreten, tiefstes Unverständnis der alternden Kulturbürokraten gegenüber den Aufbruchsgefühlen einer Generation.
Das Butlers-Verbot führte mit zu dem »Leipziger Beataufstand« von 1965, der seinen literarischen Niederschlag in Erich Loests »Es geht seinen Gang oder die Mühen der Ebene« findet. Junge Leute, die einfach ihr Ding machen wollen, ihre Gefühle in einer neuen Musik finden, stoßen auf eine verständnislose unbarmherzig knüppelnde, brutale Staatsmacht. Mit Zwangsarbeit im Tagebau als Folge. Eine Macht, die so selbst dafür sorgt, dass ihr Teile einer Generation verlorengehen, was am Ende auch zum Untergang des ganzen Staates gehörte.

Unten links: Peter »Cäsar« Gläser
Unten rechts: Klaus Renft
Es folgte ein ewiger Kleinkrieg mit FDJ und Offiziellen um Auftritte, Lieder und Lautstärken. Im Buch mit geradezu prickelnden Berichten z. B. von einem Konzert in Berlin illustriert
Nach den Butlers kam die Renft Combo, 1967 gegründet, wechselnde Besetzungen, 1975 Auftrittsverbot. Zu zwei LPs brachten sie es in der DDR, die geplante dritte fiel dem Verbot zum Opfer. Im Buch dazu schöne, tiefgreifende Gedanken anlässlich der nicht produzierten 3. Platte: »Varianten der Einsamkeit«
Nach der Wende mindestens 8 CDs mit Konzerten, Balladen, alten und neuen Titeln.
Es war eine eher anarchische, fröhliche undisziplinierte Truppe, dem Trunke nicht abgeneigt. S. 88, wir »Renfts waren zum Schluss 6 Musiker mit 7 Meinungen.«
Sie waren so uneinig, dass sie nur durch Druck vom Staat zusammengehalten wurden.« Und (S.12): »Die Gruppe Renft der letzten Jahre … war zuvörderst eine brachiale und trinkfeste Truppe.« Kurioserweise gehörten zu den Renft Fans gerade viele Stasileute.
Viele Differenzen in der Gruppe, S. 92, »Dann aber geriet Gerulf Pannach [Texter] unter den Einfluss von Wolf Biermann, vielleicht war dies das eingentliche Ende von Renft«.
Der war mit den textlichen Provokationen Pannachs nicht einverstanden, wollte lieber Nischen statt offenem Streit und konnte Biermann (wie so viele) wenig abgewinnen. Schöne Worte zur Begegnung Künstler/Publikum, zitiert aus »Alexis Sorbas«.
Leider zeigt das Gespräch Renft-HDS bald einen großen Zeitsprung ins Jahr 1975, dem Ende (nicht nur) von Renft.
Streit, unter anderem mit Thomas »Monster« Schoppe, dem prägenden Sänger der Gruppe, der ihm, Renft, die Gruppenleitung streitig machen wollte.
Letzte DDR-Konzerte standen schon unter unheimlichem Druck. Das faktische Verbot 1975, die Ankündigung von Renft heimlich mitgeschnitten, im Buch abgedruckt, ein Fanal engstirnig-peinlicher Kulturverbotspolitik. Die Heirat, Schikanen bis zur DDR Ausreise, Ankunft in West-Berlin, eine so andere Welt.

Ein schweres Ankommen im Westen, der ZDF-Film »Seitenwechsel« dazu, benutzt von Biermann und Konsorten. Im Gegensatz zu Renft hat Peter »Cäsar« Gläser in der DDR Erfolg mit der Gruppe »Karussel«, auch mit Nachfolgern.
Das Leben ist im Westen nicht leicht für Klaus Renft 9 Jahre als Inspizient und Tonmeister, Ost-West-Missverständnisse, Fehlversuche zur Band-Gründung, S. 138 »In dieser fremden Welt bin ich nicht klar gekommen.« Vernichtendes über die kulturfremde tumbe Konsumokratie des Westens, S. 239.
Die Wende ’89 brachte wehmütige Revival-Auftritte (… nach all den Jahren …) und CDs, eine Erneuerung der Gruppe gelingt nicht, Streit über Streit, auch um Namensrechte; dennoch Auftritte mit Cäsar und Gästen. Erinnerung zu 1975: »Wir wären damals, in diesem Jahr 1975, ohnehin auseinander geknallt. Die Konfrontation mit dem Staat ging eigentlich nur um die Frage, wer hält länger aus.« (S. 151). Anders drückt es der Lyriker Ralph Grünenberger aus: »… weil die offizielle Abkapselung zum Auseinanderbrechen von innen führte …«
Immerhin, 1994 erfolgte eine Entschuldigung von Lothar Bisky auf einem PDS Parteitag. Was HDS und Renft (ab S. 165) ob ihres begrenzten Werts sehr differenziert beleuchten. Die Stasi-Berichte, zwischen ekelhafter Schnüffelei und unfreiwilliger Komik, manches rührend doof, den Band-Namen Butlers falsch geschrieben als »Bathlers«. Und Spitze der Widerwärtigkeit im Stasi-Bericht zu Renft:»… er ist politisch und moralisch verkommen.«
Dafür Spitzel-Berichte selbst nach der Übersiedlung nach West-Berlin. Das Buch glänzt durch Nachbetrachtungen, so S. 124: »In der einen DDR haben wir gelebt, die andere haben wir in der Zeitung gelesen und von der Dritten haben wir geträumt.« Oder »Monster« Thomas Schoppe (Sänger von Renft) in einem TAZ-Artikel, S. 154: »Herrgott, ich bin doch ein Kind der DDR.« Und Renft S. 233: »Man wurde genau von den Leuten fertig gemacht, zu denen man ursprünglich mal gehören wollte.«
Was ihn nicht an einer kritischen Einstellung gegenüber dem Leben auf der anderen Seite der Mauer hindert, S. 234: »Besitz ist hier in dieser Bundesrepublik der wichtigste Schutz der Person.« Oder S. 287: »Im Osten ist es die Ideologie gewesen, im Westen ist es das Geld.« – Ein Satz den man in Varianten in den Büchern vieler ehemaliger Künstler aus der DDR findet.

Unter 100.000 Zuhörern auch der Rezensent
Foto: Hajo Obuchoff
https://www.spiegel.de/fotostrecke/weltjugendspiele-in-ostberlin-fotostrecke-107377.html
Andere sagten über Renft, er sei ein Leutesammler, ein Typ mit Gefühl für Typen. Seine Tagebücher wirken zerrissen auf mich, offenbaren Privates, »… bin von der VP [=Volkspolizei] besoffen in der Otto-Schill-Straße aufgefunden worden.« (S. 226).
Aber ein klares Urteil: »Der langweilige Mensch ist das Schicksal dieses Staates.«
Die Zeitsprünge im Tagebuch oft verwirrend für den Leser. Renft selbst nennt es Fragment und bekennt, dass er sich von der Gruppe Renft nie lösen konnte: »Eine immer gleiche Seelenlage schimmert durch die Folien der Zeit. Ich lebte nur in Bezug zur Band, zur Musik zum Traum vom ewigen Auftritt.« (S. 262).
Dann gibt es Näheres von und zu den Bandmitgliedern Cäsar Gläser und Gerulf Pannach, Lebens – und Wirkungsläufe nach ’89. P. Gläser über nicht von Renft eingelöste Ansprüche zu seinen Gruppen.
Und schließlich drehen sich die Rollen, Klaus Renft interviewt den Interviewer HDS, besonders über dessen Rolle in der Kulturverbotspolitik der DDR, über seinen Artikel in der damaligen Jungen Welt, Grundlage für Verbote, Zensur und Schikanen. Und wie HDS als Journalist heute arbeiten kann und warum er das beim ND tut.
Eine biografische Zeitleiste und eine Discografie folgen. Mit Angaben zu allen Liedern, Textern und Komponisten der beiden DDR-Alben, »Klaus Renft Combo«, 1973; sowie »Renft«, 1974.

Das Buch hätte zweifelsohne eine bessere Edition und mehr Gestaltung verdient. Nur in heutigen Zeiten muss man ob seiner Existenz froh sein, der hohe antiquarische Preis verdeutlicht das.
Ein Buch mit Erinnerungen beginnend Anfang der sechziger bis ca. dem Jahr 2000. Über Musik eines Aufbruchs, den Durchbruch deutscher Texte im Rock, über Rock »Made in GDR«, mutige und stumpfe Kulturpolitik im anderen Deutschland, was sie mit ihren Opfern gemacht hat. Und ein Buch, was mit dem Klang der Balladen der Renfts träumen lässt, was war und was hätte werden können.
PS 1:
Es gibt nicht die eine Webseite zu den Renfts, es gibt:
PS 2:
Ich hätte liebend gerne einen der fantastischen Texte der Renfts wieder gegeben. Ich hatte aber den Eindruck, dass dies aufgrund der Streitereien um die Rechte ein arg mühselges Unterfangen werden würde. Und verweise daher auf https://www.renft.de/
Wichtig zur Rockmusik der DDR
2022 rezensiert, DDR, Hans Dieter Schütt, Klaus Renft, Popmusik