
Sue Tate
» Pauline Boty – Pop Artist and Woman
Autorin: | Sue Tate |
Titel: | Pauline Boty – Pop Artist and Woman |
Ausgabe: | Wolverhampton Art Gallery & Museums (1. Januar 2013) |
Erstanden: | antiquarisch |
Pauline Boty (1938–66) lebte in der Swing-Szene Londons der 60er Jahre. Sie war eine sehr talentierte Künstlerin, sie vertrat den feministischen Standpunkt, daher ihre Gemälde und Collagen aus weiblicher Perspektive. So bereicherte sie das Genre »Pop«, das als männlich dominiert galt. Die Kunsthistorikerin Sue Tate stellt uns in ihrem Buch »Pauline Boty: Pop Artist and Woman« die Künstlerin vor, es ist die erste Studie über diese Künstlerin, die im Alter von 28 Jahren an Krebs gestorben ist. Ihre Werke verschwanden zunächst in der Versenkung, nämlich in der Scheune ihres Bruders. Zufällig wurden ihre Werke wiederentdeckt und damit in das kulturelle Blickfeld gerückt. Das Buch ist reich illustriert, so dass man auch nachvollziehen kann, dass Ali Smith in ihrem Roman »Herbst« der Künstlerin Pauline Boty ein liebevolles Denkmal gesetzt hat. Sue Tate betont, dass die Künstlerin mit ihren Arbeiten die Sexualpolitik der 60er Jahre kritisierte. Pauline Boty gehörte der Neuen Linken der Nachkriegszeit an, so erwähnt sie in ihren Werken die kubanische Revolution, die Ermordung Kennedys, den Vietnamkrieg und weitere politische Aspekte der Zeit.
Ihre Ausbildung begann Pauline Boty am Royal College of Art, hier studierte sie Glasmalerei. Eigentlich wollte sie die Malerei Klasse besuchen, aber hier wurden deutlich weniger Frauen aufgenommen. Am Royal College of Art gab es nicht einmal eine Toilette nur für Frauen. Ab sofort wollte sie gegen diesen institutionellen Sexismus vorgehen und wurde damit zur Mitbegründerin der britischen Pop-Art-Bewegung, sie war in Großbritannien die einzige weibliche Pop-Art-Künstlerin. Ihre frühen Gemälde und später ihre Collagen waren gekennzeichnet von einem weiblichen Blick und zelebrierten die weibliche Sexualität. Mit ihrer Darstellung der selbstbewussten Weiblichkeit, mit der sie offen Kritik an der Männerwelt übte, kündigte sie schon den Feminismus der 70er Jahre an. Und das auf sehr humorvolle Art und Weise.
Aus ihrer großen Anzahl von Werken habe ich zwei Collagen herausgesucht, die auch auch von Sue Tate ausführlich beschrieben werden, aber gerade den Blick der Künstlerin auf die Männerwelt deutlich machen, wie schon der Titel sagt: It’s A Man’s World I und II (1965).

Pauline Boty hat für diese Collage unterschiedliches Material verwendet: Farben, Fotografien und Karton. Jetzt übernehme ich die Beschreibung aus dem Roman »Herbst« von Ali Smith zu dem Werk von Pauline Boty »It’s A Man’s World I«: »Eins war ein Gemälde mit Darstellungen von Männern aus früherer und heutiger Zeit. Oben sah man ein Flugzeug der US-Airforce vor blauem Himmel. Unten war in Mischfarben das Attentat auf Kennedy in dem Auto in Dallas zu sehen, links und rechts daneben in Schwarzweiß die Köpfe von Lenin und Einstein. Über dem Kopf des sterbenden Präsidenten waren ein Matador, eine dunkelrote Rose, lächelnde Männer in Anzügen und zwei von den Beatles«. (Ali Smith, Herbst, S. 160).
»It’s A Man’s World II«: »Das andere Bild bestand aus einem breiten Streifen mit gemaltem Fleisch vor blau-grüner englischer Landschaft, in der man im Hintergrund sogar einen palladianischen Bau erkennt. Der Streifen in der Mitte bestand aus aneinandergereihten Ansichten halbnackter Frauen in lasziven und koketten Pornoheft-Posen. Das Zentrum der neckisch-verschämten Posen aber bildete – ganz unironisiert – direkt und frontal gezeigt, der Körper einer nackten Frau, am Kopf und an den Knien abgeschnitten.« (Herbst, S. 161). Die Protagonistin dieses Romans möchte über dieses Werk ihre Semesterarbeit schreiben. Der männliche Tutor lehnt dies jedoch ab, weil er nicht erkennen will, dass es einen Unterschied macht, ob diese Collagen von einer Frau oder einem Mann hergestellt wurden.
»Ihre Arbeit war so mutig, so ungeheuerlich, so ungewöhnlich und sie hat die Erwartungen an die Geschlechter so erschüttert, dass die Leute damit nicht klarkamen«, sagt Sue Tate in einem Interview. Quelle
Pauline Boty wurde in der Londoner Szene sowohl geliebt, als auch gefürchtet, zum einen, weil sie das sexuelle Vergnügen von Frauen feierte, zum anderen aber die Stereotypen der Zeit in Frage stellte. Auch mit ihrer Weitsicht kündigte sie den Feminismus der 70er Jahre schon an, so die Kunsthistorikerin Sue Tate.
»Ihre Metaphern sind äußerst wirkungsvoll – feministische Wut gemischt mit Heiterkeit«. Quelle

Sue Tate betont jedoch auch, dass Pauline Boty sowohl in der Kunstgeschichte als auch in der feministischen Geschichte eher an den Rand gedrängt oder sogar ausgeschlossen wurde. Warum dieses kulturelle Schweigen? Sue Tate beantwortet die Frage so: Im Kontext der Postmoderne und der Entwicklung des feministischen Denkens sprechen die Werke von Pauline Boty ein zeitgenössisches Publikum an, dass sich mit Sex, der immer mehr zum medial inszenierten Konsumartikel wird, auseinandersetzt.
»Feministische Wut gemischt mit Heiterkeit«
Margret Hövermann-Mittelhaus

2024 rezensiert, Ali Smith, Feminismus, Kunst, Pauline Boty, Wolverhampton Art Gallery & Museums (1. Januar 2013)