
Bertha Züricher (Matthias Fischer Hg.)
» Aus dem Kaleidoscop meines Lebens
Autorin: | Bertha Züricher, Matthias Fischer (Hg.) |
Titel: | Aus dem Kaleidoscop meines Lebens |
Ausgabe: | Hier und Jetzt Verlag Zürich 2022 |
Erstanden: | antiquarisch |
Autobiografien lese ich immer wieder gerne, vor allem wenn ich der Frage nachgehen kann: War die Berner Malerin Bertha Züricher (1869 – 1949) eine Feministin? Die Antwort will ich nicht gleich verraten, sondern mich auf ihre Autobiografie »Aus dem Kaleidoscop meines Lebens« beziehen.
Bertha Züricher ist mit drei Brüdern und einer Schwester aufgewachsen. Das Elternhaus ist als liberal, aber vor allem als kulturinteressiert zu beschreiben, auch ihre Mutter war eine Malerin und Bertha ihre beste Schülerin. Bertha malte nicht nur leidenschaftlich gerne, auch das Bergwandern fand ihr Interesse und auf diesen Wanderungen sind viele ihrer Werke entstanden. Die Hochgebirgsmalerei ist eines ihrer Kennzeichen, denn sie war von der hochalpinen Landschaft fasziniert. Das Besondere ist nun, dass die Hochgebirgsmalerei den männlichen Künstlern zugeordnet wurde, Bertha Züricher ist hier eine große Ausnahme. In ihrer Biografie beschreibt sie, wie sie bepackt mit Staffelei, Skizzenblock, Rucksack im Hochgebirge unterwegs war. Ängste hatte sie keine. Hier entstanden ihre Gemälde, Aquarelle oder Skizzen in leuchtenden Farben, die ihre Verbundenheit sowohl mit der Natur als auch den Menschen zeigen. Einige dieser Bilder sind als Reproduktionen im Buch zu finden.
Um nur für ihre Kunst leben zu können, verzichtete sie auf Ehe und Kinder. »Ich dachte mir, als Künstlerin sei es meine erste Pflicht, diesem meinem aus innerem Müssen erwählten Beruf voll und ganz anzugehören und keine Konzessionen zu machen.« (S. 60). Sie konnte von ihrer Kunst leben – mal gut, aber auch mal weniger gut, denn die Einkünfte waren unregelmäßig. Nachdem sie sich entschieden hatte, ihre Bilder selbst zu vertreiben, ging es ihr finanziell besser, sie wurde zur »Unternehmerin in eigener Sache«. Vielleicht findet sich hier schon eine feministische Ader?

Auch der Männer musste sie sich immer mal wieder erwehren, wenn diese als Kunsthändler glaubten, sie würden mit dem Verkauf der Kunstwerke von Bertha Züricher auch Rechte auf die Künstlerin erwirken. »Ich erschrak und wurde vielleicht ein wenig unliebenswürdig, als ich ihm antwortete, ich hätte geglaubt, dass er sich nur für meine Kunst interessiere.« (S. 112). Auch in einen Kunstverein, der von Männern dominiert war, aufgenommen zu werden, bereitete Schwierigkeiten. Bertha Züchricher wollte zunächst nur diskutieren, ob Künstlerinnen nicht einfach aufgenommen werden können. Der Künstler Ferdinand Hodler, der tonangebend war, antwortete, »er wolle nichts mit »den Weibern« zu tun haben.« (S. 165). Hat er die Frauen vielleicht als Konkurrenz begriffen?
Bertha Züricher hat viele Reisen unternommen, in Paris und Bern gelebt, sich mehrere Wochen in Algerien aufgehalten und auch in Norddeutschland, in Worpswede. Auf dem Barkenhof hat sie den Künstler Heinrich Vogeler kennen gelernt, den »Edelkommunist« (S. 175). Von seinem sozialen Engagement war sie begeistert, denn Heinrich Vogeler hatte eine große Anzahl kriegsgeschädigter Kinder auf dem Barkenhof aufgenommen.
Jetzt will ich weiter ihre feministische Linie verfolgen. Bertha Züricher organisierte 1928 die erste schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit (SAFFA). Im Jahr zuvor hatte sie am Kongress des Exekutivkomitees der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit in Genf teilgenommen und im Jahr 1932 führte sie ihre Reise nach Algier zur Internationalen Tagung zur Besserstellung der mohammedanischen Frau. Hier in Algerien entstanden viele Aquarelle, die sie Monate später in der Kunsthalle Bern ausstellte.
Jahrelang, so betont sie, habe sie »der Gedanke an einen kommenden Krieg, bis er dann Wirklichkeit geworden, nicht losgelassen.« (S. 209). 1933 fuhr sie zum Friedenskongress nach Amsterdam, hier waren jedoch wenig Schweizer vertreten, weil der Kongress in den Ruf einer kommunistischen Kundgebung gerückt war. Aber Bertha Züricher war anwesend. »Aus Deutschland aber kamen etwa zweitausend Teilnehmer hinüber, die alle Gegner des Nationalsozialismus waren und auch leidenschaftlich dagegen auftraten. Ich fürchte, es leben heute nicht mehr viele davon.« (S. 231).

Wie wir sehen, war Bertha Züricher eine anerkannte Künstlerin, aber diese Stellung als Frau musste sie sich auch erkämpfen, daher ist es völlig logisch, dass sie politisch und feministisch unterwegs war.
»Bertha Züricher stand immer mal wieder vehement und öffentlichkeitswirksam für ihre Rechte ein und bezeichnete sich selbst als Feministin – eine zu ihrer Zeit noch sehr ungewöhnliche Haltung.« (S. 70).
Man muss ihren Lebensweg nachverfolgen in der sehr gut recherchierten Autobiografie!
Sehr lesenswert!
Margret Hövermann-Mittelhaus
2025 rezensiert, Bertha Züricher, Emanzipation, Feminismus, Friedenskongress Amsterdam, Hier und Jetzt Verlag Zürich, Künstlerin, Schweiz