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general

Georgi Wla­di­mow
»Der Gene­ral und seine Armee

Autor:Georgi Wla­di­mow (Russ­land, 1997)
Titel:Der Gene­ral und seine Armee
Aus­gabe:Welt­bild nach­Volk und Welt, 1997
Erstan­den:Anti­qua­riat Mar­ten, Schön­hau­ser Arca­den, Ber­lin-Prenz­lauer Berg

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Es brauchte wohl 50 Jahre und das Ende der Sowjet­union, um das Bild des 2. Welt­kriegs aus rus­si­scher Sicht so gegen den Strich zu bürs­ten; noch deut­lich schär­fer als z. B. bei Gra­nin (»Mein Leut­nant«). Dies gelingt Wla­di­mow anhand der Ge­schich­te eines fik­ti­ven Sowjet­ge­ne­rals gera­dezu packend ! Wobei m.E. diese phi­lo­so­phisch-psy­cho­lo­gi­sche Betrachtungs­weise die­ses Krie­ges durch div. Gene­räle ihre Gren­zen hat. Meis­ter­haft und den­noch für mich un­glaubwürdig die ver­mu­te­ten Refle­xio­nen des Nazi-Gene­rals Gu­derian in sei­nem Quar­tier in Jas­naja Pol­jana (Tol­stois Gut). Den­noch, sein Sin­nie­ren über die rus­si­sche Weite, die Seele des Lan­des ver­knüpft mit Tol­stois Krieg und Frie­den – das hat etwas. Sehr gut, wie die wider­li­che Krake Berija & Co cha­rak­te­ri­siert wird, wie »Smersch« (KGB-Spio­na­ge­ab­wehr) mit sei­ner Art, über­all Volks­feinde zu wit­tern (seit Sta­lins Auf­stieg der wider­wär­tigste Zug des sowje­ti­schen Sys­tems), die halbe Umge­bung des sowj. Gene­rals zu Spio­nen macht, nur ent­setz­lich wirkt. Inter­es­sant die Reihe des Autors: Sta­lin-Chrust­schow-Bre­sch­new, die letz­ten bei­den Ukrai­ner. Befrem­det hat mich der Ansatz Feld­züge und Opera­tionen der roten Armee als Ergeb­nisse per­sön­li­cher Feh­den dar­zu­stel­len, das hieße, deren Ein­fluss zu überhöhen.

Wirk­lich sehr gut, die Refle­xio­nen über den von Stalin/Berija ermor­de­ten Mar­schall Tuchat­schewski (der Sta­lins Posi­tion gefähr­den konnte) und den gera­dezu in die KGB Falle gelockte über­aus popu­läre Fern­ost-Mar­schall Blü­cher. M.E. frag­lich, ob die Kla­gen über die Bru­ta­li­tät der Sperr­ab­tei­lun­gen und Kriegs­gerichte der Roten Armee so rich­tig sind. Viel dif­fe­ren­zier­ter erscheint das Urteil über Mar­schall Shu­kow, »Er war so gross, weil er den Satz »Es tut mir leid« nicht kannte.

Bemerkens­wert der Dia­log des Roman-Gene­rals im KGB Gefäng­nis, wo er sei­nen Mit­in­sas­sen fragt, ob es dem KGB nicht genü­gen sollte, einen ein­zi­gen umzu­brin­gen und damit Tau­sende das Fürch­ten zu leh­ren. Er erhält zur Ant­wort, dass die Men­schen kaum Leh­ren aus der Geschichte zie­hen und man ihnen Leh­ren immer wie­der ein­bleuen müsse. Das Buch ist auch ein gutes Stück Ab­rechnung mit den Unta­ten der GPU, die dop­pelt unheim­li­che Macht des NKWD, (Sarg­na­gel der UdSSR), das ist ein mit­nich­ten abge­schlos­se­ner Pro­zess. Dazu gehört die Ein­ord­nung von Sta­lin als Igno­rant und Deser­teuer, der (im Juno ’41) »ganze 11 Tage das Kom­mando nie­der­ge­legt hatte.«. So wird auch die andere (als die bis­her offi­zi­elle) Geschichte der Ein­ge­kreis­ten und Zurück­ge­gan­ge­nen erzählt, und dif­fe­ren­ziert auf die kom­pli­zierte Geschichte der Wlas­sow-Armee (Über­läu­fer) ein­ge­gan­gen, die ’41 zu den Ret­tern von Mos­kau gehörte. Auf­räu­men mit sowjet. Legen­den heißt z.B. »Wie die Zünd­kap­sel in einer Gra­nate bestand aber nur ein klei­ner Teil der Armee aus sol­chen Leu­ten, die gerne kämpf­ten. Ohne sie hätte der Krieg nicht län­ger als 3 Tage gedau­ert.« Und symp­tomatisch trau­rig das Fazit des alten Sowjet-Gene­rals am ehe­ma­li­gen Kriegs­schau­plät­zen: »Nichts haben wir ver­än­dert, nur wir selbst haben uns verändert.«

Nach­denk­lich, phi­lo­so­phisch und psy­cho­lo­gisch, span­nend, das Beste, was ich seit lan­gem aus rus­si­scher Sicht über den 2. Welt­krieg gele­sen habe:!

Hoch­in­ter­es­sant

2. Weltkrieg, 2017 rezensiert, Georgi Wladimow, KGB, Rote Armee, Russland, Schukow, Volk & Welt Berlin/DDR