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Heinckel

Ernst Hein­ckel
» Stür­mi­sches Leben

Autor:Ernst Hein­ckel (Deutsch­land, 1956)
Titel:Stür­mi­sches Leben
Aus­gabe:Euro­päi­scher Buch­club 1956
Erstan­den:Anti­qua­risch vom Land­buch­han­del Kross

Heinckel

Ich mag Bio­gra­fien und Men­schen die Neues, Unge­wohn­tes, bis­her Un­bekanntes leis­ten. Daher die­ser gut les­bare Band, der zwei­er­lei ver­mit­telt: Atmo­sphäre + Leis­tun­gen des deut­schen Flug­zeug­bau­pioniers, des erfolg­rei­chen Unter­neh­mers Ernst Hein­ckel. Den Ein­deck­e­r, das Gan­z­­me­tall-Flug­­­zeug, Flug­- und Tauch­boote, Geschwind­keits­re­korde, ein­zieh­bare Fahr­werke, Pre­mieren im Dü­sen­an­trieb (bereits 1939!). Aber auch wie ein Tech­no­krat sich be­ding­ungs­los zum wohl­ha­ben­den Rüs­tungs­knecht der Nazi­bande macht, ih­n­en -als or­dens­geschmückter »Wehr­wirt­schafts­­führer« und Par­tei-Mit­­glied- ein furch­ba­res Werk­zeug nach dem ande­ren zum Völ­ker­mord lie­fert. Dass er Zwangs­arbeiter, KZ-Häf­t­­linge aus­beu­tet (im Buch ver­schwie­gen) und bis zum Tode stolz auf sein Werk war, auch mit mas­si­ven Rüstungs­exporten nach China, Japan und die Tür­kei. Dass sein angeb­lich so mus­ter­haf­tes Flug­zeug­werk in Ora­ni­en­burg Hort schlimms­ter Aus­beu­tung wurde und die Stadt und das Umland sich heute noch über die Hin­ter­las­sen­schaf­ten (Bom­ben, Boden­ver­seu­chung) »freuen« dür­fen. – Dass er nie den Hauch einer Ent­schul­di­gung geäu­ßert hat, son­dern nur fünf ta­ten­lose Jahre von 1945-49 bedau­ert, vom »Ab­wehr­kampf im Osten« faselt und die Entnazi­fizierung als das Werk von »nicht-deut­schen Ideo­lo­gen … Oppor­tu­nis­ten und Sumpf­blüten der Nieder­lage« denun­ziert. Oder schwers­tens die Fehl­ent­wick­lung der Nazi-Luft­waffe bedau­ert, die kei­nen ech­ten Fern­bom­ber ent­wi­ckeln ließ, und man daher nicht ganz Großbritan­nien bom­bar­die­ren konnte, eben­so­we­nig wie die Alli­ier­ten Schiffs­kon­vois aus der Luft anzu­grei­fen, oder die (ver­la­gerte) sowje­ti­sche Rüs­tungsindustrie im Osten der Sowjet­union zu bekämp­fen. Mit Pro­duk­ten von Hein­ckel wäre dies mög­lich gewe­sen, wird er nicht müde zu beto­nen. – Die­ser Mann hätte 1945 zusam­men mit sei­nen Spieß­ge­sel­len auf die Ankla­ge­bank in Nürn­berg gehört, aber das gilt für so man­chen, der in der deut­schen Bun­des­re­pu­blik Kar­riere machte.

Immer­hin lehr­reich ist es, in Hein­ckels Bio­gra­fie (in der es an pein­li­chen Reinwaschungs­versuchen nicht man­gelt) von den inter­nen Dif­fe­ren­zen im Nazi­reich zu hören, dem völ­li­gen Ver­sa­gen des Mor­phi­nis­ten Göring und dar­aus resul­tie­ren­der Füh­rungs­lo­sig­keit der Luft­waffe (mit zwei Selbst­mor­den an höchs­ter Stelle, Udet und Jeschon­nek). Der auch aus Hein­ckels Sicht abso­lu­ten Vaban­que-Stra­te­gie des Blitz­kriegs und des tech­no­lo­gi­schen Rück­stands der deut­schen Luft­flotte ab 1940/41 – wobei hier auch die gekränkte Eitel­keit des nicht immer zum Zuge gekom­me­nen Wett­be­wer­bers der Dor­nier, Mes­ser­schmitt & Co durchschimmert.

Als abso­lu­ten Kon­trast zur Hein­ckel-Bio­gra­fie kann ich die Erin­ne­run­gen des sowje­ti­schen Flugzeugkonstruk­teurs Jakow­lew emp­feh­len: »Ziel des Lebens«; des­sen Jak-Jäger die Mord­maschinen des Ernst Hein­ckel rei­hen­weise vom rus­si­schen Him­mel hol­ten. Das Buch des Autors, der auch noch Volks­kom­mis­sar für die Flug­zeug­indus­trie war, sich aber lei­der nir­gends mit dem sta­li­nis­ti­schen Ter­ror aus­ein­an­der­setzt, ist anti­qua­risch erhält­lich, z.B. über ZVAB.

Was »Stür­mi­sches Leben« von E. Hein­ckel betrifft: Für his­to­risch Inter­es­sierte eine annehm­bare Quelle, auf jeden Fall:

Les­bar

2. Weltkrieg, 2017 rezensiert, Ernst Heinckel, Luftkrieg, Nazis, Rüstung, Zwangsarbeit