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Gorki

Maxim Gorki
» Das Werk der Artamonows

Autor:Maxim Gorki (Russ­land, 1925)
Titel:Das Werk der Artamonows
Aus­gabe:Auf­bau Ver­lag 1946, SBZ
Über­set­zung:Klara Brau­ner
Erstan­den:Anti­qua­risch / Ein Weihnachtsgeschenk

Gorki

Als beken­nen­dem Fan gro­ßer rus­si­scher Dich­ter des 18. bis 21. Jahr­hun­derts hat Maxim Gorki einen Ehren­platz bei mir im Regal, neben Leo Tol­stoi, Alex­an­der Pusch­kin, Anton Tschechow, Kon­stan­tin Fedin, Iwan Tur­gen­jew, Kon­stan­tin Paus­tow­ski, Alex Tol­stoi – um nur ein paar zu nen­nen. Die­ser Roman Gor­kis beginnt kurz nach der Auf­he­bung der Leib­ei­gen­schaft (1868) und han­delt von der Grün­dung und Ent­wick­lung einer wach­sen­den Flachs­spin­ne­rei. Und der Grün­der­fa­mi­lie, ihrem Leben und ihren Ver­än­de­run­gen, bis zum Beginn der Okto­ber­re­vo­lu­tion. Der Fabrik­grün­der Ilja, hyper­ak­tiv, der sich über die trä­gen Stadt­be­woh­ner lus­tig macht, unter­hält ein ille­gi­ti­mes Ver­hält­nis mit der Mut­ter der Braut eines sei­ner Söhne. Er ist der Vater dreier sehr unter­schied­li­cher Söhne, die ihr Dasein als Fabri­kan­ten­fa­mi­lie recht diver­si­fi­ziert leben. Pjrotr, gera­dezu neu­ro­tisch in der Pflicht­er­fül­lung des Unter­neh­mers ver­ge­hend, wis­send, dass es einen zwei­ten, einen trieb­haf­ten Men­schen in ihm gibt. Der volks­nahe Ale­xej, mehr den Freu­den des Lebens gewid­met und schließ­lich der ins Klos­ter gemobbte buck­lige Nikita. Sie alle eint aber ein Über­le­gen­heits­ge­fühl als (rei­che) Unter­neh­mer gegen­über den trä­gen Städ­tern, gegen­über ihren Arbeitern.

Die blei­ben – Gorki galt als Revo­lu­tio­när! – hier aber aus­ge­spro­chen dif­fus, eher pas­siv und ragen in eher zwie­lich­ti­gen Rol­len ins Leben der Art­a­mo­nows hin­ein, so in Gestalt des kup­peln­den Tisch­lers und sei­ner sich pro­sti­tu­ie­ren­den Toch­ter Sina­ida, Arbei­te­rin im Werk.

Gorki gelin­gen des öfte­ren prä­gnante Sätze: »Du bist kein Mensch, son­dern mein Sohn!« herrscht der Fabri­kant den unbot­mä­ßi­gen Spröss­ling an. Und als der den Mord vom Vater gehass­ten Spiel­ge­fähr­ten gesteht: »Sie haben nur einen getö­tet, aber der Kirch­hof ist voll von den Opfern des Werks.« Vie­les aber, selbst der 1. Welt­krieg, bleibt aus­ge­spro­chen blass inner­halb der Erzäh­lung. Gorki gelin­gen oft mit weni­gen Wort­stri­chen Bil­der des Lebens, der Men­schen, ihrer Orte und Land­schaf­ten; aber er fes­selt hier nicht durch­gän­gig, es tritt man­cher Leer­lauf auf.

Sicher ist der kör­per­li­che und mora­li­sche Ver­fall der Mit­glie­der der Fabri­kan­ten­fa­mi­lie als Gleich­nis auf die »Fäul­nis« der herr­schen­den Klasse zu ver­ste­hen – das ver­langt aber einen sehr gut geschul­ten Leser. Gorki unter­lässt es, der Bour­go­i­sie eine inte­gre Arbei­ter­schaft gegen­über zu stel­len, diese spielt – zumin­des­tens als han­deln­des, geschweige denn revo­lu­tio­nä­res Objekt – in den Art­a­mo­nows kaum eine Rolle. Man erfährt kaum etwas über die Men­schen, die in der Fabrik arbei­ten, ihre Lebens­um­stände, ihr Den­ken, ihr (sozia­les) Han­deln, das Vor­han­den­sein irgend­wel­cher Revo­lu­tio­näre wird nur ange­deu­tet. – Mich hat die­ser Gorki – auch mit dem nicht plau­si­blen Ende – ziem­lich ent­täuscht, ein eini­ger­ma­ßen inter­es­san­tes Por­trait einer Fabri­kan­ten­fa­mi­lie (mit Län­gen), kein Bild Russ­lands über einen Zeit­raum von 50 Jah­ren, wenig über die arbei­ten­den Men­schen, die his­to­ri­schen Umwäl­zun­gen, Gorki hat viel, viel Bes­se­res geschrieben.

Noch Lesens­wert

2018 rezensiert, Aufbau Verlag DDR, Leibeigenschaft, Maxim Gorki, Zarenreich