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Fabian

Erich Käst­ner
» Fabian

Autor:Erich Käst­ner (Deutsch­land, 1931)
Titel:Fabian
Aus­gabe:Th. Ull­stein, 1965
Erstan­den:Aus dem Familiennachlass

Fabian

Das war eines der Lieb­lings­bü­cher mei­ner Mut­ter (geb. 1912) und ich frage mich heute, wie die 19jährige Ber­li­ner Sekre­tä­rin die­ses lite­ra­ri­schen Kon­dens ihrer eige­nen Gegen­wart wohl sei­ner­zeit emp­fun­den hat? Wenn man mit Anfang 20 mit­ten in der bro­deln­den Kul­tur der Welt­stadt lebt, mit samt dem dro­hen­den Faschis­mus am Horizont?

Völ­lig anders als die »Emil-Geschich­ten« schafft Käst­ner hier einen irr­wit­zi­gen Spie­gel, einen rasan­ten Abga­lopp der »wil­den Zwan­ziger«, ein sich über­schla­gen­des Gesche­hen einer Metro­pole, in der keine her­kömm­li­che Moral mehr Gel­tung hat. In dem auf selt­same Weise Geschlech­ter­rol­len umge­kehrt wer­den, der Tanz auf dem Vul­kan offen­bar Sys­tem hat, Men­schen wie Blät­ter im Sturm hilf­los durch­ein­an­der gewir­belt wer­den. Mit wel­cher Beklom­men­heit wir Nach­ge­bo­re­nen das lesen, wohl wis­send, wie die­ser Irr­sinn geen­det hat.

Es erscheint gera­dezu fol­ge­rich­tig, dass der Prot­ago­nist Fabian, der arbeits­los gewor­dene Rekla­me­spe­zia­list, bei dem Ver­such einen Jun­gen aus der Spree zu ret­ten, sel­ber ertrinkt.

»Er konnte lei­der nicht schwim­men« lau­tet des Autors lako­ni­scher Nach­satz – eine Alle­go­rie auf die Mil­lio­nen, die den Nazis wil­lig in den Unter­gang folgten?

Schade aber, dass der Autor an der Ober­flä­che des Gesche­hens bleibt und nicht ansatz­weise ver­sucht, hin­ter die Kulis­sen zu bli­cken und Gründe, Prot­ago­nis­ten und Nutz­nie­ßer die­ses Irr­sinns, Her­kunft, Auf­stieg, För­de­rer und Pro­fi­teure des Faschis­mus zu beleuchten.

Damit trifft er sich dann – nolens volens – mit dem Gros der »Poli­ti­ker«, ins­be­son­dere der Nach­kriegs­zeit, denen zufolge 1933 viele kleine braune Männ­chen in Deutsch­land lan­de­ten und 1945 schein­bar spur­los wie­der verschwanden.

Trotz die­ser sys­te­ma­ti­schen Schwäche:

Wun­der­bar zu lesen, klas­si­sches Zeitzeugnis!

Nach­trag: Diese Aus­gabe ist bei Ull­stein erschie­nen. Und wäh­rend ich diese Rezen­sion für mei­nen Blog »altmodisch:lesen« auf­be­reite, sehe ich die Lich­ter des Ull­stein-Turms durch mein Fens­ter. Auch wenn das mas­sive Gebäude und Archi­tek­tur­merk­mal nur noch eine Erin­ne­rung an glor­rei­che Ull­stein-Zei­ten ist; der Aus­blick passt!

2019 rezensiert, Erich Kästner, Historisches, Ullstein Verlag