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Ilja-Ehrenburg

Ilja Ehren­burg
» Sturm

Autor:Ilja Ehren­burg (UdSSR, 1965)
Titel:Sturm
Aus­gabe:Volk & Welt Ber­lin, DDR, 2. Auf­lage 1987
Erstan­den:Anti­qua­risch beim »Bücher­wurm« M. Kross, Bippen

Ilja-Ehrenburg

Die­ses Buch ist eine der gro­ßen Kriegsele­gien zum 2. Welt­krieg, das par­al­lel aus den Per­spek­ti­ven von Mos­kau und Paris betrach­tet und erstellt wor­den ist, Paris (seit 1912) so etwas wie die zweite Hei­mat des Dich­ters. Es zeich­net aus, dass der Ent­wick­lungsbogen die­ser Kata­stro­phe bewusst früh (1936) und nicht erst 1939 oder gar 1941 ansetzt. Es zeich­net sich durch oft packende Stel­len, grau­en­volle Wahr­hei­ten aus. Und immer treibt den Autor die Frage: Wie konnte es gesche­hen, dass ein so altes Kul­tur­volk wie die Deut­schen zum Herd einer sol­chen Aggres­sion, eines sol­chen unge­heu­er­li­chen Vernich­tungsterrors und -feld­zugs wer­den konnten.

Der Autor hat einen bemer­kens­wer­ten, einen rie­si­gen Bogen, von 1936 – 1945, von Paris und Mos­kau aus gleich­zei­tig geschla­gen, Re­spekt in einem sol­chen Vor­ha­ben nicht zu schei­tern. Auch heute, oder gerade heute, halte ich viele der dort aus­ge­spro­che­nen Wahr­hei­ten gerade für Deut­sche unver­zicht­bar. beson­ders an­gesichts der Geschichts­ver­ges­sen­heit gan­zer Genera­tionen, von Medien, ange­sichts von AfD-Wahl­er­fol­gen, NSU 2.0 sowie einer Neo­nazi-Ver­nied­li­chung in Regie­rungs­parteien und -behörden.

Den­noch bekam ich – ähn­lich wie beim Fall von Paris, rezen­siert im April 2019 – beim Lesen immer wie­der »gemischte Gefühle«, fand sei­nen Text teil­weise wenig fokus­siert, das Gesche­hen wurde aus ver­eng­ter, zu spe­zi­el­ler Per­spek­tive beleuch­tet. Trotz einer eher gefühl­ten Kritik:

Groß­ar­tig


PS: Ehren­burg, einer der belieb­tes­ten sowje­ti­schen Schrift­stel­ler im »Gro­ßen Vater­län­di­schen Krieg«, wie der 2. Welt­krieg in der Sow­j­­etunion hieß, wurde gera­dezu natur­ge­mäß von den deut­schen Rech­ten, von Erz­kon­ser­va­ti­ven, von Alt- und Neo­na­zis ange­fein­det, als ein Autor der zur Tötung, Mas­sa­kern und Ver­ge­wal­ti­gun­gen Deut­scher auf­ge­ru­fen habe. Einen Ein­druck davon lie­fert ein heute noch abruf­ba­rer Spie­gel-Arti­kel

Der weist nach, dass eine Urhe­ber­schaft Ehren­burgs für diverse »Mord­auf­rufe« nie nach­ge­wie­sen wer­den konnte. Die ohne­hin auch nicht not­wen­dig waren, die Auf­zäh­lung der Mord­ta­ten der deut­schen Sol­da­teska genügte, jeden Sowjet­sol­da­ten in die ent­spre­chende Stim­mung zu ver­set­zen. Falls er es nicht schon aus der eige­nen Fami­lie leid­voll erfah­ren hatte.

Den­noch wurde man­ches im »Sturm« spä­ter auch in der UdSSR als unpas­send erach­tet, oder wie es im Nach­wort von Rolf Schrö­der 1979 heißt: wur­den »zeit­ge­mäß hym­ni­sche Stel­len der ers­ten Druck­fas­sung« von »Sturm« gestri­chen. Sie ent­fie­len in der rus­si­schen Aus­gabe von 1965 und damit auch in den dar­auf basie­ren­den deutsch­spra­chi­gen DDR-Aus­ga­ben. Jeder, der ein wenig die sowje­ti­sche Kriegs­li­te­ra­tur der ers­ten 20 – 25 Nach­kriegs­jahre kennt, weiß auch, was damit gemeint ist: Hel­den­pa­thos und Sta­lin-Glo­ri­fi­zie­rung. Der Kraft die­ses Ehren­burg-Romans tut all das in mei­nen Augen kei­nen Abbruch, eher im Gegenteil.

2. Weltkrieg, 2020 rezensiert, Frankreich, Ilja Ehrenburg, Moskau, Paris, UdSSR, Volk & Welt Berlin/DDR