Audre Lorde
» ZAMI Eine neue Schreibweise meines Namens
Autorin: | Audre Lorde |
Titel: | ZAMI Eine neue Schreibweise meines Namens (1982) |
Übersetzerin: | Karen Nölle |
Ausgabe: | Carl Hanser Verlag, 1. Auflage 2022 |
Erstanden: | antiquarisch |
»ZAMI« heißt der Titel des Romans von Audre Lorde. es handelt sich um ein erzählendes Sachbuch, denn Audre Lorde erzählt von selbst erlebten Begebenheiten. Übersetzt bedeutet »ZAMI« Freundschaft unter Frauen, die nicht nur zusammenhalten, sondern sich auch lieben.
Audre Lorde, geboren 1934, wächst in Harlem/New York auf, ihre Eltern sind Einwanderer aus der Karibik. Sie ist fast blind und trägt eine sehr dicke schwarze Brille. Schon der erste Grund, um als kleines Kind ausgegrenzt zu werden. Als Schulkind erlebt sie weitere Ausgrenzungen. Sie ist nicht nur eine gute Schülerin, sie ist die Klassenbeste! Und als Auszeichnung wird die Klassenbeste zur Klassensprecherin gewählt. Eigentlich! Denn Audre Lorde ist Schwarz und wird nicht gewählt. Sie erlebt das als Ungerechtigkeit oder auch als Demütigung auch, wenn sie als Familie bei einem Familienurlaub in Washington DC in einer Eisdiele nicht bedient werden, weil sie Schwarz sind. Auf dem Weg in den Urlaub möchten die Kinder im Zug gerne im Speisewagen etwas essen. Doch die Mutter betont, »dass das Essen im Speisewagen viel zu teuer sei und man außerdem nie wisse, wie viele Hände schon mit dem Essen gespielt hätten. … Meine Mutter erwähnte nie, dass es Schwarzen Menschen 1947 nicht erlaubt war, in Zügen Richtung Süden den Speisewagen zu betreten.« (S. 110). Die Eltern, vor allem die Mutter, versuchen ihre Kinder vor diesem Rassismus zu beschützen, was ihnen aber nicht gelingt, weil sie den Rassismus nicht als System erkennen wollen. »Meine Mutter und mein Vater glaubten, dass sie ihre Kinder am besten vor der rassistischen Realität in amerika schützen konnten, indem sie diese weder beim Namen nannten noch je über ihr Wesen sprachen.« (S. 111).
Mit 17 Jahren zieht die Ich-Erzählerin bei ihren Eltern aus und ist jetzt auf sich allein gestellt. Muss sich eine Arbeit suchen und eine Wohnung. Sie erzählt vom Alleinsein, vom Hunger, von Diskriminierung und von einer gefährlichen Abtreibung, aber auch von ihrer ersten Liebe. Sie findet Unterstützung bei einer Gruppe junger, offener Frauen, die gegen McCarthy und die Verurteilung der Rosenbergs demonstrieren. Die Ich-Erzählerin entwickelt langsam ihre Identität als Schwarze Lesbe und fühlt sich zugehörig zu einer lesbischen Community. Aber, wir befinden uns in den 60er Jahren in den USA, die Community ist vornehmlich weiß und man glaubt es kaum, rassistisch. Wenn sie sich in der Schwarzen Community aufhält, muss sie feststellen, dass diese häufig sexistisch und homophob ist.
Sie muss dringend Geld verdienen und geht nach Stamford / Connecticut, denn Stamford war ganz in gewerkschaftlicher Hand. »In den meisten Betrieben der Leichtindustrie war es üblich, Schwarze Arbeitskräfte für drei Wochen einzustellen, sie zu entlassen, bevor sie in die Gewerkschaft eintreten konnten.« (S. 199). Nach drei Wochen ist die Ich-Erzählerin wieder arbeitslos.
Die Ich-Erzählerin verlässt das graue New York, um nach Mexiko zu gehen. Hier verliebt sie sich in Muriel, eine weiße Frau. Sie diskutieren nicht nur theoretisch, wie sie als lesbisches Paar in Mexiko leben können, sie leben ihr Leben in Lesbenbars und Cafés. Zurück in New York müssen sie weiter kämpfen, denn wenn sie eine Lesbenbar betreten wollen, werden sie immer wieder aufgefordert ihren Ausweis zu zeigen. »Und wir wären alle lieber gestorben, als die Tatsache auszusprechen, dass es mit meinem Schwarzsein zu tun hatte, da Homosexuelle natürlich keine Rassisten waren.« (S. 291). Hier wird sehr offen beschrieben, dass sie als Lesben beide zu einer Minderheit gehören, aber die Ich-Erzählerin muss als Schwarze Lesbe noch mal anders kämpfen. »Es war schwer genug Schwarz zu sein. Schwarz und Frau zu sein. Schwarz, Frau und lesbisch zu sein. In einer weißen Umgebung Schwarz, Frau, lesbisch zu sein und sich offen dazu zu bekennen, … galt bei vielen Schwarzen Lesben schlicht als selbstmörderisch.« (S. 362).
Diesen Weg des Kampfes muss Audre Lorde alleine gehen, weil sie keine Vorbilder habe, wie sie immer wieder betont.
Die Schrifstellerin Audre Lorde verbrachte zwischen 1984 und 1992 jedes Jahr mehrere Monate in Berlin, sie hatte eine Gastprofessur an der FU Berlin. Sie bot vielen schwarzen und weißen Frauen einen Denkanstoß, um gegen rassistische Strukturen auch innerhalb der Frauenbewegung vorzugehen. »1984 beendet Audre Lorde ihre Lesung in Berlin mit der Aufforderung, dass alle weissen Frauen den Raum verlassen sollen und dass keine schwarze Frau den Raum verlassen dürfe, bevor sie nicht mit einer anderen schwarzen Frau gesprochen habe.« Quelle Diese Idee miteinander zu kommunizieren hat Mithu Sanyal auch in ihrem Roman »Identitti« aufgenommen. Auch hier fällt die Professorin harte Entscheidungen, wenn sie in ihrer ersten Seminarstunde betont: »Okay, erst einmal alle Weißen raus.« Nur diejenigen dürfen bleiben, die sich von dem Begriff Student of Colour angesprochen fühlen.
Hier hätte es mir sehr gut gefallen, wenn die Autorin Mithu Sanyal in ihrem Roman »Identitti« aus dem Jahr 2021 darauf hingewiesen hätte, dass diese Idee ursprünglich Audre Lorde hatte, die mit ihrem Roman »ZAMI« aus dem Jahr 1982 beschreibt, wie sie ihre eigene Stimme und damit ihre eigene weibliche Identität gefunden hat.
Eine sehr lesenswerte Lebensgeschichte und sehr wichtig und lobenswert:
In Berlin gibt es seit 2023/24 die Audre-Lorde-Straße!
Die Entdeckung weiblicher Identität – sehr lesenswert!
Margret Hövermann-Mittelhaus
2024 rezensiert, Audre Lorde, Carl Hanser Verlag, Feminismus, Homosexualität, Identität, Rassismus