Erdmann Graeser
» Die Koblanks
Autor: | Erdmann Graeser (Deutschland, 1921) |
Titel: | Die Koblanks |
Ausgabe: | Kulturbuch-Verlag West-Berlin, 171,-175. Tausend, 1955 |
Erstanden: | Antiquarisch |
Es war einmal, als es zwei deutsche Staaten gab, und zwei »Berlins«, darunter eines namens »West-Berlin«, existierten. Eben dort gab es einen Rundfunksender (noch voll analog) namens »RIAS Berlin«, was für Rundfunk im amerikanischen Sektor stand. Geldlich lange gut mit US-$ gepolstert (die US-Besatzungsmacht zahlte die Kosten des Senders komplett, um den »American way of life« in Berlin + DDR zu popularisieren) war das Programm dieses »RIAS« erheblich besser und in und um die Stadt beliebter als der eher dröge öffentlich-rechtliche SFB (= Sender Freies Berlin).
In eben diesem RIAS gab es – neben viel Kalter-Kriegs-Rhetorik – exzellente Sendungen. So z. B. vom unvergessenen Hans Rosenthal (mit dessen Tochter ich die Schulbank drückte), aber auch Hörspielserien wie »Pension Spreewitz« (eher flach) oder »Damals war’s – Geschichten aus dem alten Berlin« (ambitionierter). Moderiert vom Schauspieler und (West-)Berliner Urgestein »Opa« Ewald Wenck (bis zu seinem 89. Lebensjahr (!), später von Edith Hanke) wurden hier von Drehbuchautor Werner E. Hintz und Regisseur Ivo Veit eher leichtere Stoffe aus dem historischen Berlin zu vergnüglichen, 8- bis 20-teiligen Hörspielen aufbereitet und 14-tägig ausgestrahlt; vgl. diese Webseite.
Ort und Zeit (Berlin zwischen 1830 und 1910) verrieten einiges über das Werden der Metropole und ihre damaligen Bewohner, schwelgten aber auch nicht zu knapp in Nostalgie, als eben Charlottenburg noch eine Sommerfrische war, Tegel nur ein Übungsplatz und Schöneberg noch ein Dorf. Besonders populär war die Reihe, weil die Sprecher (inkl. Präsentator Wenck) ungehemmt berlinerten, also »frei Schnauze« sprachen. Das entsprach nicht immer der literarischen Vorlage, stieß aber auf große Zustimmung der Hörerschaft, war doch der Berliner Dialekt im Alltag »offiziell« ausgesprochen verpönt (im Westen, im Ostteil der Stadt wurde wesentlich mehr berlinert) und in Radio/Fernsehen inexistent; und das obwohl der Anteil der »Eingeborenen« in der Stadt damals noch wesentlich höher lag als heute.
Der Autor der Koblanks, Erdmann Graeser (1870-1937), war in der »Damals war’s« Reihe mit »Kanzleirat Ziepcke« sogar ein zweites Mal vertreten. Seine »Koblanks« wurden 1964 als erstes Hörspiel der Reihe ausgestrahlt, genau genommen nur der erste Band vertont. Er erzählt die einfache Geschichte eines Berliner Bierkutschers (so um 1870), des »schönen Ferdinands«, genannt »Nante«, der mit seinem Pferde bespannten Brauwagen viel herumkam und Erfolg beim schönen Geschlecht hatte. So auch bei der »Kalten Mamsell« namens »Röseken« Schmidt, mit der die Ehe aber erst im zweiten Anlauf und mancher Kalamität klappt. Man wohnte in frisch erbauten Häusern an der noch einsamen Bülowstraße, in anderen Berlin-Romanen »Potsdamer Vorstadt« genannt, unweit der Wiesen des »Dorfs Schöneberg«.
Das ist mit Witz und Schwung und scharfem Blick auf reich gewordene Handwerker, Kneipiers, Bauunternehmer, sprich das (Klein-)Bürgertum erzählt und gibt viele vergnüglich-nostalgische Blicke in ein altes Berlin – Damals war’s!
Vergnüglich-nostalgische Berlin-Erzählung
19. Jahrhundert, 2018 rezensiert, Berlin, Damals wars, Erdmann Gräser, Kulturbuch-Verlag West-Berlin, Potsdamer Vorstadt